Kultur in der Mittagspause

Von Wulf-Peter Gallasch · 28.06.2006
In Zürich haben Olivia Bosshart und Gabrielle Rütschi eine "Denktankstelle" eröffnet und bieten Mittags-Treibstoff aus Literatur und Philosophie, bildender Kunst und Musik. Im Angebot der "Denktankstelle" sind Themen wie "Krieg der Kulturen", "Vom Gebrauch der Lust", "Die Macht der Eleganz" bis zu der Frage, ob wir nicht alle käuflich sind oder Monogamie der Seele schadet.
Mittwoch, 12 Uhr Mittag, Denktankstelle im Rencontre Culturel. Früher war hier mal ein Weinladen. Ein altes Ständehaus im Zentrum Zürichs. Rencontre Culturel, das sind Olivia Bosshart und Gabrielle Rütschi. Ihr Motto:

Gabrielle Rütschi: "Auch das Nachdenken muss Unterhaltungswert haben."

Knapp 20 Besucher hat die Denktankstelle diesmal. Viel mehr Klappstühle fasst der Vortragsraum im hinteren Teil des Ladens auch nicht. Weniger ist bei der Denktankstelle mehr. Im kleinen Kreis kommt man schneller ins Gespräch. Und Austausch ist für Olivia Bosshart ein Ziel der Denktankstelle.

Olivia Bosshart: "Sich auszutauschen einerseits, zu formulieren, Dinge von sich preiszugeben, von anderen zu hören, aber gleichzeitig auch Input zu bekommen."

Den geistigen Input liefert heute Marcus Marthaler, Life Balance Experte, Buchautor, Psychologe und Organisationsberater, "Seeleninfarkt als Zeitgeistphänomen" ist sein Vortragsthema und Gesprächsstoff für die anschließende Diskussion. Geistige Nahrung für das bunt gemischte Publikum: Junge Banker, Freiberufler, Pensionäre, Studenten, Kulturschaffende, Konzertagent der eine, Lyriker ein anderer.

Umgerechnet 30 Euro ist allen Gästen die Kultur am Mittag wert. Das vertreibt, so scheint es, Berührungsängste. Man plaudert, angeregt und aus dem Stand. Alle haben offensichtlich Appetit auf Sandwiches und Getränke vom Buffet, auf Konversation und Vortrag, Appetit auf etwas anderes.

"Es liefert Denkanstöße. Es kann in der Kürze der Zeit natürlich keine vollständigen Antworten liefern, aber es gibt doch Anregungen, sich Sachen neu zu überlegen, oder sich eben in bestimmte Themen weiter zu vertiefen."
Seit vergangenem Oktober stellen Gabrielle Rütschi und Olivia Bosshart ein Programm auf die Beine, das aus Debatings, Soirées, Ausstellungen und der Denktankstelle besteht. Jetzt stehen die beiden Salondamen vor der Publikumsrunde und stellen ihren Gast vor.

Gabrielle Rütschi: "Was uns immer wichtig ist, wie wir es einführen. Dass wir einfach für die Leichtigkeit auch mit anspruchsvollen Themen sorgen. Das ist unser Ziel."

Wenn dabei verschiedene Meinungen und Widersprüche zutage treten, tanken Geist und Seele Energie. So jedenfalls haben Gabrielle Rütschi und Olivia Bosshart es erlebt, als sie vor gut einem Jahr auf einem Workshop für Anlegerinnen in Kontakt gekommen sind.

Gabrielle Rütschi: "Uns ist aufgefallen, dass wir zwei total verschiedene Ansätze haben, Probleme zu sehen. Wir haben sehr oft Widersprüche und das finde ich das Interessante."

Olivia, sagt Gabrielle Rütschi, vertritt die rationale Ebene, sie selbst die seelische. Gabrielle Rütschi, Lächeln im Gesicht, schulterlange, dunkelblonde Haare, ist Psychotherapeutin von Beruf und coacht Unternehmen. Nach dem Abi lernt sie Krankengymnastik, behandelt Kinder, nimmt später das Psychologiestudium auf, Nach dem Tod ihres Mannes kümmert sie sich um die beiden Kinder. Ihre Eltern haben ihr klare Werte vermittelt, Neugier und den Faible für Kultur.

Gabrielle Rütschi: "Kultur ist für mich ein Neugierdeträger."

Lange schon liest die Psychologin mit Neugier literarische Schilderungen der Salonkultur. Begeisterung für Salons, Philosophie und Literatur teilt sie mit Olivia Bosshart, der Frau rationale Ebene. Anfang 40, zierlich, schwarzhaarig, energiegeladen. Olivia Bosshart studiert Literatur aus Leidenschaft und zur Freude ihrer musik- und literaturbegeisterten Eltern. Hat dann aber, wie sie es nennt, einen plumpen Verdacht.

Olivia Bosshart: "Dass mich das nicht ernähren würde. Und so kam ich zur Wirtschaft und an die Hochschule Sankt Gallen und zu allen Folgeerscheinungen, die das so mit sich bringt."

Sie macht ihren Doktor, arbeitet ein paar Jahre in der Unternehmensberatung, danach als Investmentbankerin in Zürich. Der Traum von etwas Künstlerischem, etwas Kulturellem lässt sie aber nicht los.

Olivia Bosshart: "Das hat sich nur einmal direkt manifestiert. Nach der Diss habe ich vier Monate direkt im Opernhaus eine Hospitanz machen können. Und dem habe ich hinterhergeheult."

Schließlich nimmt sie eine Auszeit vom Beruf. Während des Sabbaticals hält sie Vorträge, unter anderem für Anlegerinnen und arbeitet in einer Galerie, ein idealer Ort für einen geplanten Französischen Salon. Aber die Galerie schließt und mit ihr zunächst das Salonprojekt.

Olivia Bosshart: "Und dann trafen wir uns und stellten fest, dass wir dieselbe Idee hatten und zeitlich traf sich das gerade und dann haben wir gesagt, dann machen wir das doch zusammen und zwar hier und so kam das Rencontre Culturel eigentlich zum Leben."

Wenn sie das Rencontre Culturel "Frühwarnsystem für philosophischen Wandel" bezeichnet, muss Olivia Bosshart zwar schmunzeln. Aber dann zeigt sie die lange Liste der geplanten Denktankstellen. Es wird um Liebe, Ethik, Geld, Macht und Ästhetik, gehen. Philosophischen Wandel, Stoff für mittägliches Nachdenken mit Unterhaltungswert sehen Gabrielle Rütschie und Olivia Bosshart reichlich.