Künstlerin fordert Unterstützung für iranische Zivilgesellschaft

Parastou Forouhar im Gespräch mit Andreas Müller · 30.11.2011
Die Künstlerin Parastou Forouhar hat an die internationale Gemeinschaft appelliert, die iranische Zivilgesellschaft stärker zu unterstützen. Angesichts willkürlich verhängter Strafen des Regimes fühlten sich viele Aktivisten einem undurchschaubaren System ausgeliefert.
Andreas Müller: Seitdem ihre Eltern im November 1998 in Teheran brutal ermordet wurden, reist die in Deutschland lebende iranische Künstlerin Parastou Forouhar zu jedem Todestag in die alte Heimat um ihrer Verstorbenen zu Gedenken.

Die waren einst bekannte Oppositionelle in der islamischen Republik und viele Spuren weisen daraufhin, dass Parastou Forouhars Eltern vom Geheimdienst getötet wurden. Die Gedenkfeier für die Ermordeten ist auch ein Signal an die Herrschenden, dass sie nicht in Ruhe gelassen werden, mit ihrer Tat nicht davon kommen sollen. Am vergangenen Wochenende ist Parastou Forouhar aus dem Iran zurückgekehrt - guten Tag!

Jahrelang konnten Sie relativ unbehelligt im Haus Ihrer Eltern die Gedenkfeier abhalten, vor zwei Jahren aber wurden Sie zum ersten Mal bedroht und von Sicherheitskräften festgesetzt, man drohte, Ihre Ausreise zu verhindern – was haben Sie diesmal erlebt?

Parastou Forouhar: So ein Gedenktag hat schon vor einigen Jahren angefangen, es wurde immer mehr verschärft. Diesmal war es auch so, dass ... Direkt bei der Einreise habe ich eine Vorladung erhalten am Flughafen, um bei dem Informationsministerium vorstellig zu werden. Bei diesem Termin hat man mir gesagt, dass das Andenken an meine Eltern in jeglicher Form verboten ist und Konsequenzen nach sich ziehen würde.

Besonders unter Druck gesetzt wurden die politischen Freunde und Weggefährten meiner Eltern diesmal, die sogar Tage vor dem Gedenktag ein Verbot hatten, überhaupt das Haus zu besuchen. Man hat versucht, das Haus und diesen Tag in so eine isolierte Situation zu versetzen. Was aber für mich sehr erfreulich war, war, dass ... Die mediale Präsenz, besonders im Internet oder auch oppositionelle Sender, war sehr groß diesmal, und Gedenken hat vielleicht in virtuellem Raum stattgefunden vielmehr.

Müller: Kommt das dann aus dem Iran, oder sind das Stimmen, die im Ausland dann sich befinden?

Forouhar: Na ja, Internet ist ein Forum, wo Iraner im Iran aber auch außerhalb, sich beide dort befinden. Aber die Sender kommen aus außerhalb, ja.

Müller: Sie fordern seit vielen Jahren eine, wie Sie sagen, würdige Beerdigung Ihrer Eltern, das heißt, eine endgültige Aufklärung und Aufarbeitung des Verbrechens. Wie weit sind Sie davon noch entfernt?

Forouhar: Im Moment sehr weit entfernt. Eine richtige Aufklärung braucht einen politischen Willen. Aber was für mich und viele andere Hinterbliebene oder auch diejenigen, die sich zur Opposition zählen, wichtig ist: dass man die Erinnerung an die Opfer, aber auch an so ein Verbrechen wach hält und immer wieder darauf beharrt, dass es sich hier um einen unvollendeten Aufklärungsprozess handelt, der unbedingt zu Ende gebracht werden muss.

Müller: Diese Gedenkfeier für ihre Eltern ist ja auch ein Ritual, es ist ein ganz kurzer Moment des Widerstandes. Kann ein solcher Widerstand diese Diktatur im Iran wenigstens für einen Moment irritieren, aus den Angeln heben, oder bedarf es absolut radikaler Schritte, wie sie der evangelische Pastor Yusef Nadarkhani vormacht? Der gilt den Mächtigen als Ketzer und will nicht abschwören seinem Glauben, und wurde dafür zum Tode verurteilt.

Forouhar: Ich denke, das ... sind beide wichtig. So, wie es meine Eltern und viele Opfer der politischen Unterdrückung im Iran gemacht haben: Es braucht mutige Menschen, die an ihren Meinungen festhalten und immer wieder laut das aussprechen. Es braucht aber auch einen großen Widerstand in der Bevölkerung, der dafür steht, dass man das Recht auf anderes Denken im Iran aufbewahrt. Ich glaube, dass nur, wenn diese Mischung vorhanden ist, dann kann auch die Opposition auf eine bessere Zukunft hoffen.

Müller: Vor zwei Jahren gab es ja nach den Wahlen im Iran eine Protestbewegung, an die große Hoffnungen geknüpft waren, die Grüne Revolution, ja, sie scheiterte. Also wir haben gestern Berichte gehört, Bilder gesehen von Protestierenden, die aber die britische Botschaft in Teheran gestürmt haben, ein entsetzlicher Vorgang. Und das sind die Bilder, die wir momentan da sehen aus dem Iran. Was ist aus dieser Grünen Revolution geworden?

