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One-Year Mission
Ergebnisse der einjährigen NASA-Zwillingsstudie

Die USA wollen in den 2030er Jahren zum Mars fliegen. Und dazu gehört, dass der eine oder andere Astronaut auch mal ein ganzes Jahr im All verbringen muss. Die Wahl fiel auf Scott Kelly. Das Jahr ist vorbei, Scott Kelly ist wieder auf der Erde, und jetzt hat ihn die US-Raumfahrtbehörde NASA der Öffentlichkeit präsentiert.

Von Guido Meyer | 07.03.2016
    25. März 2015; Russlands Raketenbahnhof in Baikonur, Kasachstan.
    Das Jahr im All beginnt jetzt, so der Sprecher der US-Raumfahrtbehörde NASA damals. Zusammen mit zwei russischen Kosmonauten hob der amerikanische Astronaut Scott Kelly ab zu einem Rekordaufenthalt im All: ein ganzes Jahr an Bord der Internationalen Raumstation ISS. Sein Zwillingsbruder Mark bildete die Ein-Mann-Kontrollgruppe auf dem Boden. Ständig hat ein Team von zehn Medizinern Proben von Speichel und Stuhl sowie Wangenabstriche von Mark Kelly auf der Erde entnommen. Scott Kelly im All war sein eigenes Versuchskaninchen und hat von sich selbst Proben gesammelt. Durch Vergleiche des DNA-Materials beider Zwillinge wollen die Forscher verstehen, welche körperlichen Funktionen Veranlagung sind und welche die Schwerelosigkeit beeinflusst.
    "Wir haben vor allem die Folgen der Schwerelosigkeit auf die Sicht und auf den Druck in der Schädelhöhle untersucht. In den vergangenen Jahren hatte sich bei einigen Astronauten im Weltraum der Druck in den Venen, im Gehirn und im Rückenmark erhöht. Das hatte Auswirkungen auf ihre Sicht, die nach Rückkehr auf die Erde dauerhaft sein könnten."
    Julie Robinson hat als ISS-Chef-Wissenschaftlerin dieses einjährige Zwillingsexperiment betreut. Auch Scott Kelly klagte nach seiner Rückkehr am Mittwoch über eine Verschlechterung seines Sehvermögens. Die Mediziner vermuten, dass diese Beeinträchtigung mit der Flüssigkeitsverteilung zu tun haben könnte. In der Schwerelosigkeit steigen mehr Blut und Wasser in den oberen Teil des Körpers. Diese Umverteilung erhöht dort den Druck, unter anderem auf den Augapfel, wie John Charles erläutert, der stellvertretende Leiter für Humanexperimente bei der NASA.
    "Unmittelbar nach der Landung haben unsere russischen Kollegen Scott Kelly in ein Zelt geführt. Dort musste er allerlei Aktivitäten durchführen, wie sie Astronauten nach einer Landung auf dem Mars zu bewältigen hätten, wie Aufstehen, Umherlaufen, sich Bücken und Dinge hochheben. Wir haben auch seinen Gleichgewichtssinn und seine Motorik getestet."
    Ziel dieser Mission war, Daten darüber zu bekommen, wie fit Astronauten nach einem Jahr in der Schwerelosigkeit sind. Welche körperlichen Aufgaben können ihnen zugemutet werden – wie das Zusammenbauen eines Habitats auf dem Mars – und welche Aktivitäten müssen zurückgestellt werden, bis sich die Raumfahrer an die Schwerkraft des Mars gewöhnt haben? Mit der Erdschwerkraft habe er keine Probleme gehabt, so Rekordastronaut Scott Kelly.
    "Wenn die Sojuskapsel aufrecht landet, müssen wir aus eigener Kraft aus ihr herauskrabbeln. Wir mussten selbstständig unsere Gurte lösen, die Luke öffnen und dann ungefähr bis zur Hälfte nach oben rausklettern. Auf dem Mars wäre das einfacher, weil die Schwerkraft dort geringer ist. Nur das Hinuntergleiten an der Außenseite der Kapsel, bis wir den Boden erreichen – das dürfte eine Herausforderung werden. Wahrscheinlich werden wir uns auf dem Mars erst einmal für ziemlich lange Zeit hinsetzen und alles auf uns wirken lassen."
    Die NASA denkt bereits über zehn bis zwölf weitere Langzeitmissionen zur Internationalen Raumstation nach, die dann auch zwei oder sogar drei Jahre dauern sollen.