Künstler Otto Pankok

Menschlich bleiben in unmenschlicher Zeit

Die Aufnahme zeigt die Kohlezeichnung von Otto Pankok "Schittlacks Rosa mit Kind" von 1918 (undatiertes Handout). Die Galerie Albstadt zeigt vom 1. Juli bis zum 23. Oktober mehr als 150 Werke von Otto Pankok (1893-1966). Damit werde seine Arbeit erstmals im S
Otto-Pankok-Werke in Albstadt: Die Aufnahme zeigt die Kohlezeichnung "Schittlacks Rosa mit Kind" von 1918 © Eva Pankok
Von Carmela Thiele · 20.10.2016
Erst kurz vor dem Aufstieg Hitlers fand der Künstler Otto Pankok sein ureigenes Thema: die Sinti und Roma, die er in zahllosen Zeichnungen, Radierungen und Holzschnitten festhielt. Die Barbarei der NS-Zeit machte Pankok politisch.
Otto Pankok suchte in einer unmenschlichen Zeit das Gute im Menschen. Das machte den Maler zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Außenseiter. Pankok verließ nicht nur nach wenigen Monaten die Kunstakademie, sondern setzte sich auch entschlossen von den experimentellen Tendenzen der Moderne ab.
In seinem 1930 erschienenen Buch "Stern und Blume", das zugleich Lebensbericht und Manifest seiner Kunst war, bekannte er sich zu seinen Vorbildern. Als Kind liebte er Rembrandts düstere Landschaften, dann entdeckte er Jean-François Millets im Einklang mit der Natur lebende Bauern. Stilistisch beeinflusst hat ihn jedoch vor allem ein dritter, Vincent van Gogh:
"So erschrak ich sehr, als ich 1909 in Dordrecht eine Ausstellung von Bildern van Goghs sah. Er hatte die Bilder Millets einfach in die Sprache unserer Zeit übersetzt. Ich fragte den Portier nach der Adresse des Malers, aber da hieß es, der sei schon vor 20 Jahren gestorben. Diese drei Maler habe ich mit großer Inbrunst geliebt."

Seine Bilder zeigen die Dramen des einfachen Lebens

Als Pankok diese Zeilen schrieb, war er 37 Jahre alt. Der 1893 als Sohn eines Landarztes bei Mülheim an der Ruhr geborene Künstler schuf vom Drama des einfachen Lebens durchwirkte Kohle- und Kreidemalereien, Interieurs, die Kleiderhaken und Stuhl in ihrer stummen Materialität feierten, Porträts von zerfurchten Alten und ernst blickenden Kindern, Ansichten von Fischerdörfern, in denen die Zeit stillzustehen scheint.
Zu Beginn der 1920er-Jahre hatte er sich in der Künstlergruppe "Junges Rheinland" engagiert. Er reiste viel, nach Frankreich, Holland, Italien und Spanien. 1931 fand er das Fremde vor der Haustür. Otto Pankok:
"Ich stieß durch Zufall eigentlich auf die Zigeuner. Die hatten sich bei Düsseldorf niedergelassen vor der Hitler-Zeit, als die Arbeitslosigkeit sehr stark war in Deutschland und immer mehr wuchs. Da verarmten natürlich auch die Zigeuner-Familien bis zum Elend. Und dann haben sie ihre Räder abmontiert und haben sich da kleine Hütten von gebaut bei Düsseldorf."

"Die Passion" als Akt künstlerischen Widerstands

Pankok kam täglich zum Zeichnen ins Heinefeld, wo die Sinti und Roma lebten. Innerhalb eines Jahres entstanden Hunderte von Kohlebildern, die er 1932 in der Kunsthalle Düsseldorf ausstellte. Im Jahr darauf begann der Künstler mit seinem schließlich 60 Blätter umfassenden Zyklus "Die Passion", den er als Akt künstlerischen Widerstands begriff. Die Folge wurde 1936 bei Kiepenheuer als Buch gedruckt. Seine Tochter Eva erinnert sich:
"Das entstand auf dem Heinefeld. Und die Modelle sind die Sinti. Der Christus selber vielleicht nicht, kein Mensch, den er kannte. Da hat er aber später, soll er gesagt haben, bei dem Bild 'Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen' hätte er an seinen Kollegen Karl Schwesig gedacht. Der war einer der ersten, der im Schlegel-Keller gefoltert wurde, also schon '33, und da hat er dran gedacht, und da kam das Entsetzen in dieses Blatt."

Pankok bot jüdischen Künstlerfreund Zuflucht

Die Nationalsozialisten beschlagnahmten die Restauflage des Buchs; Pankoks Werk galt als entartet. In der NS-Zeitung "Das Schwarze Korps" erschien ein Hetzartikel zur "Passion". Nachdem seine Düsseldorfer Wohnung von einer Fliegerbombe getroffen wurde, zog sich Pankok mit seiner Familie in die Eifel zurück, schnitt seine Lieblingsmotive in Holz, zeigte aber auch Zivilcourrage, als er zwei Monate lang den Künstler Mathias Barz und dessen jüdische Frau in seinem Haus versteckte. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs erhielt Pankok eine Professur an der Kunstakademie Düsseldorf.
Auf die Wiederbewaffnung der jungen Bundesrepublik reagierte er mit der Zeichnung "Christus zerbricht das Gewehr" und 1958 beteiligte er sich an der Ausstellung "Künstler gegen den Atomkrieg". In der DDR genoss sein Werk große Anerkennung. Noch kurz vor seinem Tod hatte er ein Protest-Blatt gegen den Vietnam-Krieg geschaffen, und auch das eindringliche Porträt eines Künstler-Freundes. Das Menschliche stand für ihn über allem, bis zuletzt.
Am 20. Oktober 1966 starb Otto Pankok in Wesel am Niederrhein.