kulturSchock - Satire zu Ostern

Ohne Hasen, mit Lyrik!

Eine Zuschauerin bläst in einem Stadion in eine Vuvuzela.
Stadion oder Kirche? Für Sepp Blatter ist die FIFA einflussreicher als jede Religion © picture-alliance / dpa / Stefan Puchner
Moderation: Andre Zantow · 04.04.2015
Sepp Blatter billigt seinem Weltfußballverband mehr Einfluss als jede Religion zu. Besonders zur Osterzeit zeigt sich, wie richtig er liegt. Die Kathedralen der internationalen Ligen sind voll. Was bleibt als einziges Mittel des Widerstandes? Lyrik! Hier ein dystopisches FIFA-Gedicht mit der Bitte um Weiterschreiben.
Der Sonderbotschafter der griechischen Regierung erklärt die griechische Variante des Fastens im Kulturschock zu Ostern. Außerdem wagt die Sendung eine Live-Schalte in das Gehirn von Wladimir Putin. Einschalten lohnt sich auch, weil wir eine neue Performance-Video-Künstler-Truppe aus dem Nordirak aufgetan haben. Auf den ersten Blick wirkt deren Konzept völlig geisteskrank.
Lichtblick des kulturSchocks zu Ostern ist ein dystopisches Gedicht über die FIFA. Sepp Blatter sieht seinen Weltfußballverband als einflussreicher an als jede Religion. Damit liegt er wie immer richtig. Das einzige was ihn noch von der allgemeinen Weltherrschaft abhalten kann, ist Lyrik. Mitdichten ist erwünscht!
Warum die Pegida-Anhänger selten bei der Hitparade der Wirtschaftsflüchtlinge einschalten, konnten wir leider nicht abschließend klären.

Jorgo Chatzimarkakis, ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments (FDP). 
Jorgo Chatzimarkakis© picture alliance / ZB / Karlheinz Schindler
Jorgo Chatzimarkakis ist noch bis Mai 2015 Sonderbotschafter der neuen griechischen Regierung. Hier gibt er Einblicke, wie nicht nur zur Osterzeit die Idee des Fastens und Verzichtens die gesamte griechische Gesellschaft durchdrungen haben.
Mit dem Osterfest endet jetzt die Fastenzeit. Normalerweise dauert die ja 40 Tage. Allerdings ist das nur ein Richtwert. Die Griechen zum Beispiel gönnen sich eine Fastenzeit von 4000 Tagen.
Naja: nicht ganz freiwillig. Das Land hätte wohl über seine Verhältnisse gelebt und müsse nun "heilfasten". Sagen jedenfalls einige Ökonomen. Auch einige Politiker in verschiedenen Ländern sagen das.
Sie gründeten die Troika, seit kurzem zur Brüsseler Gruppe umgetauft. Und die – sagen wir – half ihnen bei der Entscheidung: 4000 Tage fasten, umgerechnet 133 Monate, 11,11 Jahre oder eben elf Osterfeste. Aber das allein genügt der neuen griechischen Regierung noch nicht. Heilfasten war gestern.
Verzicht auf Krawatten, Verzicht auf Dienstwagen, Verzicht auf Ministerien. Verzicht auf das Zeigen von vier Fingern, wenn man die Hand zum Gruße hebt.
Hinzu kommt – so sieht es jedenfalls die Troika oder eben die Brüsseler Reise-Gruppe – Verzicht auf Reformen, Verzicht auf Kooperation und ebenso Verzicht auf guten Willen.
Und auch das griechische Volk wollte mitmischen und mal auf die alten Parteien verzichten. Aber das kam auf einmal nicht so gut an – bei den Brüssel-Boys. Unverständlich, denn der gute Wille war doch immer erkennbar:
Verzicht auf 25 Prozent des Wohlstandes. Fast 30 Prozent der Bevölkerung pfeift auf einen Arbeitsplatz und gar 57 Prozent der Jugendlichen verweigert sich mit eiserner Disziplin der Arbeit und praktiziert Job-Fasten. Drei Millionen Griechen schenken sich mittlerweile die Krankenversicherung – mein Gott auf die einfachen Dinge kann ja jeder leicht verzichten.
Fastenzeit, so sagt die Brüssel-Bande, ist eben eine Periode der Reue. Und Reue muss sein, nachdem sich die Griechen ja so der Völlerei hingegeben hatten. Ja, die Griechen hatten sich schuldig gemacht und gesündigt. Sie haben Regeln gebrochen – nach dem Vorbild der Deutschen und Franzosen. Und nun folgt das Reinwaschen bzw. "Reinfasten".
Bei Staatsbetrieben, bei Staatsbediensteten und auch bei Löhnen und Renten. Da ist noch zu viel Speck, da muss noch was runter, sagt die Brüssel-Truppe.
Die meisten Griechen wünschen sich ja, dass die wenigen ganz Dicken, die extrem Übergewichtigen jetzt auch mal dran sind. Doch die verstecken sich und ihren Oligarchenspeck sehr gut. Man sieht und erkennt sie nicht. Wie das Michelin-Männchen.
An jedem Osterfest hoffen die Griechen nun wieder, dass endlich wieder Gerechtigkeit herrscht. Dass wenigstens alle fasten müssen, auch die fetten Oligarchen. Oder, dass es wieder so ist wie früher, als man nur 40 Tage fastete. Auch diese Ostern hoffen diese Menschen – und das ist schon das fünfte Osterfest. Aber wohl vergebens. Sechs Jahre noch. Nur noch. Jedenfalls für die, die dann noch leben und sich nicht todgefastet haben.

