Künstler Boran Burchhardt

Warum eine Hamburger Hauswand vergoldet werden soll

Künstler Boran Burchhardt blickt am 03.11.2016 in Hamburg in die Kamera. Der Künstler möchte die Hauswand des Gebäudes hinter ihm vergolden, das Projekt sorgt im sozial schwachen Stadtteil Veddel für harsche Kritik.
Der Künstler Boran Burchhardt steht vor dem Wohnhaus im Hamburger Stadtteil Veddel, dessen Fassade er als Kunstaktion vergolden lassen will. © picture-alliance / dpa / Daniel Reinhardt
Von Axel Schröder · 06.01.2017
Das Stadtviertel Veddel ist eingeklemmt zwischen Autobahn, Bahngleisen und Hafenbecken im Hamburger Süden: Ausgerechnet hier will der Künstler Boran Burchardt die Fassade eines aus Ziegeln gemauerten Wohnriegels vergolden. Axel Schröder hat ihn getroffen.
Boran Burchhardt steht im Parka vor einem Rotklinkerbau am Veddeler Damm, die Hände tief in den Taschen vergraben, mit Kapuze, die Schultern hochgezogen. Rund 70 verschiedene Sprachen werden hier gesprochen. Eine arme, eine schmucklose Gegend, die demnächst zumindest ein wenig Glanz bekommen soll. Blattgold an der Fassade, 33,5 Karat.
"Und wo fängt die Fassade dann an, Gold zu sein? Und wo hört sie auf? Es geht nicht über die ganze Fassade von diesen beiden Häusern?"
"Nee, es geht sozusagen rechts und links von der Hausnummer 152 sind es ungefähr zwei Fenster sozusagen. Man könnte auch sagen: eine Wohneinheit. Ungefähr 300 Quadratmeter. 20 Meter hoch, 15 Meter breit. In der Fläche."
"Insgesamt kostet das Ganze dann 86.000 Euro. Das habe ich richtig im Kopf?"
"Ja, genau."

"Und das Gold allein?"
"Gold allein liegt bei ungefähr 63.000."
Boran Burchhardt ist noch bis Ende des Jahres Quartierskünstler auf der Veddel, gefördert von der städtisches Wohnungsbaugesellschaft, der auch die Ziegelbauten am Veddeler Damm gehören. Und die Projektmittel für seine goldene Wand, genau 85.621,90 Euro, hat ihm die Kunstkommission in der Hamburger Kulturbehörde bewilligt.

Gold kann jeder verstehen

Der Künstler will die Menschen im Viertel mit einbeziehen ins Kunstmachen. Und angesichts der Sprachenvielfalt auf der Veddel eine universale Verständigung ausprobieren:
"Alles, was mit Sprache zu tun hat, wird schwierig. So. Das heißt, man muss eine Sprache finden, die alle verstehen. 'Gold', glaube ich, versteht jeder. Die andere Überlegung war, dass alle Künstler, die hier vor mir waren, die haben temporäre Objekte gemacht oder Projekte und da ist nichts gegen zu sagen. Aber ich fand das ganz schön, dass man mal ein sichtbares Zeichen hinterlässt und möglichst eins, über das geredet wird."
Dieses Ziel hat Boran Burchhardt schon erreicht. "Skandal!" schreien viele in Hamburg, die Zeitungen berichten ausführlich: das Ganze sei eine große Verschwendung in einem bitterarmen Stadtteil. Das Geld wird anderswo dringender gebraucht! Für soziale Projekte zum Beispiel! Außerdem wurden die Bewohner der Häuser nicht gefragt! Und dann ist dieser Boran Burchhardt auch noch Mitglied in genau der Kommission, die ihm das viele Geld zugesprochen hat!

Vorwurf der Verschwendung

Enno Isermann, der Sprecher der Hamburger Kulturbehörde, bestätigt das zwar. Stellt aber klar:
"Wenn die selber einen Antrag am Laufen haben, dürfen die weder an der Beratung noch an der Abstimmung teilnehmen, dafür haben wir dann aber den Sachverstand in den Beratungs- und anderen Anträgen, die es gibt."
Klaus Lübke ist Fraktionsvize der SPD im Bezirk Mitte, dazu gehört auch die Veddel. Am Entscheidungsprozess der Kulturbehörde kann auch Klaus Lübke nichts Skandalöses finden. Und trotzdem lehnt er die Pläne für eine goldene Wand auf der Veddel strikt ab:
"Dieses Projekt lebt davon, dass es den Stadtteil schlecht darstellt. Nur durch den Konflikt, indem man sagt: 'Das ist das Gold im Ghetto!' Nur dadurch wird das interessant. Das ist in jeder Berichterstattung Thema. Das die Veddel ein benachteiligter Stadtteil ist. Und die Leute leben da aber gerne. Und das soll nicht stigmatisiert werden!"
Außerdem hätte Boran Burchhardt vorher mit den Leuten sprechen sollen, mit ihnen zusammen das Projekt entwickeln. Boran Burchhardt verteidigt sich - und sein Projekt. Anfangen will er mit der Vergoldung ohnehin erst März. Bis dahin sollte das Projekt eigentlich geheim bleiben. Aber dann wurde die Entscheidung der Kunstkommission an die Medien durchgestochen. Und Boran Burchhardts Ursprungsidee war seitdem nicht mehr umsetzbar:
"Ich bin einfach von mir selber ausgegangen. Wenn ich in so einem Haus wohnen würde und würde einfach jemand anfangen, ohne dass ich es weiß. Morgens sehe ich: Da kommt jemand, fängt an, unten am Haus zu vergolden. Würde ich den wegjagen oder würde ich den da lassen? Ist ja was anderes als bei Graffiti. Jeder Einfamilienhausbesitzer kann sich das überlegen: wenn ich anfangen würde, sein Haus zu vergolden, würde er sagen: 'Weitermachen'? Auf jeden Fall würde man inne halten. Man würde denjenigen nicht sofort jagen, oder? Und das war so die Frage.
Ist jetzt ein bisschen anders geworden das Projekt. Dadurch, dass es früh veröffentlicht wurde. Aber im Prinzip wird das auch nachher so sein: Wir fangen hier einfach an und dann werden Leute mitmachen, andere dazukommen, das lustig finden, sich drüber lustig machen oder: gerne mitmachen."

Lebhafte Diskussion im Viertel

Die Menschen auf der Veddel sind sich auf jeden Fall nicht einig, was von einer vergoldeten Fassade in der Nachbarschaft zu halten ist:
"Das ist pure Arroganz, eine Unverschämtheit, um es diplomatisch auszudrücken!"
"Geil. Finde ich richtig geil! Ich liebe Gold! Super. Soll er machen. Auf jeden Fall!"
"Schön! Vergoldet! - Und wer zahlt das?"
"Der Steuerzahler."
"Steuerzahler? Naja. Das wird uns abgezogen? Das ist nicht gut. Lieber nichts machen. Nicht vergolden. Wieder schmutzig machen, dass ist besser als vergoldet!"
Im März soll es losgehen. Ziegel für Ziegel wird mit hauchdünnen Gold überzogen, die Fugen bleiben frei. Zusammen mit einem Kollegen wird Boran Burchhardt dann unten anfangen und die Fassade Stück für Stück, 300 Quadratmeter vergolden. Dann wird sich zeigen, ob sich die Menschen vor Ort vielleicht doch auf die Sprache des Goldes verständigen können.
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