Kunst

Leben in der Blase

Küchenmonument, Eine Soziale Skulptur vor dem Museum, Berlinische Galerie, 2014. Auf dem Bild sind rennende Kinder auf einem Feld mit lauter Buchstaben zu sehen, dahinter Menschen, eingehüllt in eine riesige Blase.
Die temporäre Skulptur "Küchenmonument" © © raumlabor berlin, Foto: Amin Akhtar
Von Vera Linß · 28.08.2014
Eine riesige Blase aus durchsichtiger Folie, darin Menschen, die Möbel bauen: Auf dem Platz vor der Berlinischen Galerie ist zurzeit das "Küchenmonument" zu sehen. Anwohner und Kunstinteressierte sind von dem Objekt begeistert.
Berlin-Kreuzberg in strahlender Sonne. Vor dem Eingang der Berlinischen Galerie, dem Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, hat sich eine große weiße Blase breitgemacht. Sie quillt heraus aus einem alten silbern ummantelten Bauwagen. Beide zusammen sind: Das Küchenmonument, erklärt Andrea Hofmann von der Künstlerkooperative "Raumlabor".
"Dieser Bauwagen dient als Foyer, aber auch als Behausung der temporären Blase, die einen Raum aufspannt. Diese Blase ist ein pneumatischer Raum. Der wird quasi ausgerollt aus diesem Bauwagen und bildet dann, indem dort Luft reingeströmt wird, einen ganz leichten Raum, den man betreten kann und der sich in der Umgebung an alles Mögliche auch ranschmiegen kann."
Straßen und Plätze wieder mehr als einen Ort für Kommunikation nutzen
Noch sind es wenige, die an diesem Nachmittag die temporäre Skulptur erkunden – Kunstinteressierte, Freunde der Berlinischen Galerie und Anwohner. Wie dieser Vater, dessen Kind gegenüber in die Kita geht. Von der Blase ist er begeistert.
"…weil es mit sehr, sehr einfachen Mitteln vermag, ein ganzes Raumgefühl zu kreieren und letzten Endes nur eine Plastikplane und ein bisschen Luft ist."
Architektur anders zu erleben – das ist nur ein Anliegen des "Raumlabors". Die Künstler wollen auch dazu anregen, Straßen und Plätze wieder mehr als einen Ort für Kommunikation zu nutzen. Andrea Hofmann, selbst Architektin, bedauert,
"...dass öffentlicher Raum gar nicht mehr so der Begegnungsort ist, sondern viel so ne Schnelllebigkeit, die Leute aneinander vorbeirauschen lässt. Und uns hat interessiert, dass man diesen Ort auch wieder anders wahrnimmt, so ne Intervention eine andere Lesbarkeit zulässt."
Das Konzept geht auf
Dafür sucht sich das "Küchenmonument" weltweit sogenannte Unorte – Ecken einer Stadt, in denen man nicht gern verweilt. Wie zum Beispiel den Vorplatz der Berlinischen Galerie. Das Museum befindet sich in einem ehemaligen Glaslager, das in den 60er-Jahren errichtet und 2003 umgebaut worden ist. Drum herum: schmucklose Neubauten, entstanden während der Internationalen Bauausstellung 1987.
Inzwischen herrscht vor der Skulptur emsiger Betrieb. Zusammen mit den Künstlern vom "Raumlabor" bauen die Besucher Stühle und Tische, um später gemeinsam im "Küchenmonument" essen zu können. Das Konzept, einem Ort eine neue Bedeutung hinzuzufügen, geht voll auf. Zumindest bei dieser Besucherin, die mit vier kleinen Kindern dabei ist, einen Stuhl zusammenzuschrauben.
"Ich finde, das gibt dem Ganzen eine ganz andere Atmosphäre. Also ich find's schön, wenn hier mal so ganz andere Impulse hineinkommen. Dass man sich überhaupt an solche Orte begibt, an dem man sonst gar nicht so ist. Oder vielleicht nur in das Gebäude reingeht. Und hier ist man jetzt einfach draußen, nimmt plötzlich auch so Fassaden der Nachbarbauwerke wahr. Und die Plätze drum herum. Also es erweitert ja auch den Horizont."
Eine Kritik an der etablierten Kulturpolitik
Auch das gemeinsame Möbelbauen fällt unter Horizonterweiterung. Kaum einer der insgesamt siebzig Leute, die an diesem Tag bei der Kunstaktion mitmachen, hat Erfahrung damit. Auch das ist Teil des Konzepts: Etwas tun, von dem man nicht glaubte, es zu können – wie etwa einen Stuhl bauen. Und dabei kreativ zu werden.
"Wir haben überlegt, dass wir den ein bisschen für uns verändern, vielleicht individuell. Und dann uns noch Kissen dazulegen. Jetzt ist der erst mal nur aus Holz und ziemlich hart. Und ich nehme an, trotzdem bequem genug. Aber vielleicht machen wir's uns darin noch ganz kuschelig."
Inmitten der Bastelnden steht Thomas Köhler, der Direktor der Berlinischen Galerie und Gastgeber des Events. Seit dem 1. Juli ist sein Museum geschlossen, weil die Sprinkleranlage ausgetauscht wird. Eine gute Gelegenheit, um auf den Außenraum des Museums aufmerksam zu machen, findet Köhler. Die Aktion der Künstler-Kooperative "Raumlabor" enthält für ihn aber auch ein Stück Kritik an etablierter Kulturpolitik.
"Sie beleben mit ihren temporären Architekturen Orte, denen man das nie zugetraut hätte, dass die plötzlich eine derartige Kraft entfalten. Und das finde ich auch für Berlin natürlich ein sehr schönes Konzept. Jenseits von Schlossdiskussionen und Schlossneubauten, wo es ja offenbar nur um ein besonderes Geschichtsbild geht, und um Restaurierung, um das Wiederinstandsetzen einer Zeit, die schon längst vergangen ist, entwickeln die sehr zeitgemäße Formen von Architektur, die glaube ich am Ende besser funktionieren."
Das "Küchenmonument" wird noch drei weitere Male auf dem Vorplatz der Berlinischen Galerie zu Gast sein. Am 15. und 17. September sowie am 2. Oktober. Der Eintritt ist kostenlos, eine Anmeldung erforderlich.
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