Kultur-Abriss in Rom

Ein Kongresszentrums statt eines Museums

Blick auf den Palazzo dei Congressi in Rom
Blick auf das 1942 neu geschaffene Stadtviertel Esposizione Universale di Roma, kurz EUR © dpa / picture alliance / LAPRESSE
Von Thomas Migge · 19.05.2015
Esposizione Universale Roma, kurz EUR, so heißt ein Stadtviertel in Rom mit Monumentalbauten aus den 1930er und 1940er-Jahren. Sie beherbergen Museen mit seltenen Sammlungen. Jetzt drohen die Schließung und der Verkauf, um mit den Einnahmen die Fertigstellung einer neuen Kongresshalle zu finanzieren.
"Die Stadt Rom hat dieses Projekt unterstützt, der Architekt hat seine Arbeit getan, aber es ist die EUR Spa, die öffentliche Aktiengesellschaft, die das Stadtviertel EUR - Esposizione Universale Roma - verwaltet, die die Verantwortung dafür trägt, das hier alles fertig wird. Aber sämtliche Zusagen werden nicht eingehalten!"
Bei seinem jüngsten Besuch auf der Dauerbaustelle des zukünftigen Kongresszentrums von Stararchitekt Massimiliano Fuksas nimmt Daniele Frongia kein Blatt vor den Mund. Frongia ist städtischer Finanzkommissar. Dass die öffentliche EUR-Gesellschaft – 1936 vom faschistischen Staat gegründet, um das neue Stadtviertel EUR zu errichten – jetzt Finanzmittel bei der Stadt Rom einfordert, findet er schlichtweg skandalös: "Es kam zu verschiedenen Veränderungen des Projekts, die die Kosten radikal in die Höhe getrieben haben. Fuksas gibt der EUR-Spa die Schuld und die dem Architekten. Fakt ist, dass Fuskas tatsächlich nach Beginn der Bauarbeiten kostspielige Projektvarianten durchgesetzt hat"
Esposizione Universale Roma - die Weltausstellung Rom sollte eigentlich hier stattfinden
Und so wird das Kongresszentrum - das wegen seiner eigenwillig futuristischen Form "La Nuvola", die Wolke, genannt wird – mit 400 Millionen Euro fast doppelt so teuer wie veranschlagt. Geld, das die Gesellschaft EUR Spa nicht bereit ist auszugeben. Deshalb will sie jetzt einige lukrative Immobilien verkaufen, um die Fertigstellung der "Nuvola", ganz aus Stahl und Glas, zu garantieren. Ausgerechnet die gigantischen und architekturgeschichtlich so bedeutenden Bauwerke im Stil des so genannten italienischen Rationalismus der 1940er Jahre, in denen drei Museen untergebracht sind. Bauwerke, die, anders als bei dem von Hitler favorisierten brutalen und rhetorischen Neoklassizismus, bewusst schmucklos sind und nicht selten an Entwürfe des deutschen Bauhaus erinnern: Säulen und Bögen, Rechtecke und Quadrate und sonst nichts. Das Viertel EUR, das Mussolini ex novo zur Weltausstellung 1942 errichten lassen wollte, die aber wegen des zweiten Weltkriegs ausfiel, wurde nach 1945 fertig gestellt. Es gilt wegen der lockeren Mischung von Monumentalbauten und großräumigen Grünflächen bis heute als wegweisend für die italienische Stadtbaugeschichte.
EUR, Viale Lincoln 3, Hinter der strengen Fassade hat das Staatliche Museum des frühen Mittelalters seinen prächtigen Sitz. An der Fassade weht seit Wochen ein riesiges Plakat. Darauf ist zu lesen: "Hände weg von unserem Museum und Hände weg von unseren Arbeitsplätzen!". Alle paar Tage kommt es zu Kundgebungen gegen die mögliche Schließung dieses und zweier anderer Museen: das für Völkerkunde, mit der wichtigsten frühgeschichtlich-ethnologischen Sammlung Italiens, und das für italienische Volkskunde, mit mehr als 200.000 Ausstellungsstücken aus zehn Jahrhunderten Landesgeschichte.
Natale Di Cola vom Gewerkschaftsverbund CGIL, der jede Woche Protestveranstaltungen gegen den Museumsverkauf organisiert erklärt: "Wir haben bis heute keine Informationen darüber, was mit den zahlreichen Angestellten dieser Kultureinrichtungen geschehen soll. Unklar ist aber auch, was mit den Kulturgütern dieser Museen geschehen soll."
Wertvollen Sammlungen droht das Verschwinden in Kisten
Der Verkauf der Museumsgebäude - als Interessenten präsentierten sich bereits Versicherungsgesellschaften - würde bedeuten, dass die umfangreichen Sammlungen in Kisten verpackt bis auf weiteres in Magazinen verschwinden würden.
Für den Verkauf und für die "Wolke" von Fuksas spricht sich hingegen Andrea Santoro aus, Stadtteilbürgermeister von EUR: "Rom muss in den Kongresstourismus investieren. Das ist eine große Möglichkeit für uns. Der Oberbürgermeister ist hier gefragt, um eine Lösung zu finden."
Doch vom Kapitolshügel, wo Roms Oberbürgermeister in einem Palast von Michelangelo residiert, kommt nur eisiges Schweigen.
Eine definitive Lösung des Problems könnte von Finanzminister Pier Carlo Padoan kommen. Sein Ministerium, das die Mehrheit der Aktien der EUR-Gesellschaft hält, könnte ohne große Probleme die 130 Millionen Euro zur Fertigstellung des neuen Kongresszentrums locker machen – und so die drohende Schließung der beiden Museen verhindern. Doch auch der Minister schweigt. Und das seit Wochen.
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