Kurz und kritisch

Vorgestellt von Gabriele Kalmár · 28.10.2007
Georg Brandes schrieb schon Ende des 19. Jahrhunderts an gegen den Antisemitismus in Europa. Thomas Hartmann fordert Schluss mit dem Gewalttabu und will zeigen, was Kinder dürfen sollten. Und Jürgen Kaube spürt dem Aufstieg der Minderheiten nach.
Georg Brandes: Der Wahrheitshass - Über Deutschland und Europa 1880 – 1925
Berenberg Verlag, Berlin 2007

Ein schönes Foto stimmt den Leser ein: 1914, Georg Brandes zusammen mit Alfred Kerr und Asta Nielsen an Bord des Dampfers "Vaterland". Brandes, geboren 1844 in Kopenhagen, Publizist, Verteidiger des alten Europa, vor allem ein freier Geist. Der Däne, mehrerer Sprachen mächtig, zeigte in seinen politischen Texten nicht nur erstaunlichen Mut, sondern auch viel Weitsicht - ahnte er doch den Ersten Weltkrieg voraus. Er war Denker und Kulturvermittler, machte Nietzsche sozusagen hoffähig, schrieb an gegen den Antisemitismus in Europa und den Völkermord an den Armeniern. Vieles versteht man besser bei der Lektüre seiner Aufsätze und Berichte. Jetzt endlich kann man sie in deutscher Sprache und in einer sorgfältigen Edition lesen. Hanns Grössel hat sie ausgewählt und kommentiert.

Thomas Hartmann: Schluss mit dem Gewalttabu - Warum Kinder ballern und sich prügeln müssen
Eichborn Verlag, Frankfurt 2007

Ein aktuelles und ernstes Thema: Die wachsende Gewalt bei Kindern und Jugendlichen. Viele Experten meinen: Daran sind auch Computerspiele und Gewaltfilme schuld. Thomas Hartmann, Pfarrer aus Wiesbaden sagt: Nein, das ist falsch und gefährlich. Wer Heranwachsenden die Möglichkeit nimmt, Gewalt und Aggression spielerisch zu verarbeiten, schafft erst die Probleme. Hartmann möchte eine gesellschaftliche Diskussion über Gewalterziehung anstoßen und will zeigen, wie Gewalt durch Sport und Spiel kanalisiert werden kann. Ein Plädoyer gegen Generalverbote und Tabu, gegen das sich viele Argumente erheben, das als Diskussionsgrundlage aber durchaus taugt.


Jürgen Kaube: Otto Normalabweicher - Der Aufstieg der Minderheiten
zu Klampen Verlag, Springe 2007

Otto Normalverbraucher, den kennen wir ja. Aber Otto Normalabweicher? Die entscheidende Differenz zwischen beiden Figuren ist die allgemeine Not, in der sich einst der Normalverbraucher befand - das Normalabweichertum hingegen ist eine Gestalt des Wohlstands, schreibt der Journalist Jürgen Kaube. Im Untertitel seines Buches sehen wir: Es geht um den Aufstieg der Minderheiten. Abweichendes Verhalten ist nicht nur üblich - und damit zu einem gesellschaftlichen Durchschnittsfall geworden, diese vor allem kulturelle Entwicklung hat auch einen politischen Kern: Minderheiten, ob Einwanderer, Bauern oder Homosexuelle, haben gemeinsam, dass sie sich meist gut artikulieren und organisieren können, was wiederum zu Ansprüchen an den Staat auf Schutz und Subvention führt. Kaubes Essays analysieren dieses Phänomen in all seinen Facetten und sind dabei auch noch geistvoll und witzig.
Georg Brandes: Der Wahrheitshass
Georg Brandes: Der Wahrheitshass© Berenberg Verlag
Thomas Hartmann: Schluss mit dem Gewalttabu
Thomas Hartmann: Schluss mit dem Gewalttabu© Eichborn Verlag
Jürgen Kaube: Otto Normalabweicher
Jürgen Kaube: Otto Normalabweicher© zu Klampen Verlag