Kunstszene

Ein Bett in Berlin

Von Barbara Wiegand · 05.12.2013
Die Liste liest sich wie ein "Who is Who" der Kunst- und Kulturszene: Peter Handke, Igor Strawinski, Nam June Paik und Damien Hirst - sie alle waren Gäste des des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Jetzt wird das so renommierte wie engagierte Künstlerprogramm 50 Jahre alt.
"Es war für mich unglaublich wichtig. Auf eine sehr schöne Weise hat es mir ermöglicht, die Stadt kennenzulernen. Es hat eine neue Periode in meinem Leben eingeläutet, es hat mir ermöglicht, ein sehr langes, ambitioniertes Projekt anzufangen. Ich konnte ein Jahr arbeiten ohne großen finanziellen Stress - das ist ein großer Luxus."
Das sagt Willem de Rooij. Und weil dieses Projekt während seines Stipendiums nicht fertig wurde, ist er geblieben, um es zu Ende zu bringen und mit einer großen Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie zu beschließen.
"Intolerance" nannte der Mittvierziger die eigenwillige Begegnung von Bildern eines holländischen Vogelmalers mit gefiederten Museums-Objekten aus Hawaii, für die er vier Jahre lang recherchierte. Eine lange Zeit, die der Multimediakünstler sich nehmen konnte, auch weil der DAAD nach zwölf Monaten Stipendium keine Ergebnisse sehen wollte.
Ariane Beyn, zuständig für die Sparte Bildende Kunst beim DAAD: "Ich denke, es ist insbesondere die Freiheit, dass sie nicht unter Zugzwang stehen. Das wir keine besonderen Formate von ihnen verlangen, keine Abschlussausstellung, sondern dass sie erst mal hierherkommen. Und die Anwesenheit der Künstler hier macht schon einen Unterschied. Ich glaube, dass das Künstlerprogramm in den letzten Jahren schon wesentlich zum Aufbau unserer Kunstszene beigetragen hat."
Einzige Voraussetzung: Man muss schon einen Namen haben
Dazu gehört sicher auch die 1965 im britischen Canterbury geborene Tacita Dean, die wie de Rooij bis heute in Berlin lebt. Im Jahr 2000 war sie unter den 20 Künstlern, die jährlich ein Stipendium bekommen. Musiker, Schriftsteller, Filmemacher, Bildende Künstler.
Ausgewählt und eingeladen werden sie von einer Jury - sich einfach zu bewerben, ist aussichtslos. Zu begehrt ist dieses Stipendium, dessen Anforderungsprofil weit gefasst ist: Es gibt keine Altersbegrenzung, der Künstler kann noch am Anfang seiner Karriere stehen oder eine Wiederentdeckung sein. Allerdings sollte er sich schon einen Namen gemacht haben. Wie Tacita Dean damals, die das Stipendium nutzte, um eine neue Arbeit für die Londoner Tate Gallery zu schaffen. Einen 16-Millimeter-Film, im rotierenden Restaurant des Berliner Fernsehturms auf dem Alexanderplatz gedreht.
Am Ende eines DAAD-Jahres, dass sie und ihr Werk geprägt hat, sagt Dean: "Rückblickend ist eines sicher: Der DAAD hat mein Leben verändert. Ich kam ja in der Zeit nach dem Kalten Krieg, in einer Zeit der Veränderungen. Einer Zeit, in der sich in der Kunst längst nicht mehr alles um die westliche Welt drehte. Das Jahr hier hat mich da sehr viel weitergebracht. Und umgekehrt geben die Künstler, die mit dem DAAD hierherkommen, der Stadt ja auch etwas zurück. Nämlich, wenn Künstler wie ich hier wohnen. Filmemacher, Schriftsteller - davon lebt die Kulturstadt Berlin."
Nan Goldin machte Fotos in einem Kreuzberger Badezimmer
Wichtig bei dieser "Win-Win"Situation ist sicher auch die Wohnsituation: Statt in Lofts in einem Akademie Gebäude leben sie in ganz normalen Wohnungen, Tür an Tür mit Berlinern. Tacita Dean kam etwa am Stuttgarter Platz im bürgerlichen Charlottenburg unter, de Rooij in der Kreuzberger Hornstraße - in einer Wohnung mit Tradition:
"Nan Goldin hat da gewohnt. Jetzt ist es AA Bronson. Es ist eine tolle Wohnung, wo sehr viel Geschichte mit verknüpft ist. Von Nan Goldin weiß man das noch gut, weil sie ein paar Fotos gemacht hat, die sehr berühmt geworden sind. Und als ich da kam, war lange nicht renoviert worden. Als ich da war, gab es noch das alte Bad, wo Nan Goldin ihre Fotos gemacht hat, und wir haben da ein paar Fotos nachgespielt. Für privaten Gebrauch natürlich."
So war das Stipendium in Berlin immer wieder Inspiration für die Künstler: Boris Mikhailov etwa machte seine drastischen Fotos auch an den Rändern der Berliner Gesellschaft, Micha Ullmann schuf seine berühmte Arbeit zum Gedenken an die Bücherverbrennung auf dem Bebelplatz in seinem DAAD Jahr, Cees Nootebooms "Berliner Notizen" über die Befindlichkeit der Deutschen während der Wendezeit entstanden auch als Gast des Austauschdienstes. Und Videokünstler Nam June Paik hob 1983 von Berlin aus gar zur Attacke gegen das Fernsehen an.
Derlei die Kunstwelt Bewegendes entsteht heute nicht mehr - jedenfalls nicht mehr so offensichtlich. Die DAAD Galerie in Berlin-Mitte ist eine Galerie unter vielen und auch sonst geht das Künstlerprogramm im Kulturangebot der Hauptstadt manchmal unter. So will und muss man sich in Zeiten der Globalisierung breiter aufstellen und richtet den Fokus weit über die westliche Welt hinaus: Künstler aus Asien, Südamerika oder Afrika werden jetzt vor allem eingeladen - um ein Jahr in der Kunstmetropole Berlin zu leben und zu arbeiten und dann vielleicht - einfach zu bleiben.
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