Forouhar: Die Grüne Revolution oder auch diese große Welle, die auf Selbstbestimmung gezielt hatte, ist zurückgedrängt worden. Mit einem massiven Einsatz der brutalen Gewalt hat das Regime wieder mal die Oberhand gewonnen und vor allem mit Angst und Schrecken, hat eine Kulisse aufgebaut, die jeden Aktivisten innerlich erschrocken ... sich zurückgezogen hat. Viele sitzen im Gefängnis, viele sind aus dem Lande vertrieben, und die anderen sind so in einer, vielleicht Haltung der Resignation.

Aber die Unzufriedenheit, die große Unzufriedenheit ist immer noch vorhanden. Wenn man auf den Straßen Teherans läuft, schimpfen viele Leute über das Regime. Das ist weiterhin die Realität. Aber so eine Unzufriedenheit braucht eine Struktur, eine tragende Struktur, um in eine oppositionelle Bewegung hineingeführt werden zu können. Das verhindert das Regime mit aller Kraft.

Müller: Wie blicken denn die Iraner auf den Arabischen Frühling? Also in einigen Ländern dort hatte man ja auch das Gefühl, diese Regimes sind für alle Zeiten fest betoniert, und dann sind sie innerhalb weniger Monate zerbrochen. Wie nehmen die Iraner das wahr und welche Hoffnungen haben die vielleicht an solch eine Bewegung?

Forouhar: Mit Bewunderung, immer wieder auch mit einem gewissen ... vielleicht Selbstkritik, immer wieder, dass man sagt: Wir waren nicht radikal genug, wir haben zu schnell nachgegeben. Aber man muss auch denken: Viele von diesen Bewegungen in den arabischen Ländern sind auf die Straße gegangen, um die Diktatur zu stürzen. Damals 2009 haben die Iraner versucht, eigentlich nur ... nicht, das Regime zu stürzen, sondern einfach ihre Stimme zurückzubekommen. Das war eine andere Zielsetzung, die auch vielleicht in seiner Kapazität im Sande verlaufen ist.

Müller: Im Deutschlandradio Kultur spreche ich mit Parastou Forouhar, die in Deutschland lebende Künstlerin ist soeben von einer Reise in ihre alte Heimat Iran zurückgekehrt. Sie haben eben die brutale Gewalt erwähnt, die gegen Oppositionelle angewandt wird. Mehr als 500 Menschen sind in diesem Jahr bereits im Iran hingerichtet worden. Ein großes Problem ist sicherlich die Willkür der Autoritäten.

Es werden hohe Haftstrafen angedroht wie zum Beispiel im Fall des Filmemachers Jafar Panahi, dann aber mildere verhängt, wie bei dem Filmemacher Mohammad Rasulof, der heute in Berlin erwartet wird bei der Veranstaltung "Around the World in 14 Films". Also der darf offenbar jetzt wieder ausreisen. Ja, umgekehrt werden Menschen einfach hingerichtet oder sind zum Tode verurteilt worden wie der bereits erwähnte Pastor Nadarkhani. Was stellt diese Willkür mit der Psyche der Iraner an?

Forouhar: Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Ich habe das selbst erlebt, diesen Psychoterror, dass man immer wieder sich komplett ausgeliefert fühlt, einem System gegenüber, das nicht durchschaubar ist, das wirklich auch sehr gut diese Willkür einsetzt, um die Menschen zu isolieren. Das ist sehr schwer auszuhalten. Und vor allem das Gefühl des Isoliertseins, mit dem eigenen Schicksal irgendwie alleine gelassen zu sein, das ist sehr bitter und lastet auch auf der Seele der Einzelaktivisten, aber man spürt es auch auf der Straße, wenn man irgendwie in Teheran rumläuft.

In so einer Situation denke ich braucht die iranische Gesellschaft Unterstützung, und zwar genaueres Hinschauen, dass man die Zivilgesellschaft im Iran nicht alleine lässt in dieser bitteren Situation.

Müller: Sie haben kürzlich ein Buch vorgelegt mit Berichten Ihrer Reisen in den Iran, es trägt den Titel "Das Land, in dem meine Eltern umgebracht wurden - Liebeserklärung an den Iran". Das klingt paradox. Wie können Sie dieses Land lieben?

Forouhar: Mir ging es auch genau um diese paradoxe Beziehung, um das zur Sprache zu bringen. Natürlich ist Iran das Land, in dem meine Eltern besonders durch ihre oppositionelle Arbeit, ihre Mühe, für Demokratie zu stehen und zu kämpfen, mich gelehrt haben, auch das Gute darin zu lieben, auch alle Erinnerungen an meine Kindheit, schöne Momente, die weiterhin beherbergt das Land, aber auch andererseits die Tragödie und die Wut und Trauer, die diese Tragödie verursacht hatte bei mir und weiterhin geschürt wird jedes Mal mit neuer Unterdrückung. Diese ambivalente Beziehung zur eigenen Heimat ist schwer auszuhalten, und ich denke, viele Iraner teilen das mit mir. Und genau das wollte ich zur Sprache bringen.

Müller: Das war die iranische Künstlerin Parastou Forouhar, die soeben wieder von einer Reise in ihre alte Heimat Iran zurückgekehrt ist. Haben Sie vielen Dank!

Forouhar: Ich danke Ihnen auch!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.