Kurz und kritisch

09.08.2009
Stefan Kornelius befasst sich in "Der unerklärte Krieg" mit dem deutschen Einsatz in Afghanistan. Der Iraker Najem Wali beschreibt in "Reise in das Herz des Feindes" seine Erlebnisse in Israel. Und Helmut Böttiger, Bernd Busch und Thomas Combrink haben mit "Doppelleben" ein Buch über die Gründungsgeschichte des deutschen Literaturbetriebs nach 1945 herausgegeben.
Stefan Kornelius: Der unerklärte Krieg – Deutschlands Selbstbetrug in Afghanistan. Ein Standpunkt von Stefan Kornelius
Edition Körber-Stiftung

Die Bundesregierung verschleiert das wahre Ausmaß des deutschen Einsatzes in Afghanistan und gefährdet damit die Sicherheit der Soldaten. Hart und gnadenlos skizziert Stefan Kornelius in seinem knapp 100-seitigen Essay eine Melange aus Selbstbetrug und Halbwahrheiten. Doch die kenntnisreichen Bewertungen geraten dabei über weite Strecken zum vorwurfsvollen Lamento. Deutsche Besonderheiten sind dem Autoren keine Chance, sondern Störfaktoren: "Dem Land wird unwohl bei dem Gedanken, seine militärische Macht einsetzen zu müssen", heißt es da, als sei dies eine Schande. Den Bundestag nennt er das "am wenigsten kalkulierbare Element" im Einsatz, schlimmer noch als Taliban und Warlords. Und dass die deutschen Soldaten keine Flüchtenden erschießen sollen, selbst wenn es Taliban sind, sei einheimischen Soldaten nicht vermittelbar, denn: "in der afghanischen Armee […] ist die Sitte nicht verbreitet, Flüchtende zu verschonen". Aber kann das ein Kriterium sein? Klarheit in der Beschreibung paart Kornelius mit Zorn und Spott in der Bewertung. Die "operationelle Freiheit" des Kommandeurs, so drängt sich beim Lesen auf, sei höher anzusetzen als das Leben von Zivilisten. Manche mögen das als illusionslos empfinden. Andere als blanken Zynismus.


Najem Wali: Reise in das Herz des Feindes. Ein Iraker in Israel
Hanser Verlag

Wer Klischees oder Vorurteile in Frage stellt, gerät schnell zwischen alle Fronten. Die Freunde können einem abhanden kommen und es gibt nur noch Feinde, obwohl genau dieses Freund-Feind-Schema durchbrochen werden sollte. So ist es auch dem Araber aus dem Irak, Najem Wali, gegangen, nachdem er seine Eindrücke von einer Israel-Reise niedergeschrieben und veröffentlicht hat. Wali wurde als Saddam-Kritiker im Irak inhaftiert und gefoltert. Er konnte flüchten und lebt seit 1980 in Deutschland. Seine Reise nach Israel, ins Land des Erzfeindes, ist ein Tabu-Bruch und hat ihm viele Feinde eingebracht. Er hat sich in Israel umgesehen und dabei mehr für die Gemeinsamkeiten interessiert, als für das Trennende. Seine Schilderungen passen so gar nicht in das Israel-Bild großer Teile in der arabischen Welt. Es sind die Begegnungen mit den Menschen, ob in Haifa, Jerusalem oder in einem Kibbuz, die Wali sucht. Dabei spricht er mit ihnen, lernt sie näher kennen und bildet sich dann erst eine Meinung über sie, die auch zu neuen Einsichten führen kann. Sein Reisebericht ist eine Aufforderung zum Dialog zwischen den Menschen, den Kulturen, unabhängig von den politischen Systemen.


Helmut Böttiger, Bernd Busch, Thomas Combrink (Hg.): Doppelleben. Literarische Szenen aus Nachkriegsdeutschland
Wallstein Verlag Göttingen

Das Jahr 2009, ein Jahr der Jubiläen. Neben Mauerfall und Gründung der Bundesrepublik, feiert auch die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung ihren 60. Jahrestag. Zeit für einen Rückblick, einen Blick auf die Jahre nach Kriegsende und auf das literarische Klima, das in diesem materiell und geistig zerstörten Deutschland – in Ost wie in West - herrschte. Da gibt es die Literaten, die 1933 die Zeichen der Zeit erkannten und schleunigst das Land verließen. Da gibt es die, die vertrieben wurden. Die, die in die innere Emigration gingen. Nicht zu vergessen, die große Gruppe derer, die sich anpassten. Von letzteren erfahren wir, dass in den Jahren nach 1945 nicht wenige dieser Repräsentanten im literarischen Betrieb wieder Schlüsselstellungen einnahmen. Kontinuitäten auch hier, wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen. So verwundert es nicht, dass ein Exilant wie Alfred Döblin nach schmerzvollen Erfahrungen des nicht Willkommenseins enttäuscht und desillusioniert dieses Nachkriegsdeutschland wieder verlässt. Oder, dass der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann bei seinen ersten Besuchen in Deutschland nach dem Krieg geschmäht und abgelehnt wurde. Die Gründungsgeschichte des deutschen Literaturbetriebs nach 1945 ist in zwei umfang- und dokumentenreichen Bänden nachzulesen. Zusammengetragen und erarbeitet von Helmut Böttiger mit Unterstützung von Lutz Dittrich. Gedacht als Begleitbuch einer Ausstellung der deutschen Literaturhäuser. Es ist die erste Zusammenstellung über diese Zeit und eine schier unerschöpfliche Quelle von Informationen.
Stefan Kornelius: "Der unerklärte Krieg"
Stefan Kornelius: "Der unerklärte Krieg"© Edition Körber-Stiftung
Najem Wali: "Reise in das Herz des Feindes“
Najem Wali: "Reise in das Herz des Feindes“© Hanser Verlag
Helmut Böttiger, Bernd Busch, Thomas Combrink (Hg.): „Doppelleben“
Helmut Böttiger, Bernd Busch, Thomas Combrink (Hg.): „Doppelleben“© Wallstein Verlag Göttingen