Kurioser Kalender in Rom

So sexy können Priester sein

Der "Calendario Romano" von dem Fotografen Piero Pazzi zeigt Porträts junger Priester und Seminaristen.
Der "Calendario Romano" von dem Fotografen Piero Pazzi zeigt Porträts junger Priester und Seminaristen. © dpa / picture alliance / Piero Pazzi
Von Thomas Migge · 30.11.2014
Diese Patres sind ein Hingucker: In Rom sorgt ein Kalender mit Bildern von besonders attraktiven Priestern buchstäblich für Erregung. Touristen kaufen ihn als kurioses Mitbringsel. Doch der Macher des Kalenders verfolgt eine ganz eigene Absicht.
"Eine sehr witzige Idee! Da wird doch eine Seite der katholischen Kirche aufs Korn genommen, die sonst eher verschwiegen wird, denn innerhalb der Kirche existiert ja ein gewisser Prozentsatz an homosexuellen Priestern", meint dieser römische Zeitungshändler, der an seinem Stand die begehrten Kalender verkauft.
"Ich denke mir, dass sich dieser Kalender vor allem an ein schwules Publikum richtet. Das sind doch alles junge Priester, und da kommt man schon auf gewisse Ideen."
Egal, wen man auf diesen Kalender in Rom anspricht: Erstaunen und ein süffisantes Lächeln sind immer präsent. Und immer die Frage, ob es sich um echte Priester der römisch-katholischen Kirche handelt, oder aber um Models, die man in Priesterkleidung gesteckt hat. Zu gut aussehend sind die zwölf jungen Männer, die ganz in schwarz und weiß abgelichtet wurden.
Ein Kalender, der auf den ersten Blick eigentlich nicht unbedingt ansprechend ist - nicht groß, nicht auffällig farbenfroh und ganz klassisch gestaltet: pro Monat ein Foto, in mehreren Sprachen der Monat und die Wochentage und damit basta. Und doch erregt dieser Kalender Aufsehen, internationales Aufsehen. Dazu der britische Reisejournalist Alan Hill, der schon mehrfach für seine Landsleute über den Kalender berichtete:
"Da finden Sie Priester, die man als 'heiß' bezeichnen könnte. Ich glaube schon, dass man sagen kann, dass es sich bei diesem Kalender um die attraktivsten katholischen Priester handelt, die sich als solche ablichten lassen. Von diesem Produkt wurden mehr als eine Million verkauft."
Die attraktiven Kalenderstars sind echte Geistliche
Ob eine Million oder wahrscheinlich weniger: der Kalender ist sicherlich eines der beliebtesten und kuriosesten Mitbringsel aus der ewigen Stadt und sorgt auch in so manchen deutschen Büros oder Wohnzimmern für neugierige Fragen.
Einige der jungen Männer erinnern an Hollywoodschauspieler, an Matt Damon zum Beispiel. Doch der Geistliche, der dem Dollar-Millionen schweren Superstar ähnelt, hat es ganz und gar nicht auf eine Karriere im Film- und Fernsehbusiness abgesehen.
Auch die anderen jungen Männer nicht - auch wenn sie, nach ihren abgelichteten Gesichtern zufolge, das Zeug dazu hätten. Die Kalenderstars sind echte Geistliche, vor allem Seminaristen. Die hübschen Patres, alle sehr jung, wurden von dem italienischen Fotographen, Historiker und Buchsammler Pietro Pazzi abgelichtet. Pazzi lebt und arbeitet in Venedig. Sein Kalenderprojekt ist allerdings nicht als süffisantes Souvenir erdacht worden. Im Gegenteil! Pietro Pazzi:
"Ich bin auf diese Idee gekommen, weil ich an einem so touristischen Ort wie Venedig lebe und wir dort von Massen von Personen besucht werden. Leute, von denen die meisten gar nichts genau wissen, wo sie sich befinden."
Und dann wird Pazzi - ganz anders als man es sich bei dem Autor des auf den ersten Blick fast schon neckisch wirkenden Priesterkalenders erwarten würde - gesellschafts- oder genauer: massentourismuskritisch:
"Heute reisen die Leute, weil es so billig ist. Gott sei Dank herrscht jetzt Krise, da sind weniger Menschen unterwegs! Die meisten reisen aber, weil sie einfach nur gucken, also glotzen, und nicht verstehen wollen. Man reist, weil es günstig ist. Das sind Leute, die einen mit ihrer Präsenz doch nur stören."
Praktische Tipps für Vatikan-Besucher
Kritische Töne, bei denen Pazzi es aber nicht belässt. Sein Kalender soll eine Art Vademekum gegen das touristische Unwissen sein. Pietro Pazzi liefert zusammen mit den attraktiven Burschen in seinem Kalender auch grundlegende Informationen zur Stadt Rom, vor allem aber zum Vatikan.
Und die Bilder mit den smarten Geistlichen? Ein visueller Schlüssel, eine augenfällige Verführungstaktik, um die Touristen in all dem in Rom angepriesenen Devotionaliennippes - von Aschenbechern mit Papst-Franziskus-Konterfeis bis zu knallbunten Madonnenfiguren von 2 bis 200 cm Größe - auf genau dieses eine Produkt aufmerksam zu machen. Pazzis Priesterkalender vermittelt interessante Informationen, von denen nicht alle in herkömmlichen Reiseführern zu finden sind:
"Viele Touristen wissen doch gar nicht, dass der Vatikan ein autonomer Staat ist. Sie wissen nicht, was das bedeutet, wenn ein vatikanisches Gebäude einen extraterritorialen Status genießt. Sie haben keine Ahnung davon, wie das mit der Polizei, mit dem Geld dort drin funktioniert."
Pazzi liefert auch Informationen dazu, wie man in den Vatikanstaat hinein kommt. Um dort shoppen zu gehen:
"Eine Person, die an einer bestimmten Krankheit leidet und ein Medikament benötigt, das in Italien oder sonst wo noch nicht zugelassen ist, aber in einem anderen Staat, kann es in der vatikanischen Apotheke kaufen oder bestellen. Mit einem ärztlichen Rezept kann jeder in die Vatikanapotheke."
Wo übrigens, schreibt Pazzi, alles weitaus billiger ist als anderswo, da der Vatikan keine Steuern berechnet und ja eine Art Off-shore-Staat ist. Doch zurück zu den Kalenderpriestern. Wie trieb Fotograf Pazzi die auf, wie lichtete er sie ab? Fragt er um Erlaubnis?

"Ja, das sind Priester und Seminaristen aber auch andere Personen des religiösen Lebens. Die Fotos der Monate März und April machte ich in Spanien, während der Prozessionen der Karwoche. Einige wissen, dass ich sie fotografiere, andere nicht."

Probleme hat er mit seinen Bildern nie bekommen. Kein Seminarist oder Priester hat sich jemals darüber beklagt, in Pietro Pazzis gefragten Kalendern aufzutauchen. Im Gegenteil. Einige der abgelichteten attraktiven Kirchenjungs und Kirchenmänner schrieben ihm sogar und bedankten sich für die tollen Bilder. Pietro Pazzi ist es mit seinem Priesterkalender gelungen, ein wirklich originelles und dazu auch noch hoch informatives Souvenir aus Rom zu schaffen.