Kunstbetrug

Der Mann, der Göring täuschte

Das Jan Vermeer nachempfundene Gemälde "Christus und die Jünger in Emmaus" von Han van Meegeren aus der Sammlung des Museums Boijmans Van Beuningen in Rotterdam
Das Jan Vermeer nachempfundene Gemälde "Christus und die Jünger in Emmaus" von Han van Meegeren aus der Sammlung des Museums Boijmans Van Beuningen in Rotterdam © dpa / picture alliance / Museum Boijmans Van Beuningen
Von Irene Binal · 22.05.2014
Mit gefälschten Vermeer-Gemälden führte Han van Meegeren jahrelang die gesamte Kunstszene an der Nase herum. Eines seiner Werke landete sogar bei Hermann Göring. Der US-Journalist Edward Dolnick stellt uns den Kunstfälscher in einem mitreißenden Buch vor.
Der Name Han van Meegeren dürfte Kunstexperten noch heute Schauer über den Rücken jagen. Denn der kleine Mann mit dem Schnauzbart schaffte es mehrere Jahre lang, mit gefälschten Vermeer-Gemälden fast die gesamte Kunstszene an der Nase herumzuführen. Eines seiner Werke landete sogar bei Hermann Göring, der seinen angeblichen Vermeer besonders schätzte. Diesen Han van Meegeren hat sich der US-Journalist Edward Dolnick vorgenommen, in einem Buch, das ebenso informativ wie unterhaltsam ist.
Die Geschichte liest sich wie ein veritabler Schelmenroman: Ein erfolgloser Maler beginnt, Werke großer Meister zu fälschen, und Jan Vermeer erscheint ihm passend: In der Biografie wie auch im Werk dieses Meisters aus dem 17. Jahrhundert klaffen große Lücken - und die macht sich Han van Meegeren zunutze: Er malt 1936 ein Bild namens "Christus in Emmaus", das eigentlich überhaupt nicht wie ein Vermeer aussieht, aber die Kunstszene ist begeistert: Experten feiern das fragwürdige Bild als "Meisterwerk", es sei "durch und durch ein Vermeer", die Museen stehen Schlange und van Meegeren - der inzwischen Millionen gescheffelt hat - macht sich daran, weitere "Vermeers" auf den Markt zu werfen, die immer stümperhafter ausfallen und dennoch hymnisch gefeiert werden.
Warum fielen Experten auf plumpe Fälschungen herein?
All das erzählt Dolnick auf mitreißende Weise, sodass man mitunter fast das Gefühl hat, sich in einem Roman zu befinden - allerdings nur fast. Denn Dolnick stellt gleichzeitig die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass anerkannte Koryphäen reihenweise auf van Meegerens recht plumpe Fälschungen hereinfielen, und findet mehrere Gründe: Neben der Eitelkeit der Experten, die selbst wenn sie Zweifel hatten, nicht zugeben konnten, einen Fehler gemacht zu haben, spielte auch die Zeit van Meegeren in die Hände: Europa befand sich im Krieg, die Lage auf dem Kunstmarkt war unübersichtlich, weshalb die fraglichen Werke nie naturwissenschaftlich untersucht wurden (wobei man herausgefunden hätte, dass die Farben der angeblichen Vermeers teilweise aus Plastik bestanden).
Aber Dolnicks Buch ist nicht nur ein kurioser Streifzug durch die Kunst- und Kunstfälscherszene der 1930er- und 40er-Jahre, sondern gleichzeitig ein Zeitbild, in dem die Lage in den besetzten Niederlanden ebenso behandelt wird wie das Schicksal der Juden oder die Jagd der Nazis nach Kunstwerken. Gleichzeitig gewährt Dolnick tiefe Einblicke in die damaligen Fälschungstechniken und die Vernetzungen am Kunstmarkt. All das verpackt er in eine leichtfüßige Prosa, die mit Charme und Witz ebenso aufwartet wie mit großem Wissen und sorgfältiger Recherche.
Fast ist man geneigt, van Meegeren zu bedauern, der nach Kriegsende nur durch Zufall aufflog: Als er in den Niederlanden der Kollaboration mit den Nazis verdächtigt und verhaftet wurde, gab er seinen Betrug zu - und musste die Ermittler erst überzeugen, dass er tatsächlich die weltweit anerkannten "neuen" Vermeers gemalt hatte. So ist das Buch auch das einfühlsame Porträt eines Mannes, der laut Dolnick sowohl Experimentator als auch Taktiker und gewiefter Menschenkenner war: "Was er nicht besonders konnte, war malen. Doch er fand Mittel und Wege, diese Tatsache nicht groß ins Gewicht fallen zu lassen."

Edward Dolnick: Der Nazi und der Kunstfälscher
Die wahre Geschichte über Vermeer, Göring und den größten Kunstbetrug des 20. Jahrhunderts
Übersetzt von Dominik Fehrmann
Verlag Parthas, Berlin 2014
288 Seiten, 29,80 Euro

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