Kriegseintritt der USA 1917

Wie ein deutsches Telegramm die USA 1917 zum Kriegseintritt motivierte

Propaganda-Poster der US-Armee im Ersten Weltkrieg
Eine Wende trat im Ersten Weltkrieg mit dem Kriegseintritt der USA auf Seiten der Westmächte ein. © imago/United Archives
Von Jürgen Kalwa · 29.03.2017
Als die USA 1917 beschlossen, in den Ersten Weltkrieg einzugreifen, brachte das die Wende. Die Amerikaner hatten lange gezögert. Das Fass zum Überlaufen brachte aber auch das Telegramm eines deutschen Diplomaten.
Eigentlich hatte der Präsident versprochen, das Land aus allem herauszuhalten. Aber im Laufe der Zeit hatte sich die Lage dramatisch verändert. Der uneingeschränkte U-Boot-Krieg der Deutschen im Atlantik sorgte dafür, dass auch amerikanische Schiffe versenkt und ihre Besatzungen getötet wurden.
Und so wandte sich Woodrow Wilson am 2. April 1917 an den Kongress in Washington und forderte die Kriegserklärung. "Wir haben keinen Streit mit dem deutschen Volk", sagte er. Aber eine militärische Auseinandersetzung mit der deutschen Regierung sei nicht länger abzuwenden.
Das sah die überwältigende Mehrheit der Abgeordneten in beiden Häusern nicht anders und schickte vier Tage später die Vereinigten Staaten in den militärischen Konflikt mit Deutschland.

US-Eintritt in den Ersten Weltkrieg

Die Armee, die die Vereinigten Staaten in den Stellungskrieg in Nordfrankeich warfen, brachte am Ende einer vier Jahre währenden Auszehrungskampagne neue Kräfte ins Spiel. Als im August 1918 an der Marne die entscheidende Schlacht heraufdämmerte, standen rund zwei Millionen Amerikaner auf Seiten Frankreichs.
Dabei hätte es für Deutschlands Militärführung selbst noch 1916 Chancen gegeben, die Amerikaner auf ihre Seite zu ziehen. Das war die Meinung einer der prägenden Figuren beim Aufbau der National Security Agency, kurz NSA: William F. Friedman; er war einer der besten Kryptologen seiner Generation. Friedman sagte 1958 in einem Vortrag:
"Ich habe die Zeit noch erlebt und weiß aus erster Hand, dass es mehrere Gelegenheiten gab, da hätte nicht viel gefehlt, und man hätte sich auf die Seite von Deutschland geschlagen. Die Bedeutung dessen kann man kaum ermessen. Es wäre ein Understatement zu sagen, das hätte den Lauf der Geschichte auf spektakuläre Weise verändert.”
Aber ein Spionage-Coup bewirkte, dass die Geschichte nicht diesen Verlauf nahm. Die deutsche Regierung wurde im Januar 1917 dabei ertappt, einen aggressiven anti-amerikanischen Plan umzusetzen. Hinreichend erläutert in einem Telegramm, das der deutsche Außenminister Arthur Zimmermann an den deutschen Botschafter in Washington schickte. Zur Weiterleitung an den Gesandten in Mexiko.

