Krimi in Florenz

Wissenschaftler lösen Rätsel um Mona Lisa - fast

Leonardo da Vincis Porträt der Mona Lisa.
Leonardo da Vincis Porträt der Mona Lisa. © imago/Leemage
Von Jan-Christoph Kitzler · 03.05.2016
Wer war die Frau, die für Leonardo da Vincis Gemälde der Mona Lisa Modell gestanden hat – und wo wurde sie begraben? Forscher glauben, ihr in einem ehemaligen Kloster in Florenz sehr nahe gekommen zu sein. Doch ein letztes Puzzleteil fehlt.
Das ist ein echter Wissenschaftskrimi – und er beginnt mitten in der Altstadt von Florenz. Zwischen vielen sanierten Häusern steht ein riesiger halbverfallener Gebäudekomplex. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts war das Kloster Sankt Ursula, nach der Säkularisierung unter Napoleon zog eine Tabakfabrik ein, um 1990 schließlich wollte die italienische Finanzpolizei daraus eine Kaserne bauen – und bedeckte alles mit Stahlbeton. Und hier soll die Mona Lisa liegen?
"Wir haben mit der historisch dokumentierten Tatsache angefangen, dass sie hier in dieser Kirche 1542 begraben wurde. Doch man wusste nichts weiter. Nicht einmal, wo die Klosterkirche war. Durch Nachforschungen haben wir herausbekommen, wo ursprünglich die Kirche war. Heute kann man davon nichts mehr sehen. Und danach haben wir angefangen zu graben."
Dass daraus der besagte Krimi wurde, liegt an Silvano Vinceti – der ältere, schlanke Herr mit eindrucksvollem Vollbart hat schon von sich reden gemacht, als er das Grab des Malers Caravaggio gefunden hat. Jetzt ist er auf der Suche nach "La Gioconda", der Frau, die das Modell für die Mona Lisa war:
"In Wirklichkeit hatten wir ein paar Erkenntnisse. Wir kannten den Ort des Begräbnisses, aber wir wussten auch aufgrund historischer Forschungen, dass sie hier in diesem Kloster nur an zwei, drei Orten beerdigen konnten. Also, schon Wahnsinn, aber ein weiser Wahnsinn. Sicher, wir haben mit nur wenigen Erkenntnissen begonnen, doch sie reichten, um die Forschungsarbeit zu rechtfertigen. Während der Arbeiten haben wir dann auch noch Glück gehabt."

Dritte Frau des Tuchhändlers Francesco del Giocondo

Es gibt mindestens zehn verschiedene Theorien darüber, wen Leonardo da Vinci mit dem vielleicht berühmtesten Gemälde der Welt porträtiert hat. Viele davon entstammen dem Reich der Fantasie, die meisten Kunsthistoriker sind inzwischen der Meinung, dass die "Mona Lisa" Lisa Gherardini ist, die dritte Frau des Florentiner Tuchhändlers Francesco del Giocondo. Er hatte das Bildnis seiner Frau in Auftrag gegeben. Aber wo Mona Lisa begraben wurde, war bislang ein Rätsel.
Archäologen arbeiten im Floriner Kloster Sankt Ursula.
Archäologen arbeiten im Floriner Kloster Sankt Ursula.© picture alliance / dpa / ANSA / Mona Lisa
Architekt Romandetti öffnet die Tür zum Klosterkomplex, der normalerwiese nicht zugänglich ist. Man sieht das, was früher einmal der Kreuzgang war – und rechts die Kirche. Inzwischen ist der Boden der früheren Kirche eine Ausgrabungsstätte. Gar nicht leicht war es, herauszufinden, wo die Gräber waren – mit einem Georadar haben sie den Stahlbeton durchleuchtet – und insgesamt neun Grabstätten gefunden.
Gar nicht leicht, sich zu orientieren, denn die Gräber stammen aus mehreren Jahrhunderten, der Altar wurde versetzt. Am Ende half nicht nur die Grabung, sondern der Gang ins Archiv:
"Die erste Individualisierung haben die Archäologen nach historischen Fakten vorgenommen. Die einzige Möglichkeit war, dass sie in dem Grab dort lag. In der Tat haben wir Gebeine gefunden, und dann wurden Untersuchungen angestellt und mit der C14-Methode konnten sie nachweisen, dass das Alter eines Fundstücks, das dort gefunden wurde, und das Begräbnis der Gherardini übereinstimmten. Das ist die Schlussfolgerung."

Gruft stand lange unter Wasser

Allerletzte Sicherheit gibt es nicht, nur sehr hohe Wahrscheinlichkeit. Dazu wäre ein DNA-Test nötig gewesen, aber die Gruft, in der Mona Lisas Kinder liegen, in einer anderen Kirche von Florenz, stand lange unter Wasser – da ist kein Forschungsmaterial übriggeblieben. Noch einmal Gianfranco Romandetti:
"Klar, wenn wir die DNA zum Vergleich gehabt hätten, hätten wir den unwiderleglichen Beweis gehabt, dass es sie war. Doch das Feld wurde schon eingegrenzt durch eine Reihe von Fundstücken, von denen eines mit der Prüfung durch die C14-Methode kompatibel ist."
Trotzdem hat dieser Wissenschaftskrimi viele Erkenntnisse gebracht, über die Geschichte des Klosters Sankt Ursula und das Leben dort. Über das Leben von Lisa Gherardini und ihrer Familie – und über Florenz im spannenden 16. Jahrhundert, wo Leonardo da Vinci das wohl berühmteste Bild der Welt malte.
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