Kurz und kritisch

01.03.2009
Jean-Paul Mulders geht in "Auf der Suche nach Hitlers Sohn" dem Gerücht nach, dass der Diktator während des Ersten Weltkriegs einen Nachfahren gezeugt habe. Andreas K. Gruber nimmt in "Der Weg nach ganz oben" die Karriereverläufe deutscher Politiker unter die Lupe. Und Barbara Hahn und Christine Zimmermann ziehen in "Von B und C" gegen unübersichtliche Infografiken zu Felde.
Jean-Paul Mulders: Auf der Suche nach Hitlers Sohn
Herbig Verlag, München

Das Y-Gen macht Geschichte. Es kennzeichnet seinen Träger als Sohn eines Vaters ... und der mag beispielsweise Adolf Hitler heißen! Jahrzehntelang geisterte das Gerücht durch die Welt, der spätere Diktator habe im Ersten Weltkrieg einen Sohn gezeugt. Nicht schlecht für eine Sommerlochstory, befand der flämische Journalist Jean-Paul Mulders, denn: Was wäre, wenn sich mit modernen Gen-Analysen Hitlers Vaterschaft zweifelsfrei nachweisen oder verwerfen ließe? Selbst bei fehlender Diktator-DNA kann das funktionieren. Hitler hatte einen Halbbruder, und dessen männliche Nachkommen leben bis heute in den USA. Wie alle anderen Söhne, Enkel und Urenkel von Adolf Hitlers Vater Alois tragen sie ein fast identisches Y-Gen in ihren Zellen. Dieses müssten die vermeintlichen männlichen Diktatornachfahren auch aufweisen. Tun sie es? Nein ... Gerücht perdu, Buch zu Ende. Historische Forschung, wie sie die Boulevardpresse betreibt.

Andreas K. Gruber: Der Weg nach ganz oben – Karriereverläufe deutscher Spitzenpolitiker
VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

"Ich will hier rein!" brüllt der Kandidat und rüttelt am Tor des Kanzleramts. Das war einmal! Heute hilft die Wissenschaft weiter. Andreas K. Gruber hat über Karriereverläufe deutscher Spitzenpolitiker promoviert, und seine Arbeit endet mit einem praktischen Tipp: "Sollte man als karriereinteressierter Jungpolitiker die Möglichkeit bekommen, in einen ‚Andenpakt’ oder andere Seilschaften aufgenommen zu werden, sollte man nicht lange zögern." Zuvor bestätigt die penible sozialwissenschaftliche Untersuchung, was man schon ahnt: Ohne Parteibuch geht nichts. Und: "Die Ochsentour ist der reguläre Weg zum Erfolg." Soll heißen: Es dominiert die jahrelange ehrenamtlicher Schufterei an der Parteibasis. Doch die Jungen scharren schon mit den Hufen: 44 Prozent der befragten Jungabgeordneten waren nie berufstätig. Sie wechselten vom Studium gleich in bezahlte politische Ämter. Ob das der Demokratie besser tut als die viel gescholtene Ochsentour der Alten?

Barbara Hahn, Christine Zimmermann: Von B und C
Christoph Merian Verlag, Basel

Wir ersticken in Informationen, gleichwohl treffen wir auf ihrer Basis schwerwiegende Entscheidungen. Weil den meisten Menschen die Interpretation nackter Zahlen schwerfällt, stehen Heerscharen von Infografikern bereit. Den Schweizer Kommunikationsdesignerinnen Barbara Hahn und Christine Zimmermann sind konventionelle Balkendiagramme und Tortenstückgrafiken indes ein Graus. In ihrem großformatigen Bildband demonstrieren sie originellere, schönere und manchmal auch optisch plausiblere Versuche, Zahlenverhältnisse in Bilder umzuwandeln. Das Datenmaterial entnehmen sie der gemeinsamen Arbeit: Körpertemperatur, Worthäufigkeit in E-Mails, Lesegeschwindigkeit, zurückgelegte Wege verwandeln sich in musikähnliche Notate oder Formen der konkreten Poesie. Das ist verspielt und – noch – ohne Nutzwert, doch regt es zum Weiterspielen an. Und wer weiß: Vielleicht sehen Infografiken bald so aus?

Lektüretipp von Kurt Beck, Ministerpräsident Rheinland-Pfalz, SPD:
Volker Schlöndorff: Licht, Schatten und Bewegung. Mein Leben und meine Filme
Hanser Verlag, München
Jean-Paul Mulders: Auf der Suche nach Hitlers Sohn
Jean-Paul Mulders: Auf der Suche nach Hitlers Sohn© Herbig Verlag
Andreas K. Gruber: Der Weg nach ganz oben
Andreas K. Gruber: Der Weg nach ganz oben© VS Verlag für Sozialwissenschaften
Barbara Hahn, Christine Zimmermann: Von B und C
Barbara Hahn, Christine Zimmermann: Von B und C© Christoph Merian Verlag