Krim-Krise

Keine Angst vor einer Isolation

Mehrere Menschen laufen mit einem Kaffeebecher in der Hand durch einen Moskauer Park.
Russen in Moskau © dpa / Alexandra Mudrats
Von Gesine Dornblüth · 14.04.2014
Viele Russen bereisen jedes Jahr Deutschland als Touristen, Studenten oder Patienten. Die aufziehende politische Eiszeit zwischen Russland und Deutschland sehen die Menschen in Moskau überwiegend gelassen, aber auch mit Sorge.
Das Visaantragszentrum der Bundesrepublik Deutschland in Moskau. Schalter, Wartenummern, ein Foto der Friedrichstraße in Berlin und eins vom Elbufer in Dresden. Rund 1.500 Anträge auf ein deutsches Schengen-Visum gehen hier täglich ein. Vor einem Schalter wartet Elena mit ihrem Mann:
"Meine Schwester und ich haben runde Geburtstage. Unsere Männer haben uns eine romantische Reise nach München geschenkt. Wir verfolgen die Außenpolitik. Wir denken, die jüngsten Schwierigkeiten wirken sich nicht auf die Beziehungen zwischen den Menschen aus. Kontakte, Reisen, Ausbildung dürfen darunter nicht leiden. Diese Probleme werden schon irgendwie gelöst werden."
Eine Linie, die auch russische Politiker verfolgen. In Gesprächen mit westlichen Vertretern würden sie immer wieder darauf drängen, die Krim beiseite zu lassen und zur Tagesordnung überzugehen, heißt es aus Diplomatenkreisen. Im Wartesaal sitzen Ljubov Iljina und Leonid Kruglow. Sie schreiben über Autos und wollen in Deutschland ein Buch vorstellen:
"Wahrscheinlich werden wir dem einen oder anderen in Deutschland erzählen müssen, was jetzt zwischen Russland und der Ukraine passiert. Aber ich halte die Situation nicht für sehr kritisch."
"Wir gehören zu der Generation, die die Krim immer als unser betrachtet hat. Was passiert ist, war folgerichtig. Dass die Krim eine Zeit lang von uns abgeschnitten war, war Unsinn."
Auch sie meinen, die politischen Spannungen würden bald vorübergehen.
"Mit den Europäern kommen wir gut aus"
Deutschland ist Russlands engster Partner in der Europäischen Union. Während der Antiamerikanismus in der russischen Bevölkerung wächst, heißt es oft: Mit den Europäern kommen wir gut aus, erst recht mit den Deutschen. Und das trotz des Unrechts, dass die Deutschen den Osteuropäern im Zweiten Weltkrieg angetan haben.
Arsenij Roginskij leitet die Organisation Memorial, die sich mit der Aufarbeitung der Verbrechen des Stalinismus befasst. Er meint, dass die Erfahrung des Totalitarismus Deutsche und Russen verbinde:
"Die deutsche Erfahrung ist wichtig für uns, und anders herum ist es genauso. In Deutschland sind nicht zufällig die meisten Bücher zur russischen Geschichte und zur russischen Politik erschienen."
Dieses besondere Verhältnis bietet die Möglichkeit, dass Deutschland versucht, in der Ukraine-Krise als "Good Guy" auf Russland einzuwirken. Es ist aber auch möglich, dass Russland versucht, das gute Verhältnis zu Deutschland zu nutzen, um die EU im Umgang mit Russland zu spalten. Es sind vor allem deutsche Politiker und Wirtschaftsvertreter, die vor harten Sanktionen gegen Russland warnen.
Die russischen politischen Eliten ihrerseits greifen das auf, empören sich über Sanktionen gegen Russland, spielen sie andererseits hinunter. Der Westen werde ohnehin nicht bereit sein, Sanktionen zu verhängen, die ihm selbst schaden, so die oft geäußerte Meinung. Das glaubt auch der Buchautor Leonid Kruglow:
"Russland kommt ohne Europa aus. Die europäische Wirtschaft aber wird große Schwierigkeiten bekommen. Europa liefert jedes Jahr rund 40.000 schwere LKW nach Russland. Es müsste andere Abnehmer suchen."
Die München-Reisende Elena argumentiert anders herum:
"Russland kann nicht ohne Europa leben. Deshalb wird es keinen russischen Militäreinsatz in der Ukraine geben. Die Abkühlung wird sich auf Worte beschränken."
Vorerst aber schlägt die Rhetorik hohe Wellen, auch in Russland. Es gibt sogar Aufrufe, Urlaub statt im Ausland in Russland zu machen, am besten auf der Krim. Tanja, eine weitere Wartende, ist nicht begeistert. Auch sie will nach München:
"Die Krim statt München? Na ja... Mancher fährt eben lieber ans Meer. Ich zurzeit nicht. Ich freue mich auf München."
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