Ein Junge haut mit einem Hammer auf ein Garagentor ein.
Zerstörungswut: Ein Junge haut mit einem Hammer auf ein Garagentor ein.© imago/Döhrn
Die Kulturberichterstattung aus dem Nordirak ist in den vergangenen Monaten fast völlig zusammengebrochen. Das ist bedauerlich. Gibt es doch immer wieder neue, durchgeknallte Typen, die um Aufmerksamkeit buhlen. Eine Video-Performance-Gruppe namens IS hat zuletzt bei ihrem Auftritt im Museum von Mossul besonders für Furore im Kulturbetrieb gesorgt. Ihre Kunst spiegelt frühkindliche Denkstrukturen und bricht sie gleichzeitig anhand moderner Bauwerkzeuge. Auf den ersten Blick ein völlig geisteskrankes Konzept. Daniel Sprenger wagt einen zweiten Blick.


Sepp Blatter billigt seinem Weltfußballverband mehr Einfluss als jede Religion zu. Besonders zur Osterzeit zeigt sich, wie richtig er liegt. Die Kathedralen der internationalen Ligen sind voll. Was bleibt als einziges Mittel des Widerstandes? Lyrik! Hier ein dystopisches FIFA-Gedicht mit der Bitte um Weiterschreiben.
Fifa-Chef Sepp Blatter beim UEFA-Kongress in Wien im März 2015
Tja, was kann ich dafür, wenn für uns alles so gut läuft, scheint sich Fifa-Chef Sepp Blatter zu denken.© picture alliance / dpa / Georg Hochmuth
FIFA, oh FIFA, wer dich noch nicht kennt,
der war auf dem Mond oder hat lange gepennt.

Du herrscht über Massen – hast Milliarden zum Prassen,
fällst ein in die Staaten, verteilst die Karten,
bestimmst über Bier, Hotels und Sponsoren.
Die nächste WM steigt auf den Komoren.
FIFA, oh FIFA, bald bist du ein Land.
"Korrupter Staat" – so wirst du genannt.

Du versorgst Funktionäre – mit ganz wenig Ehre.
Sie wollen den Scheck – und das Mittel zum Zweck,
ist Fußball – ein Spiel, für das bald Gebühren anfallen.
Erst dann darf man das Runde ins Eckige knallen.
FIFA, oh FIFA – du hast es geschafft,
ein Platz im Sicherheitsrat an der Macht.

Krieg und Frieden in deinen Händen.
Jetzt kann sich niemand mehr von dir abwenden.
Und Josef Blatter sitzt auf dem Thron.
Ein hämisches Grinsen – er wusste es immer schon.