Kunstaktion in Berlin

Ein Verzeichnis vertrauensvoller Menschen

Von Christoph Möller · 24.02.2017
Adrian Piper will mit ihrer Installation "The Probable Trust Registry: The Rules of the Game #1-3" das Vertrauen als Grundpfeiler unserer Gesellschaft bestärken, wie sie sagt. Die Besucher ihrer Berliner Ausstellung müssen sich verpflichten, vertrauenswürdige Menschen zu sein.
Haupthalle vom Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart. Ich weiß, dass hier eine Ausstellung von Adrian Piper stattfindet. Ich weiß, dass es um Vertrauen geht, und dass ich gleich einen Vertrag unterschreiben werde. Und da ich auch weiß, dass ich im Verträge unterschreiben nicht besonders gut bin, habe ich mir Hilfe geholt, vom Kurator der Ausstellung und gleichzeitig auch Direktor der Nationalgalerie, Udo Kittelmann. Vielen Dank schon mal, dass Sie mir helfen werden.
Udo Kittelmann: "Ich versuche es."
Christoph Möller: "Vielleicht können Sie mal beschreiben, was wir hier sehen?"

Eine Kathedrale des Vertrauens

Kittelmann: "Es erinnert sehr stark an eine Kathedrale, aber vor allen Dingen an die Empfangssituationen in großen Banken. Man sieht über die Halle verteilt, die ja sehr groß ist, drei goldene Tresen, und hinter jedem Tresen steht ein so genannter Rezeptionist. Und der wird uns jetzt vertraut machen mit ethischen Eigenschaften, ethischen Prinzipien, die wir alle kennen, nach denen wir uns unbedingt eigentlich halten sollten, und dann kann man am Ende einen Vertrag mit sich selbst unterschreiben, dass man sich hoffentlich, wahrscheinlich, vertrauen kann."
Möller: "Vielleicht können wir ja mal die Sätze vorlesen: 'I will always be too expensive to buy', steht hier, dann: 'I will always mean what I say#, und ganz hinten: 'I will always do what I say I am going to do.' Ich bin ein Mensch, der die Wahrheit mag, ich würde jetzt als erstes mal 'I will always mean what I say' unterschreiben ..."
Kittelmann: "... genau, was ja bedeutet, weitergedacht: Man wird angehalten, nicht mehr zu lügen. Und wenn man das immer tiefer reflektiert, merkt man, wie schwer das ist. Denn ich werde ja aufgefordert, mich daran auch zu halten. Und es mögen ja auch Situationen sein, wo genau das, dass ich meine, was ich sage, zu einem großen Ärger führt. Also, es ist immer auch sehr zweischneidig, was man hier unterzeichnet."
Der Hamburger Bahnhof mit dem Museum für Gegenwart auf der Invalidenstraße in Berlin, aufgenommen am 08.07.2008.
Die Aktion findet statt im Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart in Berlin© picture-alliance / dpa / Gero Breloer

Vertrauen auf hundert Jahre

Möller: "Jetzt sind wir hier am Tresen, golden, kreisrund. Hier ist ein Touch-Bildschirm: 'Rules of the game #2', da sind wir jetzt, 'I will always mean what I say'. Wir drücken jetzt mal 'deutsch'. Jetzt muss ich noch angeben, dass meine Daten für hundert Jahre gespeichert werden. Nach hundert Jahren, passiert dann was? Dann werden sie öffentlich?"
Kittelmann: "Nach hundert Jahren wird das sicherlich dann in einer Form veröffentlicht werden können. Die Idee ist ja wirklich, dass dieses Projekt auch immer wieder weitergeführt werden kann, weil sich diese Thematiken immer wieder aktuell stellen werden."
Möller: "So, und jetzt, kommt im Grunde genommen der heikle Moment, wo ich unterschreibe. Und ich klicke 'abschließen'. Vielen Dank!"
Kittelmann: "Jetzt wird der Vertrag, den Sie mit sich selbst abgeschlossen haben, ausgedruckt. Das ist ja hier nicht zur Spaßgewinnung, sondern das ist hier ein sehr ernsthaftes Unternehmen. Es hinterfragt etwas, was uns alle in diesem Moment angeht: Vertrauen. Vertrauen in uns selbst und Vertrauen in andere. Aber das Vertrauen fängt zunächst bei uns selbst an. Wenn Sie das ernsthaft unterschreiben, dann gehe ich mal davon aus, dass Sie auch ein Bemühen haben, sich dem auch immer wieder zu erinnern. Also wir haben ein Thema gefunden, was über Ethik, Moral, einfach diese Prinzipien verhandelt, zwischen uns beiden."

Der spielerische Mensch

Möller: "Andererseits hat es ja schon so ein bisschen einen spielerischen Aspekt ..."
Kittelmann: "Ja, 'The Rules of the Game'."
Möller: "Wenn wir jetzt sagen, mit Schiller, 'der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt', dann habe ich hier im Grunde genommen eine höchst menschliche Tätigkeit vollzogen."
Kittelmann: "Absolut, absolut."
Möller: "Jetzt habe ich das auch ausgedruckt als Papier. Ich muss es mir jetzt noch mal kurz vor Augen führen. Ich habe jetzt unterzeichnet, dass ich immer meine, was ich sage. Und das halte ich jetzt hoffentlich mein Leben lang durch."
Kittelmann: "Versuchen Sie es mal."
Möller: "Vielen Dank für die Hilfe."
Adrian Piper: "The Probable Trust Registry: The Rules of the Game #1-3". Vom 24.02.2017 bis 03.09.2017 im Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart, Berlin.

Adrian Piper (geboren 1948 in New York) ist Philosophin und Konzeptkünstlerin der ersten Generation. Ihr Schaffen zählt zu den bedeutendsten Positionen der Gegenwartskunst. Seit 2005 lebt und arbeitet sie in Berlin. "The Probable Trust Registry: The Rules of the Game #1-3" wurde im letzten Jahr für die Sammlung der Nationalgalerie erworben und wird nun erstmalig präsentiert.

Mehr zum Thema