Künstler Páll Guðmundsson

Von der isländischen Natur verzaubert

Badende vergnügen sich in dem türkisfarbenen Wasser der Blauen Lagune bei Reykjavík, Island.
Badende vergnügen sich bei Reykjavík im Wasser: Der Künstler Páll Guðmundsson glaubt an die magischen Kräfte der Lava. © dpa / picture alliance / Horst Ossinger
Von Vanja Budde · 03.01.2015
In den Bergen Islands sucht der Künstler Páll Guðmundsson schon fast sein ganzes Leben lang nach Material. Seine Felsskulpturen stehen überall im Land - und mit seiner Steinharfe war er jüngst auf Tour. Was treibt ihn an?
Páll Guðmundsson spielt Johann Sebastian Bach - auf seiner selbst gebauten Steinharfe in der Dorfkirche von Húsafell. Das Instrument ähnelt einem drei Meter langen Xylophon aus dünnen, unterarmlangen Steinplatten. Jede erklingt in einem anderen Ton, wenn der 55-Jährige mit dem Klöppel darauf schlägt.
Sein schmaler Körper steckt in ausgebeulten Jeans und einem blau-weißen Islandpullover. Páll Guðmundsson hat ein Kindergesicht - bis auf die grauen Bartstoppeln. Seine Steinharfe sei weltweit einmalig, meint der menschenscheue Künstler überraschend selbstbewusst.
"Ich habe eine Menge Steine für meine Skulpturen benutzt. Und da viele meiner Freunde Musiker sind, kam ich eines Tages auf die Idee zu versuchen, die Steine auch zum Klingen zu bringen. Da kam dann alles zusammen."
Páll Guðmundssons Wohnhaus steht gleich neben der Kirche. Der Dorffriedhof von Húsafell, auf dem seine Vorfahren begraben sind, liegt quasi in seinem Garten. Páll Guðmundsson hat keine Angst vor den Toten. Er stammt von dem Pastor Snorri Björnsson ab, der im 18. Jahrhundert auf ganz Island dafür berühmt war, böse Geister vertreiben zu können.
"Schon als kleines Kind von Steinen fasziniert"
Lange bevor Páll Guðmundsson entdeckte, dass Steine auch Töne in sich bergen, sah er in ihnen Gesichter: Das Antlitz der isländischen Sängerin Björk, die er verehrt, oder das Profil des Schriftstellers Thor Vilhjálmsson, mit dem er befreundet war. Er befreit die Gesichter aus den Steinen, indem er diese mit Hammer und Meißel aufsprengt. Die Konturen zieht er dann mit Erdfarben nach.
"Ich war schon als kleines Kind von Steinen fasziniert. Und ich habe immer etwas in ihnen gesehen, das niemand sonst sehen konnte. Ich arbeite mit Steinen, weil sie das sind, was ich kenne. Ich fühle mich eins mit der Natur hier in Húsafell."
Der kleine Ort liegt im Westen Islands, nahe eines Vulkansystems, das den Künstler mit felsigen Schluchten und wilden Wasserfällen inspiriert.
Es sind nur einige Schritte über eine Wiese, auf der Schafe grasen, zu Páll Guðmundssons Bilderscheune. Hier stellt Páll Guðmundsson seine Bilder aus: Große Gemälde, Porträts alter Bauern und Fischer in Ölfarben. Faltige Gesichter, eindringliche Blicke, grobe Hände: Seine Nachbarn, viele von ihnen schon gestorben. Páll Guðmundsson hat keine Frau und keine Kinder. Ein Selbstporträt zeigt ihn mit Wollmütze und gesenktem Blick.
Glaube an die magischen Kräfte der Felsen
"Welche Träume ich für die Zukunft habe? Ich weiß nicht, ich bin es nicht gewohnt, solche Fragen zu beantworten. Ich will einfach weiter kreativ sein und meine Kunst machen."
Auf Island ist Páll Guðmundsson berühmt, seine großen Fels-Skulpturen stehen überall im Land. Jüngst war er mit seiner Steinharfe und der Band Sigur Rós auf Tournee im benachbarten Grönland. Mit Basalt und Granit ist er vertraut, aber ungeübt darin, über seine Gefühle und Beweggründe zu sprechen. Doch langsam taut er auf, rezitiert Verse isländischer Dichter und bläst auf seiner Flöte aus getrockneten Rhabarberstängeln.
Der Künstler glaubt – wie viele Isländer – an die magischen Kräfte der Felsen und der Lava, der mächtigen Gletscher und Wasserfälle. Sein Handwerk hat der Sohn eines Schafbauern auf der Kunstakademie in Reykjavik gelernt – und ein Jahr lang auch in Köln an der Hochschule für Angewandte Kunst studiert.
"Mein Professor Burger war sehr gut Person."
Páll Guðmundsson hat nun Spaß an dem Besuch, will alles zeigen und erklären. Gegen den Wind gestemmt steuern wir ein weiteres Refugium auf seinem Grundstück an: Einen alten Futtersilo mit spitzem Dach.
"Bildhauerei und Malerei vereint!"
Gudmundsson zieht eifrig große Papierbögen aus Schubladen: Seine Eiskristallbilder. Im Winter schlägt er vereiste Lavabrocken zurecht, bemalt sie mit schwarzer Tinte und drückt dann das angefeuchtete Papier darauf.
"Schau: Bildhauerei und Malerei – sie sind in dieser Methode vereint!"
Lava, Felsen, Stein und Eis: Páll Guðmundsson ist ein wahrhaft isländischer Künstler. Auch wenn er angeblich in seinem Leben noch keinen Tropfen Alkohol getrunken hat.
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