Kunsthalle Bremen

Viele Lücken in den Beweisketten

Die Kunsthalle Bremen
Die Kunsthalle Bremen © dpa / picture alliance / Ingo Wagner
Von Anette Schneider · 21.10.2014
Bundesweit lagert in den Museen noch von den Nazis geraubter Besitz. Denn wenn der Etat kaum für Museumsarbeit reicht, kommt auch die Provenienzforschung zu kurz. Die Kunsthalle zeigt erste Ergebnisse eines dreijährigen Projekts.
Gemälde von Max Liebermann, Erich Heckel und Camille Pissaro, Stillleben alter Holländer, Zeichnungen des italienischen Barock. Die ausgestellten 120 Arbeiten kamen durch die Bremer Sammler und Kunsthändler Arnold Blome, Heinrich Glosemeier und Hugo Oelze an die Kunsthalle. Und genau deshalb nahm die Provenienzforscherin Brigitte Reuter sie in den letzten drei Jahren kritisch unter die Lupe:
"Diese drei hatten ganz eng mit der Kunsthalle Bremen zu tun, und hatten ihre Erwerbungen besonders während der Zeit des Nationalsozialismus getätigt. Und daher war es dringend notwendig zu untersuchen, woher sie diese Erwerbungen getan hatten, woher sie angekauft haben, wer die Vorbesitzer waren, etc."
Die Ausstellung zeigt, wie mühsam die Suche nach der Herkunft der Bilder ist. So war über die drei Sammler kaum etwas bekannt. Erst Recherchen in Staatsarchiven, die Sichtung von Geschäftspapieren und Korrespondenzen gaben den Namen Gesichter, deckten Verbindungen und Geschäftspraktiken auf, wie bei dem Kaufmann Heinrich Glosemeier.
"Er selbst war eigentlich wirklich Sammler. Und hat aber während des NS auch das eine und andere gute Geschäft mit der Kunst gemacht, unter anderem auch mit der berüchtigten Ankaufskommission für das Führermuseum in Linz in Österreich."
Ein Drittel der ausgestellten Bilder gilt als unbedenklich
20 Gemälde in Bremen stammen von Glosemeier, darunter die berühmte "Papageienallee" von Max Liebermann. Ihre Herkunft konnte nun lückenlos geklärt werden. Sie gilt - wie ein Drittel der ausgestellten Bilder - als unbedenklich. Doch der große Rest weist weiterhin Leerstellen auf. Kuratorin Dorothee Hansen findet für diese Leerstellen ein eindringliches Bild: Gleich im ersten Saal, der die Arbeit der Provenienzforschung vorstellt, stehen drei Glasvitrinen mit Dokumenten zu einem umstrittenen Bild von Fritz von Uhde.
"Aber wir haben nur Dokumente von 1909-10/11 - und dann wissen wir nichts. Dann taucht es erst wieder 1940 auf. Und diese Lücke, die wird einfach sichtbar gemacht durch eine leere Vitrine. Und darum geht es eben auch: Das ist ein nicht seltener Fall, dass wir eine solche Lücke im Moment nicht schließen können. Damit müssen wir einfach leben. Und möglicherweise schließt sich diese Lücke auch noch in dieser sich weiterentwickelnden Provenienzforschung."
Die meisten Arbeiten unbestimmter Herkunft stammen von Arnold Blome. Blome war Sozialist und Künstler, arbeitete seit 1932 als Kunsthändler für die Bremer Kunsthalle und verkaufte ihr während des Faschismus über 300 Zeichnungen und Gemälde. Kurz nach Kriegsende löste er seine eigene umfangreiche Kunstsammlung auf und vermachte dem Haus wichtige Gemälde von Heckel und Schmidt-Rottluff, sowie 300 Zeichnungen, darunter eine des Barockkünstlers Giacomo Cavedone.
"Ihre Geschichte ist die, dass sie 1937 ihrem rechtmäßigen Eigentümer, dem jüdischen Sammler, Michael Berolzheimer in München, enteignet wurde. Er selbst konnte dann glücklicherweise 1938 in die USA flüchten. Und wenige Monate später, im März 1939, wurde dann seine Handzeichnungssammlung versteigert, bei Weinmüller in München. Arnold Blome ist dorthin gereist, im Auftrag der Kunsthalle Bremen, und hat insgesamt 12 Blätter ersteigert."
Kunstsammler bereicherten sich wie selbstverständlich
Cavedones Zeichnung ist Raubkunst. In einer Vitrine liegen die Beweise: das Auftragsschreiben der Kunsthalle, und die Rechnung von der Versteigerung. Vergangenes Jahr wurde das Blatt an die Erben restituiert, und wenig später zurückgekauft.
Allein durch Blome kamen über 600 Zeichnungen ans Haus. Schon erste Stichproben zeigten Brigitte Reuter, dass sie aus mindestens vier Auktionen mit enteignetem jüdischem Besitz stammen. Wie selbstverständlich bereicherten sich Kunsthallenleiter, Sammler und Händler an geraubtem jüdischem Eigentum.
"Es ging durch alle gesellschaftlichen Gruppierungen aber auch politischen Gruppierungen. Deswegen war es ja auch so wichtig, herauszufinden: Wer war Arnold Blome?, Was für eine Weltsicht hatte er? Und wir sind davon überzeugt, dass er ein überzeugter Sozialist war ... Und trotzdem hat auch er während der Zeit des NS überhaupt keine Bedenken gehabt, bei mehreren Auktionen mitzubieten, und dann später sogar auch bei den sogenannten Judenauktionen. Da hat er vor allem Haushaltsgegenstände ersteigert."
Der letzte Saal der Ausstellung führt noch einmal vor Augen, wie unendlich viel noch zu erforschen ist: Hunderte Bücher, sowie Möbel und Alltagsgegenstände aus Bremer Bibliotheken und Museen sind da versammelt. Überall lagert noch geraubter Besitz. Doch fast 70 Jahre nach Kriegsende steht die Provenienzforschung in Deutschland noch immer erst am Anfang. Nicht, weil die Museen ihre Bestände nicht erforschen wollen, sondern weil ihr Etat nicht einmal mehr für die tägliche Museumsarbeit reicht. Auch die Bremer Stelle wird durch Drittmittel finanziert. Jahr für Jahr muss sie neu beantragt werden. Kontinuierliches, selbstverständliches Arbeiten sieht anders aus!
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