Kunstmäzen Gustav Rau

Er lebte für die Ärmsten der Armen

Der 2002 verstorbene Kunstsammler Gustav Rau
Der 2002 verstorbene Kunstsammler Gustav Rau © Imago / Rolf Hayo
Von Alois Berger · 14.04.2015
Gustav Rau war Unternehmer, Kunststifter und Arzt in der Entwicklungshilfe. Seinen Nachlass hat er so geordnet, dass Kunstfreunde in Deutschland aber auch Kinder in Afrika davon profitierten.
Rolandseck, zehn Kilometer südlich von Bonn, dort, wo das Rheintal anfängt hügelig zu werden. Unten auf dem Rhein tuckern die schweren Lastkähne flussaufwärts, oben am Hang steht der alte Bahnhof, umgebaut zu einem Kunstmuseum. Hier, weit weg vom Trubel der Großstadt, lässt das Kinderhilfswerk UNICEF den Kern der Gemäldesammlung von Gustav Rau ausstellen. Sabine Blöcker ist Kuratorin der Rvau Sammlung Rau.
Sabine Blöcker: "Es sind sehr sehr viele Gemälde, herausragende Gemälde, Schlüsselwerke von Monet zum Beispiel. Er hat uns quasi einen Gang durch die Kunstgeschichte ermöglicht, vom Mittelalter, von einem Altarwerk Fra Angelicos, bis über die Gemälde eines Boucher, die das Rokkoko verkörpern, bis zu Monet, der in die Moderne überleitet mit seinen flirrenden impressionistischen Bildern."
Experten schätzen den Wert der Sammlung Rau auf mehrere hundert Millionen Euro. Alle paar Jahre müssen einige Werke versteigert werden, um die Arbeit des Kinderhilfswerkes in Afrika zu finanzieren. Vor allem das Krankenhaus Ciriri im Osten der Republik Kongo soll aus dem Erlös der Bilder finanziert werden, das hat der Stifter Gustav Rau in seinem Testament so verfügt. Rau hat das Krankenhaus im Kongo in den 80er-Jahren selbst aufgebaut und viele Jahre als Arzt dort gearbeitet, erzählt Rudi Tarneden von Unicef-Deutschland.
Rudi Tarneden: "Ciriri ist ein Provinzkrankenhaus in einer sehr unruhigen Region im Osten des Kongo. Es ist im Grunde wie eine Insel in einem Meer von Chaos und Gewalt."
215.000 Menschen leben im Einzugsbereich der 130 Betten-Klinik, fast 10.000 Patienten werden jedes Jahr ambulant behandelt. Das Haus führt regelmäßig Ernährungs- und Impfprogramme durch, versorgt Mütter vor und nach der Entbindung und gilt als eines der wichtigsten Ausbildungs-Krankenhäuser im ganzen Ost-Kongo:
"Es ist sozusagen ein Leuchtturm, der auch ausstrahlen soll in kleinere Gesundheitsstationen."
Kunstsammlung dem Kinderhilfswerk UNICEF vermacht
Der Arzt Gustav Rau hat viel Geld aus seinem privaten Vermögen in sein Krankenhaus Ciriri gesteckt. Um die Finanzierung auch in Zukunft zu sichern, hat er später seine gesamte Kunstsammlung dem Kinderhilfswerk UNICEF vermacht. Doch die Geschichte dieser Erbschaft ist so verwickelt und kompliziert wie das gesamte Leben von Gustav Rau, der sich immer wieder umentschied, seine Entscheidungen rückgängig machte und neue Wege ausprobierte.
Rau wurde 1922 in Stuttgart als einziger Sohn eines Unternehmers geboren. In den 50er-Jahren übernahm die Fabrik seines Vaters, eine Zulieferfirma für Autohersteller. Als er schon über 40 war, begann er nebenher Medizin zu studieren, mit Schwerpunkt Tropen- und Kinderheilkunde. Dann mit fast 50, nach dem Tod seiner Eltern,verkaufte er die Fabrik und ging als Arzt nach Afrika. Zehn Jahre später baute er dort im Osten des Kongo das Krankenhaus Ciriri auf.
Gleichzeitig entwickelte Rau eine zunehmende Leidenschaft für teure Kunstwerke.
