Ukraine

Gute Künstler, böse Künstler

Die Sängerin Zemfira - auf der Liste der Ukraine steht sie unter den "Guten".
Die Sängerin Zemfira - auf der Liste der Ukraine steht sie unter den "Guten". © Imago / Itar-Tass
Von Florian Kellermann · 04.08.2015
Das ukrainische Kulturministerium erklärt ausländische Künstler entweder zu politischen Freunden oder zu Feinden der Ukraine − mit weitreichenden Folgen für die Personen auf der Schwarzen Liste.
Die russische Rocksängerin Zemfira ist bekannt dafür, dass ihr die Ukraine am Herzen liegt. Sie hat sogar ein ukrainisches Lied im Repertoire, einen Titel der Band "Okean Elzy". "Lass mich los", heißt er. Wenn Zemfira ihn heute auf die Bühne bringt, bekommt er eine ganz neue Bedeutung. Für viele Fans klingt das wie ein Aufruf an Russland, die Ukraine ihren eigenen Weg gehen zu lassen. Zemfira weiß das. Als ein Fan ihr bei einem Konzert vor kurzem eine ukrainische Flagge auf die Bühne reichte, schwenkte sie das blau-gelbe Banner und heftete es an den Mikrophonständer.
Andere russische Künstler positionieren sich umgekehrt. So der Schlagersänger Josif Kobson. Er besuchte die prorussischen Separatisten in Donezk sang gemeinsam mit deren Oberhaupt Sachartschenko. Über die ukrainische Regierung sagte er:
"Marionetten der US-Regierung haben dieses große Unheil über unsere Erde gebracht. Hier gibt es keine Separatisten. Hier gibt es nur Patrioten, die ihre Heimat verteidigen, die sich von den Machthabern in Kiew nicht erniedrigen lassen. Ich habe die Auszeichnung als verdienter Künstler der Ukraine zurückgegeben. Die heutige Ukraine ist nicht mehr diejenige, von der ich die Auszeichnung angenommen habe. Jetzt bin ich verdienter Künstler der Volksrepublik Donezk und bin stolz darauf."
So ist die Kultur längst zu einem Nebenkriegsschauplatz geworden, der die Fans spaltet. Zemfira musste einen Sturm an Entrüstung über sich ergehen lassen. Konzertveranstalter erklärten, dass sie nicht länger mit der Sängerin zusammenarbeiten würden.
In der Ukraine reagierte nun sogar das Kulturministerium. Es hat zwei Listen mit ausländischen Künstlern veröffentlicht. Eine sogenannte weiße Liste mit Musikern, Schauspielern und Schriftstellern, die in der Ukraine ausdrücklich willkommen sind. Unter ihnen natürlich Zemfira - und nicht zuletzt Arnold Schwarzenegger. Er hatte den Ukrainern im vergangenen Jahr per Videobotschaft seine Unterstützung ausgesprochen.
Wichtiger sei jedoch die sogenannte schwarze Liste, sagte der stellvertretende Kulturminister Jurij Subko:
"Wir haben dem Geheimdienst eine Liste mit 117 Künstlern übergeben. Sie stellen unserer Ansicht nach eine Gefahr für die Sicherheit der Ukraine dar. Schon jetzt sind fast 400 russische Filme und Fernsehserien verboten. Und die Liste wird ständig erweitert."
"Die Künstler in gute und böse einzuteilen, riecht doch sehr nach Sowjetunion"
Zunächst hieß es in der Ukraine, auf den Index kämen nur Filme - und zwar wegen ihres Inhalts. Verboten werden sollten diejenigen, die russische Streitkräfte verherrlichen.
Aber die nun veröffentlichte schwarze Liste hat viel weiter gehende Folgen. Die Künstler dürfen nicht mehr in der Ukraine auftreten. Und das Fernsehen darf keine Filme mehr zeigen, an denen sie beteiligt waren - gleich welchen Inhalts. Russische Kommentatoren zählen genüsslich auf, was den Ukrainern jetzt alles entgeht - darunter viele Klassiker des sowjetischen Kinos, so eine Verfilmung der "Drei Musketiere".
"Die Ukraine amputiert einen Teil ihrer eigenen Kultur", kommentierte das erste russische Fernsehen.
Prominenteste persona non grata ist Gerard Depadieu. Der französische Schauspieler mit russischem Pass ist bekannt für seine Freundschaft zum russischen Präsidenten Vladimir Putin. Zur Krise in der Ukraine erklärte er: Er liebe die Ukraine, aber für ihn sei nicht mehr als ein Teil Russlands. Das kam in Kiew gar nicht gut an.
Trotzdem befürworten längst nicht alle Ukrainer die Idee mit der schwarzen und der weißen Liste. Der Literaturkritiker Jurij Wolodarskij:
"Die Künstler in gute und böse einzuteilen, riecht doch sehr nach Sowjetunion. Da wurde das auch so gehandhabt. Außerdem wirkt die Zusammenstellung lächerlich. Was haben der britische Schauspieler Tim Roth und der Putin-Kritiker Juli Kim gemeinsam? Und drittens: Die Ukraine erweist den russischen Künstlern, die auf der weißen Liste gelandet sind, einen Bärendienst. Sie gelten nun in Russland automatisch als Landesverräter. Was soll daran gut sein?"
Tatsächlich haben sich einige russische Künstler schon beschwert, dass sie auf der weißen Liste gelandet sind. Musik kennt keine Grenzen und keine Betonwände, erklärte Jurij Schewtschuk, Musiker der Rockband DDT. Er wolle alle Menschen erreichen, Ukrainer und Russen.
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