Kurz und kritisch

Die vielen Facetten der Grenze

Im Museum Wahlhausen, hinter Stacheldraht und Gitterzaun, können die Besucher vom Wachturm bis zum Grenzer-Trabi Relikte der Teilung Deutschlands in Augenschein nehmen.
Drei neue Bücher behandeln auf unterschiedliche Weise das Phänomen "Grenze". © picture alliance/dpa/Ralf Hirschberger
Von Ute Christine Krupp · 25.10.2014
Grenzen sind Zäune, Mauern oder Metaphern. Ihre Geschichte erzählt der Politikwissenschaftler Wilfried von Bredow. Von Grenzerfahrungen handeln auch das Porträt zweier chinesischer Menschenrechtler und die Erinnerungen einer Dolmetscherin für die Bundeswehr in Afghanistan.
Sami Sillanpää erzählt von seinem Freund Hu Jia. Der finnische Journalist stellt den chinesischen Bürgerrechtler vor, dem 2008 der Sacharow-Preis für geistige Freiheit vom Europäischen Parlament zugesprochen wurde.
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Buchcover: Sami Sillanpää: Für die Freiheit© Herbig-Verlag München
Bereits dessen Eltern setzten sich in China für Menschenrechte ein und wurden als Rechtsabweichler politisch verfolgt. Und der Sohn wird überwacht, seit er Ende der achtziger Jahre mit anderen Studenten auf dem Pekinger "Platz des Himmlischen Friedens" demonstrierte.
Detailliert und einfühlsam wird der Alltag von Hu Jia und Zeng Jinyan beschrieben. Rund um die Uhr sind die Eheleute der Geheimpolizei ausgesetzt. Selbst als die Frau ins Krankenhaus fährt, um ihr Kind auf die Welt zu bringen, weichen die Aufpasser nicht von ihrer Seite.
E-Mails werden abgefangen; Verfolgungsberichte, Abhörbänder und Videos angefertigt. Aber trotz aller Demütigungen lassen sich die beiden nicht entmutigen, engagieren sich unerschrocken weiter für demokratische Werte. Bei der Vergabe des Sacharow-Preises blieb der Stuhl für Hu Jia leer, er saß zu dieser Zeit im Gefängnis. Es war der Versuch, ihn endgültig zum Schweigen zu bringen.
Ein grandioses Porträt mit unglaublichen Geschichten – über ein autoritäres System, das gezielt die Privatsphäre von Bürgerrechtlern zerstört.

Sami Sillanpää: Für die Freiheit: Der Kampf der chinesischen Menschenrechtler Hu Jia und Zeng Jinyan,
Herbig-Verlag München, 368 Seiten, 24,99 Euro.

Geboren wurde sie 1955 in Kabul als Tochter einer gebildeten und weltoffenen Familie. Eine Burka trug sie nie. Sie stand auf Plateauschuhe, kurze Röcke und große Sonnenbrillen. Nichts schien unmöglich in ihrem Leben. Bis zur Invasion der Russen in Afghanistan.
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Buchcover Soraya Alekozei: Sie konnten mich nicht töten© Econ Verlag Berlin
Mit Mann und Sohn floh Soraya Alekozei damals nach Deutschland, an das sie sich schnell gewöhnte, dankbar für die neuen Lebensmöglichkeiten. Aber Schuldgefühle plagten sie, weil sie viele aus ihrer Großfamilie zurückgelassen hatte. Und sie quälte sich lange mit der Frage, wer Kriegsverbrechern in der Heimat den Prozess mache?
Als 2002 Soldaten der Bundeswehr an den Hindukusch geschickt wurden, entschied sie sich, als Dolmetscherin mitzugehen. In Afghanistan angekommen, stellte sie mit Schrecken fest, dass Krieg und Taliban-Herrschaft ihre Landsleute kollektiv verroht hatten. Bei einem Angriff wurde sie schwer verletzt und kehrte nach Deutschland zurück.
Im Tagebuchstil berichtet sie von Hoffnungen und Verzweiflung, vom Flüchtlingsalltag in Deutschland und von der Bundeswehr in Afghanistan - genau und eindringlich.

Soraya Alekozei: Sie konnten mich nicht töten. Als Afghanin im Einsatz für die Bundeswehr,
Econ Verlag Berlin, 272 Seiten, 18,00 Euro, auch als e-book.

Seit Menschen sich in Gemeinschaften zusammenfinden, gibt es Grenzen. Sie existieren als Mauer, Wall, Zaun, eiserner Vorhang, Fluss - und als Metapher. Sie definieren ein Grundmuster des Gemeinwesens, beantworten die Frage, wer dazu gehört oder nicht, schaffen so Identitäten und Konflikte.
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Buchcover Wilfried von Bredow: Grenzen © Konrad Theiss Verlag
Der Politikwissenschaftler Wilfried von Bredow zeichnet in einem Text- und Bildband ein Panorama an Grenzerfahrungen aus vielen Facetten des Wortes Grenze, wie sie Landschaften entscheidend prägt und Lebenswege lenkt oder gar behindert.
Die Hoffnung aus den neunziger Jahren aber hat sich nicht erfüllt, dass nach dem Ende der Konfrontation zwischen Ost und West eine Welt mit weniger Mauern entstehen werde.
Zwar verfügt die Diplomatie heute über mehr Einfluss und Methoden, aber Konflikte um Grenzen und Territorien existieren wie in früheren Epochen.

Wilfried von Bredow: Grenzen. Eine Geschichte des Zusammenlebens vom Limes bis Schengen,
Konrad Theiss Verlag Darmstadt, 208 Seiten, 39,95 Euro.