Kriminalhörspiele der Sechziger

Ohne Blut und Leiche

Der belgische Schriftsteller Georges Simenon, Autor unzähliger Romane und Schöpfer des "Kommissar Maigret", aufgenommen im Dezember 1981. Simenon wurde am 13. Februar 1903 in Lüttich geboren und starb am 4. September 1989 in Lausanne.
Georges Simenon, Schöpfer des "Kommissar Maigret", aufgenommen 1981. © picture-alliance / dpa / AFP
Von Tobias Lehmkuhl · 02.09.2014
Georges Simenons Kommissar Maigret bleibt ein verlegerischer Dauerbrenner. Nun gibt es eine Box mit fünf Hörspielen. Aufgenommen in den 50er- und 60er-Jahren hört man ihnen das Alter an - und lassen nostalgisch werden.
Dass sie über ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel haben, können diese Hörspiele nicht verbergen: Die Musik klingt gemächlicher als heute, die Autos knattern lauter, es fehlt die technische Raffinesse, der schnelle Schnitt, das stereophone Mehrspurerlebnis. Aber von all dem wusste der Held dieser Hörspiele ja auch gar nichts, denn obwohl Georges Simenon bis in die siebziger Jahre hinein neue Fälle für seinen Kommissar strickte, lebt und ermittelt dieser Maigret doch immer in einer Welt vor dem Zweiten Weltkrieg.
Ausschnitt: "Ah, Monsieur Maigret! Sie kennen sich noch von neulich? - Ja, guten Tag, Herr Doktor. Wie geht es Frau Basso? - Sie ist drüben in ihrem Wochenendhaus. Muss für die arme Frau eine schwere Zeit sein, allein mit dem Jungen. - Ich geh hinein. Kommen sie mit, James? - Ich komme nach."
Auch die Fälle Maigrets wirken wie aus einer weit entfernten Zeit: Blut spritzt keines, und wenn mal geschossen wird, heißt das nicht, dass deswegen gleich jemand tot wäre. Eine Leiche ist hier schon etwas Besonderes, zwei Leichen geradezu extravagant. Kein Vergleich mit den Massenschlächtereien heutiger Thriller, den Doppel- und Dreifachmorden in jedem Feld-, Wald- und Wiesen-Tatort. Den recht unspektakulären Fällen entsprechen die bedächtigen Ermittlungsmethoden des berühmten Kommissars. Einen Großteil seiner Arbeitszeit verbringt er in Bistros und Brasserien. Exzesse wie der folgende bleiben dabei freilich die Ausnahme.
"Hier, Rateaux, ein schönes volles Glas, ob Du das wohl mit einem Zuge runterkriegst? - Gib her - Donnerwetter, der Rateux hat einen Zug! (R. fällt um) So, jetzt ist er ruhig. - Was hast Du ihm gegeben? - Ein Bierglas voll Pernod. - Das wird ihn umbringen! - Ach, den nicht, der wird jetzt bloß eine Weile schlafen."
Stimmen klingen selten natürlich
Besonders interessant sind auf solch alten Aufnahmen immer die Stimmen der Schauspieler. Viele auch heute noch bekannte Namen sind darunter, etwas Hans Clarin oder Klausjürgen Wussow. Sie intonieren klarer als man es gewohnt ist, ihr Spiel klingt immer auch ein wenig nach Schauspielerei, selten ganz völlig natürlich. Manchmal ist das befremdliche Überagieren allerdings nicht dem Zeitgeschmack, sondern schlicht den mangelnden Fähigkeiten einzelner Akteure geschuldet.
"Das gleicht einer Verschwörung, man will mich verrückt machen, man will mich in einer Irrenanstalt bringen, vielleicht meine Mutter, die mich loswerden will, weil ich eifersüchtig mit Erbteil überwache, aber das werde ich, ich werden - Kuckuck - Waren sie das? - Beruhigen sie sich, Doktor. In wenigen Augenblicken wird der Mörder sicher in diesen vier Wänden sein."
Paul Dahlke mimt auf vier der fünf CDs brummig-bellend und leicht näselnd, dabei höchst souverän den Kommissar. Nichts bringt ihn aus der Ruhe, warum auch, im Grunde weiß Maigret schon - während der Hörer noch damit beschäftig ist, sich die Namen der Verdächtigen zu merken - wer der Mörder ist. Nach spätestens fünfzig Minuten aber, nach einer quasi polizeilich verordneten Portion Geduld, wissen auch wir Bescheid. Nostalgisch lässt sich dann zurückblicken in eine Zeit, in der die Autoritäten noch klar verteilt waren.
"Und sie meine Herren von der Presse - Ja! - Keine voreiligen Schlüsse. Heute Abend wissen wir mehr."

Georges Simenon: Maigret - Die besten Fälle. Hörspiele
Mit Paul Dahlke, Hans Clarin, Klausjürgen Wussow u.a.
Der Audio Verlag, Berlin 2014
5 CDs, 19,99 Euro

Mehr zum Thema