Kronberger Malerkolonie

Malen in freier Natur

Ein einzelner Bergrücken schaut beim Blick vom Großen Feldberg im Taunus (Hessen) aus dem Wolkenmeer heraus, das die niedriger gelegene Landschaft bedeckt.
Ein Bergrücken schaut beim Blick vom Großen Feldberg im Taunus (Hessen) aus dem Wolkenmeer heraus. © picture alliance / dpa
Von Rudolf Schmitz · 07.08.2014
Im bäuerlich geprägten Taunus wollten sie der Bevormundung durch den akademischen Kunstbetrieb entkommen. Die Künstler der 1858 gegründete Kronberger Malerkolonie probierten sich dabei in verschiedenen Malstilen. Doch auch erste Anklänge eines deutschen Impressionismus finden sich.
Die Suche nach dem Ort, wo alles begann, gestaltet sich schwierig. Denn das Gasthaus "Zum Adler", wo sich die Frankfurter Maler Anton Burger, Jakob Fürchtegott Dielmann oder Philipp Rumpf trafen - zum Diskutieren, zum Essen und Trinken -, versteckt sich grade unter einem Baugerüst.
Hier wurde sie geboren, die Kronberger Malerkolonie, die ab 1858 bestand und die sich mit dem Tod von Anton Burger im Jahr 1905 auflöste. Nicht weniger als 60 Maler gehörten dazu. Die meisten von ihnen hatten am Städelschen Kunstinstitut Frankfurt beim Landschafts- und Genre-Maler Jakob Becker studiert. Sie waren vom Taunus und vom ländlich bäuerlichen Kronberg begeistert. Hier wollten sie in der freien Natur arbeiten, um jeder Bevormundung durch den akademischen Betrieb zu entkommen. Im Gasthaus Adler zeigten sie schon einmal ihr Geschick und zauberten Landschaften und Dorfidyllen auf die Wände, wohl auch, um ihre Zeche zu begleichen.
Ingrid Ehrhardt: "Man kann manchmal gar nicht feststellen, welche Hand welches Bild gemalt hat. Es wird auch erzählt, manchmal haben sie gemeinsam an einem Wandgemälde, an einem Fresko gemalt. Und der Adler wird hoffentlich dieses Jahr neu eröffnet, und die Familie, die das betreiben wird, möchte auch die Erinnerung an die Künstlerkolonie wach halten und diese Bilder wieder zeigen."
Bilder im Stil der Niederländer des 17. Jahrhunderts
Ingrid Ehrhardt ist die Kuratorin des Museums Kronberger Malerkolonie. Es befindet sich im ersten Stock der säkularisierten Streitkirche, in der Kronberger Altstadt, nicht weit vom Gasthaus. Hier gibt es seit 2001 eine Auswahl der inzwischen 500 Werke zu sehen, die der Kronberger Museumsverein zusammengetragen hat. Anton Burger jedenfalls war der unbestrittene König dieser Künstlerkolonie. Er malte im Stil der Niederländer des 17. Jahrhunderts mit brauntoniger Palette: eine Bauernfamilie beim Mittagsmahl, Gasthausszenen, den Blick über die Taunuswiesen auf Kronberg.
Ehrhardt: "Er ist vor allem hierher gekommen, weil ihn die Landschaft sehr gereizt hat, die idyllischen Altstadtgässchen, die er ja auch in Frankfurt sehr gerne porträtiert hat. Aber hier hat er natürlich auch malerische Winkel gefunden, die es in Frankfurt in dieser Ausprägung nicht gab."
Die schönsten Motive auf Schritt und Tritt
"Ich für meine Person erachte jeden Tag als verloren, den ich nicht in Kronberg verbringen kann. Ich finde in Kronberg auf Schritt und Tritt die schönsten Motive, sodass ich oft bete: 'Herr Gott, halt' ein mit Deinem Segen.'"
So wird Anton Burger zitiert, der später, auf seinen Jagdpartien, Bilder versteigerte, die er noch gar nicht gemalt hatte. Vielleicht war er so begehrt, weil er der puren Idylle huldigte. Die Taunuslandschaften von Peter Burnitz, der in Barbizon bei Paris gewesen war und dort die unverfälschte Freilichtmalerei gesehen hatte, hatten schon anderes Format: sehr wahrhaftig, sehr atmosphärisch, oft von Melancholie geprägt. Gäste der Kolonie waren auch bekannte Künstler wie Otto Scholderer oder Hans Thoma, der in Kronberg sogar für kurze Zeit ein Haus besaß.
Erste Anklänge eines deutschen Impressionismus
Beide Maler waren tief beeindruckt von Gustave Courbet, der sich 1858/59 in Frankfurt aufhielt. Sein ungeschönter Realismus setzte neue Maßstäbe. Auch Wilhelm Trübner hielt sich in Frankfurt und Kronberg auf: gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Seine Kronberg-Ansicht zeigt erste Anklänge eines deutschen Impressionismus: eine seltene Ausnahme im Stilpluralismus der Malerkolonie. Der Porträtist Norbert Schrödl, der in Berlin Aufträge von der Kaiserfamilie bekommen hatte und schließlich 1887 nach Kronberg zog, erlebte die für viele Kronberger Künstler erstaunlichen Folgen der "Gründerzeit".
"Die Bilder wurden nass an der Staffelei weggeholt",
berichtet er. Viele wohlhabende Frankfurter ließen sich in Kronberg Sommervillen bauen. Als sich 1894 auch noch die Kaiserwitwe Victoria von Preußen, ebenfalls Künstlerfreundin und Malerin, in Kronberg ansiedelte, war es mit der beschaulichen Ländlichkeit und Idylle vorbei.
Heute ist Kronberg mit seiner gut erhaltenen Altstadt, seinem Victoria-Park und der umgebenden Taunuslandschaft der Wohnsitz der Reichen und wohlhabenden Frankfurt-Pendler. Die Motive der Kronberger Malerkolonie sind Historie. Doch wer von der Höhe des sogenannten Opelzoos auf Kronberg und die Mainebene schaut, kann noch heute verstehen, warum dieser Anblick sämtliche Maler der Kolonie so verzaubert hatte.
Ehrhardt: "Diesen Blick kann man heute noch genießen. Man sieht dann Kronberg eingebettet in diesen sanften Taunushügeln, und im Hintergrund – so etwas im Dunst – sieht man die Riesenskyline von Frankfurt, das hat schon noch etwas sehr Reizvolles, auch grade dieser Gegensatz."
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