Kundenmotivation

Der perfekte Soundtrack zum Einkaufen

Süßwaren an der Kasse, Stuttgart 2014
Spezielle Sounds sollen zum Einkaufen animieren © picture alliance / dpa / Franziska Kraufmann
Von Christoph Sterz · 27.07.2015
Wenn wir einkaufen, läuft in zahlreichen Geschäften im Hintergrund Musik. Oft sind das sorgfältig komponierte Programme, die uns zum Kaufen animieren sollen. Angeboten werden sie von spezialisierten Einkaufssounds-Dienstleistern.
Ach, guck mal, Bier aus Peru? Ist ja schon ganz schön teuer, aber ach komm, das kaufe ich ja auch nicht jeden Tag. Das denke ich, als ich abends im Supermarkt stehe. Aber dann fühle ich mich ertappt. Weil ich merke, dass genau das passiert ist, was mir nur ein paar Stunden vorher mein Interviewpartner Nicolas Plaßmann zum Thema Einkaufsradio erzählt hat.
"Idealerweise läuft es so, dass der Endkunde sagt: Mensch, hier habe ich mich wohlgefühlt, ist aber 'ne angenehme Atmosphäre. Und ihm ist gar nicht bewusst, dass er tatsächlich die ganze Zeit Radio wirklich so wahrgenommen hat. Wir haben ja keine Hitfunktion, sondern wir haben eine Begleitfunktion."
Und dieser Begleiter, der soll mir ein gutes Gefühl geben, der soll mir dabei helfen, dass ich ganz entspannt einkaufe. Und dafür sorgen eben zum Beispiel Vertriebschef Nicolas Plaßmann und seine Kollegen von Radio P.O.S..
Radio P.O.S. ist wahrscheinlich der erfolgreichste unbekannte Radiosender Deutschlands – weil ihn Millionen Menschen täglich hören, ohne es zu wissen. Die Radiomacher aus Kiel beliefern vor allem Lebensmittelläden, zum Beispiel Edeka.
"In der vergangenen Woche hatten wir in unserem Radio-Rückwärts-Spiel nach diesem Titel gefragt. Und die richtige Lösung war Abba mit Dancing Queen. Hier ist die Radio P.O.S.-Morningshow, es ist kurz vor acht."
Leicht konsumierbare Popsongs plus Einkaufstipps
Den ganzen Tag über bietet Radio P.O.S. leicht konsumierbare Popsongs, aber auch kurze Nachrichten und Servicethemen. Und im Vordergrund stehe immer: ich. Also ich, der Endkunde, dem immer wieder mal ganz beiläufig-entspannt Einkaufstipps gegeben werden, erklärt Redaktionsleiter Torsten Stender.
"Saisonal ist Grillen jetzt ein großes Thema, so wie auch die Spargelzeit. Natürlich sprechen wir dann über Sauce Hollandaise und wie man Spargel am besten zubereitet. Und dass es den dann bei Edeka gibt, ist dann kein Geheimnis mehr."
Auch kein Geheimnis ist, dass das mit den Servicethemen nicht in jedem Laden so funktioniert. Weil es natürlich in Geschäften wie C&A wenig Sinn macht, Kochtipps zu geben – und gerade auch die Musik muss passgenau sein, meint Stefan Gill, Kreativdirektor bei Mood Media; einer internationalen Firma, die weltweit jeden Tag 180 Millionen Songs in die Geschäfte bringt.
"So, also Lebensmittelhandel wäre sowas. (Musik: Milow, Tomorrow the sun may go) Sehen Sie sich schon mit dem Einkaufswagen durch die Gänge schieben? Ein sehr beliebiges Beispiel, aber es wäre in dem Raster drin, es müsste noch definiert werden am Ende, ist das jetzt eher ein natürlich geprägter Lebensmittel-Handel, sprich Bio, wo akustische Elemente im Vordergrund stehen, ist es ein moderner, sind wir gerade in der Fast-Food-geprägten Abteilung? Dann würde ich eher diese Natürlichkeit weglassen, sondern …"
Christoph Sterz: "Also ich bin eher so Bio."
Stefan Gill: "Bio, dann treffen wir uns schon hier an der Theke."
"Die Marke positiv aufladen"
In fast 20.000 Geschäften in Deutschland ist Mood Media im Einsatz, vor allem mit Musik, aber auch mit Video – und auch wenn es natürlich darum geht, mich als Kunden möglichst lange im Geschäft zu halten, verfolgen Firmen wie Mood Media ein anderes, ganz grundsätzliches Ziel, sagt Stefan Gill:
"Wir wollen natürlich die Marke positiv aufladen. Das steht außer Frage, das steht ganz vorne. Dadurch, dass wir gute Musik spielen, dass wir die passende Musik spielen, natürlich auch Verweildauer der Kunden verlängern, deren Geschmäcker übereinbringen, aber natürlich auch die Mitarbeiter motivieren. Denn die sind natürlich auch viele, viele Stunden da. Die sollen natürlich auch nicht genervt davon sein, das heißt, das sind schon mal mindestens vier Punkte, die ganz elementar sind."
Komplett ausgeschlossen ist kein einziges Musik-Genre, meint Stefan Gill. Wobei, damit sich wirklich niemand gestört fühlt von der Musik, läuft am Ende da, wo ich meine Lebensmittel einkaufe, dann doch meistens unverfänglicher englischer Pop und keine deutschen Depri-Popper.
Stefan Gill: "Leider ist bei deutschen Texten, wo ja wirklich jeder, ich unterstelle das, wirklich sehr, sehr gut verstehen kann, den Text, immer ein Hang zur Melancholie gegeben. Das haben englischsprachige Stücke alleine durch die Sprachbarriere oft ein bisschen nett verschleiert. Texte sind umso wichtiger, wenn sie in 'ner Muttersprache dann sind."
Christoph Sterz: "Also Gisbert zu Knyphausen läuft nicht in meinem Biomarkt?"
Stefan Gill: "Ich will das nicht ausschließen. Es wäre sehr ungewöhnlich, weil man doch eher ein bisschen auf Gefälligkeit in solchen Umgebungen achtet. Das heißt, der Anspruch darf nicht zu Hause bleiben, aber man muss nicht Musikwissenschaften studiert haben, um einen Wohlgefallen an dieser Musik zu finden.
Und damit dann auch wieder am Einkaufen. Denn den besten Sound, zumindest für die Geschäftsinhaber, liefert dann am Ende ja doch …
… eine gut gefüllte Kasse.
Mehr zum Thema