Kritik an der EKD

Religionen müssen einander nicht verstehen

Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm und Bundeskanzlerin Angela Merkel
"Die Hauptabteilung Kirchen des Kanzleramtes": Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm und Bundeskanzlerin Angela Merkel © dpa / picture alliance / Rainer Jensen
Von Klaus Rüdiger-Mai · 22.02.2017
Die deutsche Evangelische Kirche scheue die Abgrenzung gegenüber dem Islam und stehe für einen "Wohlfühl-Protestantismus", kritisiert der Schriftsteller Klaus Rüdiger-Mai. Wer die Kirche jedoch in die "Hauptabteilung Kirchen des Kanzleramts" verwandle, falle weit hinter den Reformator zurück.
Heinrich Bedford-Strohm legte vor dem Besuch des Tempelberges im Oktober 2016 das Amtskreuz ab. Dass es auch anders geht, bewies Papst Benedikt XVI. sieben Jahre zuvor. Bedford-Strohm äußerte zur Rechtfertigung, dass es auf Bitten der muslimischen und der jüdischen Gastgeber erfolgte. Der Haken an der Sache war, dass von jüdischer Seite niemand die Bitte geäußert hatte. Eine Schutzbehauptung aus dem Reich der Fake News?
Der Skandal ist freilich ein dreifacher: ein menschlicher, ein politischer, ein theologischer. Der oberste Repräsentant der evangelischen Kirche verzichtet in einer Region, in der Christen massakriert werden, weil sie sich weigern, das Kreuz abzulegen, auf die Mitte des eigenen Glaubens.

Das unumgehbare Credo eines Christen

Im Lichte der Umstände stellt der Akt einen Verrat an den getöteten Glaubensbrüdern, an ihren Familien, an ihren Kindern dar. Mit der gleichen Glaubenskälte verschließt man die Augen davor, dass Christen in deutschen Flüchtlingsheimen drangsaliert werden, weil sie eben das verweigern, was Bedford-Strohm in Jerusalem so bereitwillig tat. Die Kreuzabnahme erfolgte nicht im Dienste des Glaubens, sondern einer politischen Ideologie.
Theologisch inakzeptabel an dem Akt ist, dass es sich nicht um sein, sondern um Christi Kreuz handelt, das der Gottessohn für die Sünden der Welt auf sich genommen hatte, um den Menschen den Weg zu Gott zu ermöglichen. Natürlich muss man diesen Glauben nicht teilen, weil keine Plicht existiert, Christ zu sein. Aber wenn man Christ ist, dann besteht darin das unumgehbare Credo.
Die Beauftragte der EKD für das Reformationsjubiläum schreibt, dass wir von anderen Religionen lernen können, dass es außer Christus auch andere Wege zu Gott gibt. Im Evangelium des Johannes sagt Christus hingegen unmissverständlich: "Niemand kommt zum Vater, denn durch mich."
Wieder stört die Funktionäre der EKD der Glauben im politischen Geschäft, wieder steht Christus im vermeintlichen Religionsgespräch mit dem Islam im Wege. Um den politisch erwünschten Dialog zu führen, scheint man bereit zu sein, das Christentum durch einen Wohlfühl-Protestantismus ohne Christus, ohne Luther auch, aber mit dem EKD-Funktionär als neuen Glaubensheros zu ersetzen.

Worüber sollen Religionen miteinander reden?

Im übrigen müssen Religionen einander nicht verstehen, sie müssen auch nicht miteinander reden – worüber denn? Es genügt vollkommen, wenn sie einander nicht verfolgen und herabsetzen. Es genügt, wenn sich Gläubige gleich welcher Religion an Lessings Maxime halten: "Es eifre jeder seiner unbestochnen / Von Vorurteilen freien Liebe nach!", und dabei ihr religiöses Gesetz nicht über das Grundgesetz stellen.
Wer aber die Kirche in eine politische Institution verwandelt und den Gottesdienst in eine Parteiversammlung, spaltet die Kirche und treibt die Christen aus den Gotteshäusern. Die EKD fällt in ihrem Bestreben, zur Hauptabteilung Kirchen des Kanzleramtes zu werden, weit hinter Martin Luther zurück, der mit der Zwei-Regimenten-Lehre die Trennung von Staat und Kirche begründete.
Dabei ging er von Christi Satz aus: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt." Deshalb hat die Kirche den Laizimus zu akzeptieren. Jeder Christ hat als Bürger das Recht, sich politisch zu engagieren, aber eben als Bürger.
Die Kirche hat sich auf ihrer sechs Kernaufgaben zu konzentrieren: Bibelstudium, Gottesdienst, Charitas, Mission, Bildung und Seelsorge. Um das zu verwirklichen, steht 500 Jahre nach Martin Luther ein neuer Thesenanschlag, eine neue Reformation der Kirche unabweislich auf der Tagesordnung.

Klaus-Rüdiger Mai, geboren 1963, Dr. phil., Schriftsteller und Historiker, verfasste historische Sachbücher, Biographien und Essays, sowie historische Romane. Sein Spezialgebiet ist die europäische Geschichte und Gegenwart. Zuletzt erschienen von ihm der Essay "Gehört Luther zu Deutschland?" und die Biographie "Gutenberg. Der Mann, der die Welt veränderte".

© privat