Wann immer er in Europa war, besuchte Gustav Rau Auktionen und Kunsthändler. Seine Neuerwerbungen stapelte im Zollfreilager Embrach im Züricher Flughafen. So entstand dort in einem Kellertresor eine der bedeutendsten privaten Kunstsammlungen Europas.
Gustav Rau hatte keine Familie, die Gemälde sollten deshalb dem Krankenhaus in Ciriri zugutekommen. Dafür gründete er mehrere Stiftungen, bekam dann aber Zweifel, ob sie geeignet seien, sein Lebenswerk in Afrika abzusichern, erzählt Rudi Tarneden von UNICEF:
"Er hat sich dann immer wieder umentschieden. Das ist natürlich immer schwierig, wenn man dann schon Gründungen von Stiftungen vornimmt, wenn sich der Stifter daraus wieder zurückziehen will. Dr. Rau hat sich irgendwann entschieden, diese verschiedenen Stiftungsmodelle hinter sich gelassen und hat dann eine Schenkung vorgenommen an das Deutsche Komitee für Unicef gemacht und hat dann auch testamentarisch verfügt, dass nach seinem Tod, das was noch nicht Teil der Schenkung war, ebenfalls in die Stiftung des Deutschen Komitees eingehen soll."
Nach Schlaganfall verschäft sich der Streit
1993 kehrte Gustav Rau aus gesundheitlichen Gründen nach Europa zurück. Als er 1997 in Monaco einen schweren Schlaganfall nur knapp überlebte, verschärfte sich der Streit zwischen seinen Stiftungen um das Erbe, das inzwischen bereits Hunderte von Millionen Euro wert war. Nicht nur die Stiftungen, auch ein entfernter Verwandter erhob Ansprüche. Ein Gericht in Monaco bezweifelte, dass Rau noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte sei und bestellte einen amtlichen Verwalter für die Kunstschätze. Ein Schweizer Gericht leitete ein Entmündigungsverfahren ein, das dann später eingestellt wurde.
Als Rau im Januar 2002 in einer Klinik bei Stuttgart starb, ging der Erbstreit in eine neue Runde. Erst 2008, gut sechs Jahre nach dem Tod des Stifters, stellte das Landgericht Konstanz einen Erbschein zugunsten von UNICEF aus. Seither wurden 400 Kunstwerke aus der Sammlung Rau verkauft, um die Arbeit von UNICEF in Afrika zu unterstützen. Die Bilder und Skulpturen von Gustav Rau machen derzeit zwei Drittel des Spendenaufkommens bei UNICEF Deutschland aus.
Sonntagmorgen in Rolandseck. Die Ausstellung „Revolution der Bilder" schlägt mit Gemälden der Sammlung Rau und Kunstwerken der irischen Nationalgalerie einen Bogen von der Renaissance bis zum Impressionismus. Zur Vernissage gibt es irische Musik, Guinness und eine Rede von UNICEF-Vorstandsmitglied Anne Lütkes. Sie nutzt die Gelegenheit, um für Spenden für das Kinderhilfswerk zu werben.
Anne Lütkes: "Es ist ein wunderschöner Sonntag mit einer wunderschönen Ausstellung. Aber ich erlaube mir zu sagen: denken Sie an die Kinder, an die Kinder der Welt, wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie ein bisschen spenden würden." (Applaus)
Noch zwölf Jahre wird die Verbindung von UNICEF und dem Museum in Rolandseck halten. 275 Gemälde, der Kernbestand der Sammlung Rau, bleiben bis 2026 in Rolandseck. Danach sollen auch diese Bilder nach und nach verkauft werden, so hat es der Stifter Gustav Rau verfügt.
Nur ein einziges Mal hat Gustav Rau zu Lebzeiten seine Bilder öffentlich gezeigt. Susanne Blöcker, die Kuratorin der Rau-Sammlung, erinnert sich an die Eröffnung der großen Wanderausstellung der Sammlung Rau vor Jahren in Köln. Der Stifter, damals bereits betagt und im Rollstuhl, sei sehr glücklich gewesen, wie begeistert das Publikum auf die Sammlung reagierte.
"Ansonsten lebte er nicht mit den Bildern. Zu einem großen Teil lebte er für die Ärmsten der Armen im Ostkongo und er bewahrte die Bilder auf in einem Tresor im Zollfreilager Embraport."
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