Kulturdaten

Die Kreativität der Hacker

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Computernerds und ihr unbefangener Blick von außen auf die Kultur © picture alliance / dpa
Von Vera Linß · 07.07.2014
Im April 2014 begann der erste deutsche Kultur-Hackathon – eine Art Programmierparty zu Kulturprojekten, veranstaltet von der Deutschen Digitalen Bibliothek, der Open Knowledge Foundation und Wikimedia. Jetzt wurden die Sieger gekürt.
"Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir das erste Projekt. Es heißt Alt Berlin und zwar begrüße ich Claus Höfele, Applaus!"
Pünktlich Sonntag, 11.30 Uhr: Start des Präsentationsmarathons im Jüdischen Museum in Berlin. Sieben Minuten hatte jedes Team, um die Jury zu überzeugen - und auch mich als technischen Laien. Was konnten die Hacker aus den Daten von sechzehn Kulturinstitutionen zaubern? Projektleiterin Helene Hahn beschreibt zunächst einmal, wie die ultimative Anwendung grundsätzlich aussehen sollte.
"Whau, das ist eine sehr schwierige Frage. Ja, ich denke, eine gute Anwendung muss letztendlich den Nutzer ansprechen, muss für normale Personen nutzbar sein und verständlich sein, sodass man halt Wissen dazu gewinnt, aber auch - ja einfach Spaß an dieser Anwendung hat."
Spaß haben auf jeden Fall schon mal die siebzehn meist jugendlichen Teams, die es in die Endrunde des Kultur-Hackathons "Coding Da Vinci" geschafft haben. Zwei Themen dominieren: Tierisches, wie zum Beispiel der Cyberbeetle - ein Käferroboter, programmiert aus den Insektendaten des Museums für Naturkunde Berlin - und einer der Preisträger.
Zweites Thema:
Geschichte. Gleich vier Hacker-Teams haben sich die Liste der im Nationalsozialismus verbotenen Bücher vorgenommen. Auch ihre Umsetzungen überzeugen mich: Das Projekt "Lebendige Liste" etwa präsentiert auf Twitter in regelmäßigen Abständen eines der einst verbannten Werke.
Mehr als diese sehr professionell daher kommenden Anwendungen überraschen mich allerdings die Museumsleute. Denn diese sind geradezu aus dem Häuschen angesichts der Kreativität der Hacker. Wie Wolfgang Both vom Berliner Wirtschaftssenat, der als Privatmann die Liste der verbotenen Bücher digitalisiert und dem Hackathon zur Verfügung gestellt hat. Dass so viele darauf zugegriffen haben, hat ihn überrascht.
Wolfgang Both: "Ja, dass es viere sind, die auch in ganz unterschiedlicher Art und Weise dieses Thema angegangen sind und die Aufbereitung gemacht haben, das ist einfach ganz toll. Also das ist ein auch für mich ganz unerwartetes Potenzial, was da drin steckt. Leider hat die deutsche Literaturwissenschaft das bisher nicht aufgegriffen. Vielleicht nimmt man sich endlich mal dieses Geschichtsthemas an."
Die Begeisterung bei den Bibliothekaren und Museumsvertretern ist einhellig. Einstimmig formulieren sie ihr Lob auf den Hackathon, der es geschafft hat, zwei Welten zusammenzuführen. Dank der Computernerds und ihres unbefangenen Blicks von außen ist die Kulturvermittlung ein deutliches Stück weiter, meint auch Jörg Holetschek vom Botanischen Museum in Berlin.
Jörg Holetschek: "Ich war wirklich baff, was sich die Leute haben einfallen lassen. Ich hatte es ja vorhin schon kurz gesagt, dass man, wenn man mit den Daten immer wieder arbeitet mit der Zeit so ein bisschen betriebsblind wird und gar nicht so richtig zu schätzen weiß, was man da hat und wie man das überhaupt nutzen kann. Was ich gesehen habe, darauf würden wir in der AG wahrscheinlich nie kommen."
Museen und Hacker passen erst mal nicht zusammen
Und eigentlich, so wird mir beim Nachfragen deutlich, passen Museen und Hacker erst mal gar nicht zusammen. Das bestätigt auch Jörg Holetschek:
"Der Teufel steckt dann doch im Detail und interessanterweise ist dann wirklich im Zuge dieses DaVinci-Hackathons gab´s ne Diskussion im Botanischen Museum und wir mussten ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten. Aber es ist uns im Nachhinein sogar noch gelungen, ne weitere Freigabe von Bildern im Internet zu erreichen. Das hat sozusagen auf das Museum eine Wirkung gehabt. - Welche Zweifel standen denn da im Raum? - Das sind eher so Vorbehalte, dass jemand hingehen könnte und: zum Beispiel im Botanischen Museum handelt´s sich zur Zeit um 170.000 mit hochwertigen Scannern erstellte Bilder und dass jemand sich die auf eine Sammlung vereiniget und dass dann verkauft zum Beispiel."
Die meisten Gewinner erhielten übrigens Reisen zu Kultureinrichtungen in Europa - quasi um die Brücke wieder zurückzuschlagen. Nur bei einem Preis wurde es dann doch noch fachchinesisch - zumindest für den Nicht-Informatiker wie mich. Der Gewinn: Software-Platten auf Open Source Basis. Projektleiterin Helene Hahn:
"Ardoinos nennt man das. Ein Projekt wurde ja mittels dieses Adroinos aufgebaut, das war der Cyberbeetle. - Wie buchstabiert man die? - Adroinos? Letztendlich genauso, wie man's hört. A-R-D-U-I-N-O-S. - Glauben Sie, dass die Projekte eine breiten Masse zukommen werden? Alos die Projekte sind schon sehr weit entwickelt . Das war auch unser Ziel, dass man das als nachhaltige Veranstaltung sowohl für die Kulturinstitutionen als auch für die Entwickler aufsetzt."
Und auf deren Hartnäckigkeit kommt es jetzt vor allem an. Thomas Fett, der für seine mobile Website "EthnoBand" auch einen Preis erhalten hat, will jedenfalls nachhaken. Seine Anwendung ermöglicht es, Instrumente, die im Ethnologischen Museum ausgestellt sind, auf dem Computer nachzuspielen - zumindest perspektivisch.
Thomas Fett: "Nee, bisher noch nicht, aber das wäre gar kein großer Schritt. Ich werd mal mit den Leuten vom Museum noch sprechen und da werden wir schauen, ob wir das wirklich installieren. Aber es spricht eigentlich nichts dagegen."
Hier eine Zusammenfassung der Präsentation & Preisverleihung Deutschen Digitalen Bibliothek auf Storify:
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