Künstler Paul McCarthy wird 70

Kobold und Welterklärer

Die Installation "Tomato Head" des amerikanischen Künstlers Paul McCarthy, gezeigt in der Ausstellung "The Luminous nterval: The D. Daskalopoulos Collection" im Guggenheim Museum im spanischen Bilbao, aufgenommen 2011.
Paul McCarthys Skulptur "Tomato Head" erzielte bei Christie’s 4,6 Millionen Dollar © picture alliance / dpa / Luis Tejido
Von Nicole Markwald  · 04.08.2015
Ein Gartenzwerg mit Dildo, eine Orgie mit Schneewittchen - lange Zeit galt der amerikanische Bildhauer, Performance- und Videokünstler Paul McCarthy als Provokateur. Inzwischen werden seine um Sexualität und Aggression kreisenden Werke für Höchstsummen gehandelt.
Nein, die Attribute, mit denen die Arbeit des amerikanischen Künstlers Paul McCarthy oftmals beschrieben werden, sind nicht wirklich schmeichelhaft: seine Kunst sei seltsam, verstörend, ja sogar eklig. Und trotzdem ist McCarthy einer der erfolgreichsten Künstler der amerikanischen Westküste. Aufgewachsen in Utah habe er sich ganz bewusst für Los Angeles als Wohn- und Schaffensort entschieden, erzählte McCarthy in einem Interview bei der Art Basel:
"Ich hätte nach Europa oder New York gehen können, aber ich wollte nach L.A. Weil es hier eine von den Medien manipulierte Fantasiewelt gibt. Und weil die Nettigkeit von Los Angeles im Grunde total verkorkst ist."
Der stetig strahlend blaue Himmel lenke von den tiefen Abgründen der Großstadt ab, so McCarthy weiter. Seit den 60er-Jahren ist er als Bildhauer, Performance- und Videokünstler tätig, die internationale Aufmerksamkeit kam erst Jahrzehnte später. Europa habe dabei eine besondere Rolle gespielt:
"Hier in den USA gab es ein paar Galerien, die meine Sachen ausstellten. Europa war weitaus offener, was meine Aufführungen anging."
85 Sattelschlepper voll Kunst
Auf den ersten Blick wirken viele seiner Werke grotesk, wie der übergroße "Santa Claus", der seit 2008 in Rotterdam steht. Eine Art putziger Gartenzwerg – bis dem Betrachter auffällt, was er in der Hand hält: Ist es ein stilisierter Baum oder doch ein dildoähnliches Objekt? Gemeinsam mit seinem ebenso bekannten Künstlerkollegen Mike Kelley veröffentlichte er 1992 das Projekt "Heidi" in Anlehnung an das bekannte Kinderbuch.
"Der Großvater, das kleine Mädchen, allein hoch oben in den Bergen – natürlich gibt es in dem Buch keinerlei Hinweis auf eine mögliche Missbrauchssituation, aber gäbe es eine solche Situation tatsächlich, wäre es durchaus vorstellbar."
Sexualität und Aggression sind Themen, die immer wieder in seinen Werken auftauchen. Und McCarthy ist sich selbst für nichts zu schade: er benutzt seinen Körper als Pinsel, robbt nackt durch Farbe und hat sich in der Vergangenheit mit Saucen eingerieben, die Amerikaner sonst auf ihre Burger schmieren. Ihm wurde vorgeworfen, dass seine Kunst harmlos sei, er ein Witzbold, der Provokateur vom Dienst. Doch aus dem ehemaligen Schmuddelkind des Kunstbetriebes ist ein Superstar geworden. Beim Verkauf seiner Skulptur "Tomato Head" kassierte Christie’s 4,6 Millionen Dollar.
Erst vor zwei Jahren schickte McCarthy seine Kunst in 85 Sattelschleppern von Los Angeles quer durchs Land in die Park Avenue Armory nach New York. Dort entstand seine bisher größte Installation "WS": ein märchenhafter Kunstwald, in dem Schneewittchen wandelte, parallel liefen auf acht Videoleinwänden Aufnahmen einer Orgie zwischen Schneewittchen, den sieben Zwergen und Walt Disney, natürlich gespielt von Paul McCarthy.
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