Kunst in der Austastlücke

Bunte Bilder für den Teletext

Von Johannes Nichelmann · 30.08.2016
Es ist wie Ministeck, was Dan Farrimond auf der Mattscheibe macht: Bis Ende September wird der britische Künstler täglich eine Seite im ARD-Text gestalten - einem Medium, das trotz Twitter und Facebook nicht totzukriegen ist.
Im ARD-Fernsehen läuft die Serie "Rote Rosen":
- "Wussten Sie nicht, dass Herr Jansen auf dem Gut von Herrn Flickenschild lebt?"
- "Yeah... Precisely. I think that’s what Teletext was invented for: This program is awful, so let’s put Teletext on!”
Für solche Situationen wurde der Teletext erfunden, sagt Dan Farrimond. "Dieses Programm ist furchtbar, lass den Teletext einschalten!"
Sechs Farben, dazu Schwarz und Weiß. 24 Zeilen mit 39 Zeichen. Mehr geht im Teletext nicht und mehr braucht der "Digital Retro Artist" aus Großbritannien auch nicht für seine Kunst. Er kreiert bunte Bilder für den Teletext. Comic-Gesichter, bunte Schriftzüge, Weihnachtsmänner oder einfach nur Testbilder. Immer mit dem Charme der 90er-Jahre, die der 30-Jährige nur als Kind erlebt hat.
"I would love to life in the 1980s and be working for BBC Ceefax."
Dan Farrimond wäre lieber zwanzig Jahre früher geboren, um für "Ceefax", den Teletext der BBC zu arbeiten. – Der allerdings wurde 2012 eingestellt. Jetzt erhält Farrimond die Chance, für den Teletext des Ersten Deutschen Fernsehens Kunst zu machen.
Seite 100: Startseite des ARD-Teletext-Angebots am 30. August 2016, später Vormittag.
Seite 100: Startseite des ARD-Teletext-Angebots - Screenshot vom 30. August 2016© ARD-Text

Teletext - wie alles begann
Der Teletext macht sich eine Lücke bei der Ausstrahlung des Fernsehsignals zunutze. Ein normales Fernsehbild verfügt über 625 Bildzeilen. Zur Übertragung der Bildinhalte sind aber nur 576 Zeilen erforderlich. Anfang der 70er Jahre kam ein Fernsehtechniker der BBC auf die Idee, diese "Austastlücke" zur Übertragung von Textinformationen zu nutzen.

Altbewährte Technologie mit hohen Zugriffszahlen

"I often call the ARD-Text the 'last bastion' of the Teletext."
Für Dan ist der ARD-Text die letzte Bastion des Teletextes. Ein Bollwerk, eine Festung der alten Technologie? Frauke Langguth leitet die Text-Redaktion, die beim Rundfunk Berlin-Brandenburg in Potsdam angesiedelt ist. In den vergangenen Jahren hat sie auch das "Teletext Art Festival" mitveranstaltet. In diesem Jahr lädt sie Dan Farrimond ein, in ihre Festung zu ziehen:
"Wir haben ja schon seit einigen Jahren so ein Verhältnis zur Kunst entwickelt und da kam uns die Idee, es gibt ja so 'Artist-in-Residence'-Programme. Also Künstler, die irgendwo leben. In einem Turm oder einem bestimmten Haus, und wir haben gedacht, ja, bei uns könnte ja mal ein Künstler oder eine Künstlerin im Teletext leben."
"Every day of the month I am going to produce at least one new piece of Teletext art."
Jeden Tag im Monat werde er ein neues Kunstwerk produzieren, das auf die Artikel im ARD-Text reagiert. Das können Nachrichten sein, besondere Geburtstage, Sportergebnisse oder eben etwas völlig anderes. Aber ebenso wenig, wie man die News voraussagen kann:
"Wer weiß, welche Teletext-Kunst ich machen werde? Bei meiner Arbeit habe ich festgestellt, wenn man Themen klug herunterbricht und viele Metaphern verwendet, kann man alles im Teletext darstellen."
Die "Hybrid Broadcast Broadband TV"-Technologie ermöglicht es, Teletext-Angebote attraktiver zu gestalten.
Der Teletext des rbb im Breitband-Standard HbbTV - Screenshot vom 30. August 2016© rbb-Teletext

Teletext im deutschen Fernsehen
Die ARD griff die Innovation der BBC schon sehr früh auf. Bereits 1979 wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um die Umsetzbarkeit im deutschen Fernsehen zu prüfen. Der Testbetrieb begann am 1. Juni 1980, der Regelbetrieb zehn Jahre später. Heute verfügen fast alle Fernsehangebote in Deutschland über Teletext-Seiten. Dabei ermöglicht das digitale Fernsehen nicht nur neue Gestaltungsmöglichkeiten, sondern auch die Verknüpfung mit Rundfunk- und Webinhalten.

Ein Museum, das rund um die Uhr geöffnet hat

Teletext-Angebote in Deutschland, sagt Redaktionsleiterin Frauke Langguth, würden in Deutschland zehn- bis zwölf Millionen Mal täglich aufgerufen. Allein der ARD-Text komme auf vier Millionen Mal. Nicht mit eingerechnet seien die App- und Online-Aufrufe. Anders als in Großbritannien, steht das Medium hierzulande also eher nicht davor ins Fernsehmuseum zu kommen - sondern wird lieber selbst zum Museum.
"Es gibt nicht so viele Räume im Fernsehen für Kunst, auch nicht so viele Sendeplätze. Wenn wir so was machen, dann ist das ja ein Museum, das rund um die Uhr auf hat. Was jeder besuchen kann. Das fasziniert mich auch, dass das mit diesem Medium so möglich ist."
Die britischen Kunstgalerien haben ihrerseits den alten Teletext für sich entdeckt. Dan Farrimonds Werke leben von der Nostalgie in der britischen Kunstszene – irgendwo zwischen Walkman, Converse-Schuhen und Jeansjacken.
"The art galleries are very interested in the concept of Teletext Art. I guess they are all hopeless nostalgic like me.”

Die Teletext-Kunstwerke von Dan Farrimond finden Sie noch bis zum 30. September täglich im ARD-Teletext ab Seite 860.
Mehr Teletext-Kunst gibt es auf der Website von Dan Farrimond.

(dm)
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