Kunsthalle Baden-Baden: "Gutes böses Geld"

Kunst und Kohle

In der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden istdas Werk "Ela 75K, Plumpity... Plump" aus dem Jahr 2000 von Sylvie Fleury zu sehen.
In der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden ist das Werk "Ela 75K, Plumpity... Plump" aus dem Jahr 2000 von Sylvie Fleury zu sehen. © picture alliance / dpa / Uli Deck
Von Johannes Halder · 04.03.2016
Mit Lucas Cranachs "Ungleiches Paar" und Andy Warhols Dollarscheinen illustriert die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden die Bildgeschichte der Ökonomie von 1264 bis heute. Bei der Aufarbeitung der Finanzkrise könnte die Ausstellung mehr Kontur vertragen.
Es regnet Geld. Ein goldener Zylinder vor dem Baden-Badener Spielcasino spuckt den Passanten von Zeit zu Zeit Euromünzen vor die Füße. "Quantitative Easing" heißt das Werk des Künstlers Axel Stockburger – eine Anspielung auf die Geldschwemme, mit der die Europäische Zentralbank schon seit längerem die Märkte flutet. Ein paar tausend Euro aus dem Etat der Kunsthalle gehen dafür drauf – Peanuts natürlich im Vergleich zu dem, was die Währungshüter täglich springen lassen.
Nun ja, Geld ist nicht mehr das, was es mal war. Doch was ist das eigentlich, das Geld? Kunsthallenchef Johan Holten weiß es auch nicht so genau.
"Was Geld alleine ist und als einzige Definition, das glaube ich, kann niemand in der Welt sagen."
Geld ist jedenfalls kein fester Wert. Der Kunsthallenleiter definiert es als eine Technologie, die innerhalb historischer und sozialer Kontexte existiert, sich also ständig ändert. Finanzfachleute könnten ihm womöglich das Konzept zerlegen, doch es geht ja nicht um umstrittene ökonomische Thesen und Theorien, sondern um eine Bildgeschichte des Geldes, also um die emotionalen, psychologischen und ästhetischen Implikationen der Moneten.

Schulden sind älter als das Geld

"Die Kulturanthropologen weisen ja seit längerem darauf hin, dass es eben keinen Beweis dafür gibt, dass Geld als reines neutrales Tauschmedium auf dem Markt entstanden sein sollte."
Schulden übrigens sind älter als das Geld, das zeigt uns im Vorlauf der Schau ein winziges Täfelchen aus Ton, ein assyrischer Schuldschein aus dem 2. Jahrtausend vor Christus. Und auch eine lydische Goldmünze ist zu sehen, eines der ersten Geldstücke der Geschichte, rund 2600 Jahre alt.
Es folgen Gemälde mit der Darstellung von Geldgeschäften aus der frühen Neuzeit; und was Geld vermag, illustriert bereits eines der ersten Bilder der Schau. Lucas Cranachs "Ungleiches Paar" von 1522 zeigt einen lüsternen Greis, dem ein junges Mädchen in den Beutel greift.
Mit der Illusion der käuflichen Liebe stellt sich auch gleich die Moralfrage. Natürlich: Geld ist Macht, Geld verheißt auch Glück. Geld ist mal gut, mal ist es böse. Es geht um Not und Neid, um Mangel, Missbrauch, Gier, Verführung und Enttäuschung; mal wird der Mammon vergöttert, mal als Symbol der Vanitas verdammt. Ein ganzer Raum ist für die Armut reserviert.
"Das Interessante an der Bildgeschichte des Geldes ist eben, dass Geld sehr selten über die lange Zeit, wo es dargestellt worden ist, als Geld alleine gezeigt wurde, sondern immer mit Menschen, sozialen Kontexten, moralischen Verwerfungen gemalt wurde."

Dollarscheine von Andy Warhol

Das geht nicht ohne gelegentliche Kapitalismuskritik. Im Stadtmuseum ist neben sozialdokumentarischen Fotografien aus der Zeit der "Großen Depression" ein lebensgroßes Monopoly ausgestellt. In der Kunsthalle verrechnet die Konzeptkünstlerin Hanne Darboven in einer Art buchhalterischem Wahn endlose Reihen von Soll und Haben zu einer absurden Bilanz. Und da hängen auch die berühmten Dollarscheine von Andy Warhol. Eine Zäsur, sagt Johan Holten.
"1961 fängt Andy Warhol an, zum ersten Mal in der Bildgeschichte des Geldes, Geld als reine visuelle Oberfläche, als Geld ohne Menschen, ohne Kontext eben darzustellen, und das ist in der Tat ein Novum in der Bildgeschichte des Geldes."
Mit der Aufarbeitung der Finanzkrise verliert die Schau deutlich an Kontur, etwa wenn Sylvie Fleury einen goldenen Einkaufswagen aufs Spiegelpodest stellt oder Alicja Kwade vergoldete Briketts zu glänzenden Stapeln schichtet – jede Menge Kohle, ja, und zynische Konsumkritik – aber auch platte Symbolik, an der man sich schnell sattgesehen hat.
Gezeigt wird aber auch, wie sich die Kunst selbst in jüngster Zeit als eine Art ästhetische Parallelwährung etabliert hat mit aberwitzigen und kuriosen Auswüchsen des Kunstmarkts.
"Zum Beispiel hat Christoph Büchel 2009 seine Socken, seine Sportsocken, ausgezogen und auf einem Podest auf der Kunstmesse Frieze hingelegt und für 20.000 Pfund zum Kauf angeboten und auch gleich verkauft."
Mag sein, dass sich der Käufer der teuren Textilien langfristig verrechnet hat. Vielleicht aber hat er für sein Geld einen echten Sparstrumpf eingehandelt.

Die Ausstellung ist in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden, dem Spielcasino und dem Stadtmuseum bis zum 19. Juni 2016 zu sehen.

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