Das Zimmermann-Telegramm

"Wir beabsichtigen, am ersten Februar uneingeschränkten U-Boot-Krieg zu beginnen. Stop. Es wird versucht werden, Amerika trotzdem neutral zu halten. Stop. Für den Fall, dass dies nicht gelingen sollte, schlagen wir Mexiko auf folgender Grundlage Bündnis vor. Stop. Gemeinsame Kriegführung. Stop. Gemeinsam Friedensschluss. Stop. Reichliche finanzielle Unterstützung und Einverständnis unsererseits, dass Mexiko in Texas, Neu Mexico, Arizona früher verlorenes Gebiet zurückerobert. Stop."
Tatsächlich produzierte die von der Obersten Heeresleitung unterstützte Initiative einen diplomatischen Super-GAU, als die Depesche in London von der Spionageabteilung der britischen Admiralität abgefangen und entschlüsselt wurde. Den Klartext gaben die Briten Ende Februar 1917 an die Amerikaner weiter.
"Was Herr Zimmermann versäumt hatte, war - erstens - vorauszusehen, wie hart die Reaktion der Amerikaner ausfallen würde, wenn sie den Inhalt der Nachricht erfahren. Und er hatte, zweitens, ein Chiffriersystem benutzt, das nicht gut genug gegen ein Entschlüsseln und damit gegen eine vorzeitige Enthüllung abgesichert war."
Die amerikanische Regierung sah keinen Grund, den Vorgang unter Verschluss zu halten.
"Dieses Telegramm, das wird im März 1917 veröffentlicht.” Sagt Thomas Boghardt, deutscher Historiker im Dienst der amerikanischen Armee, der alle Archive durchgekämmt und das definitive Buch zum Thema geschrieben hat. Titel: "The Zimmermann Telegram”, erschienen nur auf Englisch. Er glaubt übrigens nicht an die gängige Theorie, dass die Mehrheit der amerikanischen Politiker erst durch die Enthüllung der Depesche zu der Überzeugung kam, dass ein Kriegseintritt unausweichlich sei. In jenem Augenblick lief ein ziemlich volles Fass einfach über:
"Ich denke, dass das Telegramm auf alle Fälle Konsequenzen hier in den USA hat. Aber nicht wie Pearl Harbor. Ja, die Leute, die in den Krieg eintreten wollen, fühlen sich durch das Telegramm bestärkt. Letztendlich, wenn man sich das Telegramm mal anguckt und die Vorstellung, dass Deutschland mit Mexiko gegen die USA Krieg führen würde - das ist ja lächerlich. Und so wird es auch von vielen abgetan.”

Entscheidende Wende

Nicht in Deutschland, wo die Militärführung den Kriegsgegner USA völlig unterschätzte:"Das Kalkül auf deutscher Seite war, von der Marine und auch von der Heeresleitung, dass es ja nie dazu kommen würde, dass amerikanische Truppen im größeren Maße nach Europa kommen, weil der uneingeschränkte U-Boot-Krieg dafür sorgen wird, dass diese Schiffe schon im Atlantik versinken. Die andere Überlegung war: Amerika hat eine ganz kleine Armee, die brauchen Jahre, bis sie mobilisieren können. Bis zu dem Zeitpunkt sind England und Frankreich ja schon längst aus dem Krieg, weil wir sie in die Knie gezwungen haben. Absolute Hybris.”
Warum der Kriegseintritt der USA die Wende im Ersten Weltkrieg bedeutete, erklärt Thomas Boghardt so: "Die Wirkung der amerikanischen Streitkräfte ist nicht so sehr, dass sie Schlachten gewinnen, obwohl sie das zum Schluss auch tun, sondern die psychologische Wirkung. Die Alliierten haben durch die Amerikaner unlimitierte Reserven. Dann sieht man, wie die deutsche Armee langsam desintegriert. Nicht weil sie vom Dolch in den Rücken gestoßen wird, sondern weil die Soldaten einfach wissen: Das war's, jetzt ist es vorbei.”
Was wurde aus Arthur Zimmermann? Der Karrierediplomat aus bürgerlichen Kreisen bestätigte irgendwann pflichtschuldigst die Authentizität seines Schreibens und wurde im August 1917 aus dem Dienst entlassen. Als Pensionär kümmerte sich der in Ostpreußen geborene studierte Jurist nur noch um das Kulturleben der in Berlin lebenden Masuren. Seine politische Haltung verriet er 1933 einem amerikanischen Journalisten: Adolf Hitler sei nicht nur ein "großartiger politischer Führer und ein feiner Redner”, sondern sogar "ein Staatsmann”. Zimmermann starb 1940 in Berlin im Alter von 75 Jahren.
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