Kurz und kritisch

Wie drei Männer den Krieg erlebten

Kradfahrer und Soldaten haben sich zu einem Gruppenfoto in Frankreich aufgestellt - Herbst 1940.
Kradfahrer und Soldaten haben sich zu einem Gruppenfoto in Frankreich aufgestellt - Herbst 1940. © picture-alliance / dpa / Hans-Joachim Rech
Von Ute Christine Krupp · 18.05.2014
Drei Bücher über einen Krieg, vor allem aber drei sehr persönliche Schilderungen einer Zeit: Eine Generation rennt blind in den Krieg, ein Mann rennt vor dem Krieg davon und ein anderer jagt die Erinnerung an den alles entscheidenden Tag.
Bittere Erkenntnis nach dem Krieg
"Mami, bitte versteh mich! Wenn wir schon im Krieg sind, will ich vorne mit dabei sein." An diesen Satz erinnert sich Hans Ulrich Abshagen bis heute. Er konnte gar nicht abwarten, in den Zweiten Weltkrieg eingezogen zu werden, um für das Vaterland zu kämpfen. Er glaubte an den Endsieg Deutschlands.
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Buchcover Hans Ulrich Abshagen: Generation Ahnungslos© Europa Verlag
Doch die Strapazen an der Front, auch die Verhaftung seines Vaters bringen sein Weltbild ins Wanken. Nach und nach durchschaut er die Parolen der Propagandamaschine. In den letzten Kriegsmonaten entgeht er mehrfach nur knapp dem Tod. Die Hoffnung, seine große Liebe Rose heiraten zu können, hilft ihm, die Qualen der langen Märsche und der Gefechte zu überstehen.
Völlig desillusioniert kehrt er nach Hause zurück und erfährt: Rose wurde von russischen Soldaten vergewaltigt. Sie heiratet einen anderen Mann und nimmt sich wenige Jahre später das Leben.
Detailliert erzählt er Gedanken und Gefühle eines Jugendlichen im Krieg. Selten ist dies so überzeugend und packend dargestellt worden. Und am Ende bleibt die bittere Erkenntnis: Er sei politisch ahnungslos gewesen, weil er zu wenig Fragen gestellt habe.

Hans Ulrich Abshagen: Generation Ahnungslos
Wie ich auszog, um für Hitler den Krieg zu gewinnen
Europa Verlag Berlin, März 2014
168 Seiten, 16,99 Euro, auch als ebook

Der letzte noch lebende Deserteur des Zweiten Weltkriegs
Er wurde 1921 geboren und ist der letzte noch lebende deutsche Deserteur des Zweiten Weltkriegs. Diesen erfuhr Ludwig Baumann als große Demütigung, als Zerstörung seiner Würde. Und rückblickend stellt er fest, die Zeit heile nicht alle Wunden.
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Buchcover Ludwig Baumann: Niemals gegen das Gewissen© Herder Verlag
Weil er nicht töten wollte, floh er aus der Truppe. Genau das würden die Mächtigen fürchten, dass Menschen wie er ihre Absichten durchkreuzen. Und so reagieren die Mächtigen hart und unversöhnlich: 23.000 Deserteure wurden erschossen, erhängt oder enthauptet, die wenigen, die überlebten, haben es fast alle nicht mehr in ein normales Leben geschafft.
Ludwig Baumann schaffte es, obwohl er dem Alkohol verfiel, obwohl er jahrelang denunziert wurde. Engagiert und reflektiert erzählt er seine tragische Lebensgeschichte. Geblieben sind nächtliche Albträume, aber auch der Traum von einem Denkmal für Deserteure. 2015 soll es so weit sein. In Hamburg wird eine Skulptur errichtet werden: Eine unbewaffnete lebensgroße Figur läuft von einer Gruppe aus 88 Soldaten weg.

Ludwig Baumann: Niemals gegen das Gewissen
Plädoyer des letzten Wehrmachtsdeserteurs
Herder Verlag Freiburg, April 2014
128 Seiten, 12,99 Euro, auch als ebook

Der Tag, an dem Hitler starb
"Verirrt in einem einzelnen Tag, den ich selbst mit 13 Jahren miterlebt habe und den ich zu kennen glaubte, fand ich mich, je mehr ich darüber schrieb, in einer ganz unvertrauten Welt."
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Buchcover Alexander Kluge: 30. April 1945© Suhrkamp Verlag
Alexander Kluge hat den 30. April 1945 miterlebt, den Tag, an dem Hitler sich erschoss. Der Filmemacher und Produzent, Schriftsteller und Drehbuchautor sowie promovierter Rechtsanwalt erzählt Episoden ganz unterschiedlicher Menschen aus Berlin, San Francisco, Wien und anderen, auch abgelegenen Orten. Ein interessantes Mosaik an kleinen und spannenden Lebensgeschichten ist so entstanden.
Die meisten ahnten nicht, welche Bedeutung dieser Tag haben würde, vielen aber ist dieser 30. April und das damit verbundene Zeitgeschehen bis heute präsent:
"An der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin verwalte ich die Kostüme. Die Regale, in denen sich die Requisiten und Kleider befinden, die für das Dritte Reich charakteristisch sind, bleiben mir auch nach jahrelanger Gewöhnung unheimlich. Nachts gehe ich oft durch mein Lager und sehe nach, dass sich diese Kleider und Gegenstände nicht unversehens in Bewegung setzen."

Alexander Kluge: 30. April 1945
Der Tag, an dem Hitler sich erschoss
und die Westbindung der Deutschen begann
Mit einem Gastbeitrag von Reinhard Jirgl
Suhrkamp Verlag Berlin, April 2014
316 Seiten, 24,95 Euro, auch als ebook erhältlich