Kulturpolitische Wende in Italien

Von Thomas Migge · 24.03.2011
Die Regierung Berslusconi hat eine wundersame Kehrtwende vollzogen - sehr zur Freude von Künstlern und Intellektuellen. Statt 149 Millionen Euro zu kürzen, erhalten Museen, Musiktheater und Kulturinstitute nun doch das volle Jahressalär - zulasten des Benzinpreises.
Riccardo Muti dirigierte in diesen Tagen Verdis "Nabucco" an der römischen Nationaloper anlässlich der Feierlichkeiten zum 150. Bestehen Italiens. Nach dem berühmten Chor "Va pensiero" und einem Minuten langen Applaus ergriff der Dirigent das Wort:

"Als Italiener tut es mir sehr weh zu sehen, was hier geschieht. Wenn ihr nun wollt, dass ich den Chor noch einmal dirigiere, dann nicht nur aus patriotischen Gründen, sondern auch um die italienische Kultur zu verteidigen, die Basis Italiens."

Muti und Dario Fo, Claudio Abbado, Umberto Eco und viele andere Künstler, Intellektuelle, Archäologen und Kunsthistoriker sind sich einig: Wenn der italienische Staat nicht mehr in die Kultur investiert, in die Instandhaltung seiner Museen und archäologischen Grabungsstätten, seiner Musiktheater und kulturellen Institutionen, dann steht das auf dem Spiel, was Italien von anderen Ländern unterscheidet, sein immenses Kulturgut. Aufgrund des radikalen Sparkurses der Regierung Berlusconi sollte es deshalb am morgigen Freitag zu einem landsweiten und totalen Theaterstreik kommen.

Der wurde aber heute in letzter Minute abgeblasen. Ein Wunder war geschehen. Finanzminister Giulio Tremonti erklärte, dass die vor allem von ihm in den letzten Monaten beschlossenen Kürzungen für die Kultur zurückgenommen werden. Restlos und ohne wenn und aber.

Ilaria Borletti Buitoni, Präsidentin des Fondo ambiente italiano FAI, der größten iprivaten Vereinigung Italiens zum Schutz der Kulturgüter:

"Die Attacke auf unsere Kulturgüter ist seit einiger Zeit ein gravierendes Problem geworden. Wenn die Regierung jetzt einlenkt, dann hat sie endlich begriffen, dass unsere Kultur nicht nur ein Verlustposten in den Bilanzen ist, sondern dass man in sie investieren muss, denn sie schafft auch Einnahmen. Hoffen wir, dass jetzt eine neue Phase der Zusammenarbeit mit der Regierung anbricht."

Um 149 Millionen Euro sollte der Etat gekürzt werden. Die fliessen nun aber doch in den staatlichen Fond für "Spettacoli", der damit in diesem Jahr die Gesamtsumme von 428 Millionen Euro aus Rom erhält. Hinzu kommen weitere 27 Millionen, die erst versprochen, aber dann Mitte März gestrichen wurden.

Vom Kurswechsel des Finanzministers profitieren klamm gewordene Opernhäuser und Musiktheater, wie zum Beispiel die Accademia di Santa Cecilia in Rom. Ohne die finanzielle Korrekturmassnahme hätte Italiens aktivste Musikinstitution mit nur 24 anstatt 31 Millionen Euro auskommen müssen. Die Direktion der Accademie hatte vor Wochen mit ihrer Schliessung gedroht, wenn die Sparbeschlüsse nicht revidiert würden. Auch das Teatro La Fenice in Venedig, das Opernhaus in Genua, das San Carlo in Neapel und andere Musiktheater können jetzt beruhigter in die nächste Zukunft schauen.

Die italienischen Kulturinstitute wie beispielsweise die Dante-Gesellschaft erhalten nun doch die ihnen zunächst versprochenen, dann aber gestrichenen sieben Millionen Euro. 80 Millionen Euro werden jetzt doch zum Erhalt archäologisch und kunsthistorisch bedeutender Monumente überwiesen. Ohne Tremontis Einsicht hätte man beispielsweise die dringend benötigten 30 Restauratoren zur Rettung der vom Einsturz bedrohten antiken Gebäude in Pompeji nicht einstellen können. Die Regierung erklärte, dass die jetzt erfolgten Etaterhöhungen längerfristig gelten sollen, also auch über 2011 hinaus. Aber angesichts der angespannten Finanzsitution in Italien sollte man diese Zusage nicht unbedingt ernst nehmen.

Der römische Musikkritiker Franco Soda vermutet, dass das Umdenken der Regierung wahrscheinlich Riccardo Muti zu verdanken sein könnte:

"Es kam vor einigen Tagen zu einem ungewöhnlichen Treffen zwischen Maestro Muti und dem Finanzminister. Dabei soll Muti geklagt haben, in der für ihn typischen diplomatischen Art, über die Kürzungen, vor allem im Bereich der Musik. Muti scheint recht überzeugend gewesen zu sein, denn Tremonti versprach Besserungen."

Tatsache ist, dass Muti mit den politisch Rechten gut Kirschen essen kann. Insidern zufolge soll er ihnen politisch nahestehen. Wie auch immer: Fakt ist, dass nach seinen Protesten während der römischen Nabucco-Aufführungen und dem Treffen zwischen ihm und dem Finanzminister das Wunder geschah.

Das Nachgeben der Regierung in puncto Finanzierung der Kulturpolitik kostet den Staat nichts, versichert das Finanzministerium. Der Benzinpreis, so die Lösung, wird um 1 bis 2 Cent pro Liter angehoben.

Bleibt die Frage, warum die Regierung Berlusconi denn nicht gleich diese Entscheidung traf, bevor sie mit ihrem harten Sparkurs die gesamte Kulturszene gegen sich aufbrachte. Aber besser eine späte als gar keine Einsicht.
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