Kulturgeschichte des Putzens

Wischen bis es blitzt

Eine Frau bei der Hausarbeit
Hausarbeit: "Erst die profane Tätigkeit der Wiederholung ermöglicht das kreative Assoziieren..." © imago/mm images/Fickinger
Von Tabea Grzeszyk · 31.03.2015
Genderfrage, Messis und Menschen mit Putzfimmel – die Dimensionen des Putzens sind vielfältig: "Wisch und Weg" heißt das Putztagebuch der finnischen Autorin Maria Antas. Das Buch erzählt viel über die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft.
"Ihre Geschichten wecken selbst bei der modernsten Leserin den Wunsch, sich auf der Stelle eine Mangel anzuschaffen und sich in selbstbestickte Bettwäsche zu legen", heißt es auf dem Buchrücken von "Wisch und Weg". Ein "genial lustiges Buch über das Putzen", soll es sein. Geschrieben von der finnischen Literaturwissenschaftlerin Maria Antas. Hört sich fast schon zu gut an.
Maria Antas hat ein Putztagebuch geschrieben, das sich über 28 Tage erstreckt und in dem sie mal persönlich, mal wissenschaftlich und philosophisch über die unterschiedlichen Dimensionen des Putzens nachdenkt. Sie beginnt mit ihrer Kindheit: Als Tochter einer Köchin und Putzfrau wuchs Maria Antas in einer Generation auf, in der die Sauberkeit des Eigenheims als Stolz der Hausfrau galt – schließlich konnten jederzeit unangekündigte Besucher an die Tür klopfen. So war das häusliche Reinemachen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein den Frauen vorbehalten, die auf Knien schrubbend die Fußböden zum Glänzen brachten oder mit Teppichklopfern aus Weidenrohr bewaffnet den Staub vertrieben. Freitagsputz, Frühjahrsputz und das gemeinschaftliche Mangeln am Nachmittag: Die häuslichen Putzrituale zeigten den Wechsel der Wochentage an und markierten den Rhythmus der Jahreszeiten.
Das schlechte Image der täglichen Putzarbeit
Am 5. Putztag berichtet Maria Antas davon, wie das Putzen in den 1950er-Jahren medial aufgewertet wurde, als Hausfrauen in Finnland als "Finanzminister der Familie" von der Werbung umgarnt wurden, die ihre neue Produktpalette vom Staubsauger bis zur Waschmaschine an die Frau bringen wollte. Doch das schlechte Image der täglichen Putzarbeit blieb erhalten. Noch 1985 führte die Doktorarbeit einer Finnin über "Badezimmer und Putzen" zu einer medialen Hetzjagd, der Forschungsskandal jener "Putzdoktorin" wurde landesweit angeprangert: Die profane Hausarbeit schien einer akademischen Nachforschung nicht würdig.
Von der Genderfrage zur Auslagerung des Putzens in den globalisierten Dienstleistungssektor, von der Putzpädagogik in Kinderbüchern bis zur Psychologie von "Messis" und Menschen mit "Putzfimmel" – die Finnin streift eine erstaunliche Themenvielfalt, die die Berliner Künstlerin Kat Mentschik im Retro-Look stilsicher und liebevoll illustriert. Dazu wechseln sich historische und biographische Anekdoten mit wissenschaftlichen Recherchen ab. Das liest sich gut, ist aber sympathisch unsystematisch: Wer einen strengen Überblick über die "Kulturgeschichte des Putzens" erwartet, wie angekündigt, könnte enttäuscht werden.
Dabei ist genau diese Erzählweise dem Gegenstand angemessen! An ihrem 12. Putztag denkt Maria Antas darüber nach, wie die Gedanken bei den mechanischen Bewegungen des Putzens frei umherschweifen können. Erst die profane Tätigkeit der Wiederholung ermöglicht das kreative Assoziieren und das tiefsinnige Tagträumen, so die Autorin. Und deshalb hat "Wisch und Weg" trotz mancher Mängel und Unsystematik doch Lob verdient. Und während man in den "mentalen Putzmodus" verfällt, kann man das Panorama, dass diese facettenreiche Lektüre bietet, nachwirken lassen – während das Laken durch die neue Mangel läuft.

Maria Antas: "Wisch und Weg. Ein Buch über das Putzen"
Aus dem Finnlandschwedischen von Ursel Allenstein, illustriert von Kat Menschik
Insel-Verlag, Berlin 2015
171 Seiten, 18 Euro