Kunst aus Ostasien

Verbotene Bilder

Das National Palace Museum in Taipeh, Taiwan
In Taiwan selbst dürfen einige der Bilder nicht gezeigt werden. © picture alliance / dpa / David Chang
Von Jochen Stöckmann · 19.04.2015
Die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst in Berlin macht Kontrolle und Zensur in den Demokratien Ostasiens augenfällig in einer Schau mit Bildern aus Korea, Taiwan oder Japan. Dort dürfen diese nicht ausgestellt werden.
Für deutsche Betrachter dürfte so etwas wie der Schwarze Block durchs Wandgemälde des koreanischen Künstlers Sung-dam Hong marschieren: dunkel gekleidete, vermummte Gestalten, die an das Demo-Ritual der Autonomen zum 1. Mai erinnern. Zwei Figuren allerdings ragen aus der Masse heraus, zwei Riesen, die gemeinsam ein ganzes Schiff schultern: die vor einem Jahr gekenterte Fähre „Sewol“. So, als könnten sie in übermenschlicher Anstrengung wiedergutmachen, was die südkoreanische Regierung an Rettungsmaßnahmen unterließ. Einer dieser humanitären Helfer trägt ein Gewehr – und das machte dieses Bild zum Skandal. Sung-dam Hong, der bewaffnet auf der Seite der Studenten kämpfte, erinnert damit an das Massaker von Gwangju, mit dem die Militärregierung 1980 die Opposition mundtot machen wollte:
"Wir haben nichts mitbekommen. Alle Nachrichten haben gar nicht berichtet. Deswegen ist Kunst eine wichtige Sprache, in der man über die sensiblen Themen sprechen kann. So eine Methode, um es sehr kritisch zu betrachten und sich Gedanken zu machen, was da tatsächlich gelaufen ist. Ich sage immer: Kunst ist da der letzte Freiraum."
Diesen Freiraum, den Kurator Jae-Hyun Yoo beschwört, wollte auch Sunmu nutzen, ein aus Nordkorea geflohener Maler. Ausgebildet in der Tradition des sozialistischen Realismus, spezialisiert auf stalinistische Herrscherporträts, etwa von Kim Il-Sung, hatte er solch ein Öl-Konterfei zu einem Diptychon kombiniert: Der Diktator schwebt gütig lächelnd über dem akkurat gemalten Stillleben einer nach ihm benannten Orchidee "Sonne von Chosun":
"Das ist sehr wichtig und im dortigen Kontext ein Symbol, wie ein Gott dargestellt. Der Titel ist auch wichtig: 'Die Sonne', das ist wie in Südkorea, dort spricht man genauso - und das ist eine Demokratie, wir leben 2015!"
Nicht vor Zensur bewahrt
Vor der Zensur hat das Sunmus Kunst keineswegs bewahrt: Die Spedition verweigerte den Transport, in Berlin müssen Fotografien oder Computeranimationen die Gemälde ersetzen. Oder mühsam rekonstruierte Wandbilder wie bei Sung-Dam Hong. Zu seiner Arbeit kehrt der südkoreanische Kurator noch einmal zurück, um die von den Behörden erzwungene Unantastbarkeit auch einer demokratischen Herrscherin zu demonstrieren. Aus der anonymen Menge ragt eine mondän gekleidete Strohpuppe mit deutlich erkennbaren Gesichtszügen heraus: Es ist die Präsidentin Südkoreas, allerdings verdeckt durch die davor befestigte Pappsilhouette eines Hahnenkopfes. Warum nur dieses Versteckspiel?
"Weil er bei der Gwangju Biennale, einer sehr wichtigen und sehr politischen Ausstellung, diese Arbeiten unbedingt zeigen wollte. Und er meinte, er schämt sich, dass er damals schon von Anfang an eine sehr reduzierte Form gewählt hatte, Selbstzensur hat er selber das genannt. Deswegen ist das hier Kunst in einer Form, wo politisch aktive Leute dabei sind und sich untereinander ausgetauscht haben. Und da war es wichtig, diese Kunstwerke auch gemeinsam wieder herzustellen."
Dabei ist eine vielschichtige Rekonstruktion entstanden, an der sich die Stufen der Zensur ablesen lassen: Erst wollte Sung-Dam HONG das Gesicht der Präsidentin weiß übermalen – um den Biennale-Kuratoren Ärger zu ersparen. Dann aber fand man die Lösung mit dem Hahnenkopf – in Südkorea ein Symbol der Dummheit. Im fernen Berlin wird die Staatschefin nun als Marionette dargestellt, die an den Fäden ihres Vaters Chung-hee PARK zappelt. Der hatte sich mithilfe des Militärs 1961 an die Regierung geputscht. Die Insignien seiner Macht, Ray-Ban-Sonnenbrille und Drillichmütze mit den zwei Generalssternen, kennzeichnen ihn – wenn der Betrachter das politische und zeitgeschichtliche Hintergrundwissen hat.
Eigentlich sollte Berlin als einstiges Zentrum des Kalten Krieges, wo jedem Oppositionellen entgegnet wurde "Geh doch nach drüben!", Verständnis aufbringen für dieses Blockdenken, die ideologisch aufgeladene Atmosphäre in Korea, Taiwan oder Japan. So ist das US-Militär dort immer noch sehr präsent, gilt als heimlicher Herrscher. Deshalb drapierte Katsuhisa Nakagaki für sein "Porträt einer Epoche" das japanische Banner über einem stilisierten Hügelgrab, in dessen Inneren er die US-Flagge ausbreitete. Dazu gab es Flugblätter, in denen der Besuch des Ministerpräsidenten an Gräbern von Kriegsverbrechern im Yasukuni-Schrein kritisiert wird. Aber die Arbeit, die in Tokio nicht gezeigt werden konnte – sie dürfte im Museumstrubel der westlichen Hemisphäre untergehen.
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