Kulturkampf in Ungarn

Von Stephan Ozsváth · 25.02.2011
Die rechtsnationale ungarische Regierung ist gründlich wie keine vor ihr: Überall besetzt sie Schlüsselpositionen mit Getreuen. Auch in der Kultur. Das Prinzip: Wer für uns ist, wird belohnt - wer gegen uns ist, wird bestraft.
Die rechtsnationale ungarische Regierung ist gründlich wie keine vor ihr: Überall besetzt sie Schlüsselpositionen mit Getreuen. 17.000 Köpfe sollen im letzten Jahr ausgetauscht worden sein. Auch in der Kultur. Das Prinzip: Wer für uns ist, wird belohnt - wer gegen uns ist, bestraft. In der Budapester Oper fingen die Säuberungen an. Der erste, der gehen musste, war der künstlerische Leiter, Balázs Kovalik.

"In Ungarn gibt es eine neue Politik, eine neue Regierung. Und die sind ziemlich rasch und sehr aggressiv."

Es folgten: Generaldirektor Lajos Vass und Chefdirigent Adam Fischer. Auch der Chef des Nationaltheaters, Robert Alföldi, gerät unter Beschuss. Sein Vergehen: Er wollte sein Haus für einen rumänischen Kulturabend zur Verfügung stellen. Das passt nicht in die Linie der rechtsnationalen Regierung Orbán. Deren Programm: Revisionismus light. Mit Doppelpass und Kulturförderung buhlt sie um die Ungarn in den Anrainerstaaten. Marcell Jankovics, loyaler neuer Leiter der Nationalen Kulturstiftung sagt über seine Förderpolitik.

"Die Kleinen sollen viel bekommen: Amateure, Provinz, Ungarn in den Anrainerstaaten. Denn daraus entsteht die Pyramide der Kultur."

Kulturstaatsminister Géza Szöcs spricht unverhohlen von "notwendigen Säuberungen" in der Kultur. Die Methode: Kritiker werden durch Ja-Sager ersetzt, Kritikern wird Geld entzogen – wie etwa den freien Theatern. Oder sie werden beschuldigt, öffentliche Gelder veruntreut zu haben, wie die weltberühmte Philosophin Agnes Heller. Ihr schlimmstes Vergehen aus Regierungssicht: Sie mag den nationalistischen Premier Viktor Orbán nicht.

Auch der weltberühmte Pianist András Schiff wird in der Orbán-freundlichen Presse antisemitisch verunglimpft. Große Namen sind nicht tabu für die neuen ungarischen Gleichschalter. In Ungarn gilt das Gesetz des Dschungels, sagt László Húdi, er leitet den Verband der freien Theater.

"Hier versucht ein Stamm den anderen auszustechen. Das ist auch in der Kultur so, bei den Theatern. Und das schafft eine Kampf-Atmosphäre. Wenn die einen dann mal wieder abgewählt sind, dann kommt der nächste Stamm und sagt: Du hast mich rausgeschmissen, jetzt bist du dran."

Ein ungarischer Kulturkampf, so die Diagnose von Film-Regisseur Béla Tarr am Wochenende im Berliner "Tagesspiegel". Mittlerweile will er das so nicht gesagt haben, nachdem er zu Hause als "Nestbeschmutzer" beschimpft wurde. Ein antisemitischer Schmierfink namens Zsolt Bayer allerdings wird von der Regierungspartei mit einem Kulturpreis für seine Artikel belohnt. Sein einziger Verdienst: Er ist ein Orbán-Freund.
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