Kriegsangst in Nahost

"Eigentlich nirgendwo sicher"

Während eines Raketenangriffs läuft ein Junge im Strand.
Tel Aviv: Während eines Raketenangriffs verlassen Israelis und Touristen eilig den Strand. © GALI TIBBON / AFP
Moderation: Kathrin Heise und Chrstian Rabhansl · 17.07.2014
Bei ständiger Kriegsbedrohung wachse die Bereitschaft eines Menschen zum Kampf, sagt der Konstanzer Psychologe Thomas Elbert. Aus Erniedrigung und Hilflosigkeit entstehe ein "unglaublicher Hass" auf den Gegner.
Die andauernde Angst vor Luftangriffen treibe die Menschen im Nahen Osten in den Zustand der "permanenten Hilflosigkeit", sagte Elbert in der Sendung "Studio 9 – Kultur und Politik am Mittag" im Deutschlandradio Kultur:
"Wer sich schon einmal unter Bedrohung hilflos gefühlt hat, wer erniedrigt worden ist und nichts dagegen machen kann, der weiß, was die Konsequenz ist: Es entsteht ein unglaublicher Hass gegen den Gegner."
Die Bedrohungssituation unterscheide sich auf beiden Seiten, in Israel und im Gaza-Streifen, nicht sonderlich, meinte Elbert:
"Beide Seiten sehen dann letztlich doch ihre eigene Hilflosigkeit. Auch die Israelis, die mit allen Mitteln und mit hoher Technologie versuchen, dieser Bedrohung Herr zu werden, müssen sich letztlich eingestehen: 'Ich bin eigentlich nirgendwo sicher'."
"Jederzeit bereit, auch zu kämpfen, zurückzuschlagen"
Diese Einschätzung führe auch zu Veränderungen bei den Grundannahmen über die Welt:
"Ich werde jemand, der sich ständig auf die Bedrohung einstellt."
So ließen sich permanente Angstsituationen auch an den Gehirnreaktionen der Betroffenen nachweisen. Das habe Folgen:
"Ich bin jederzeit bereit, auch zu kämpfen, zurückzuschlagen. Und meine Schwelle, das zu tun, senkt sich individuell. Und sie senkt sich, wie man ja sieht, auch gesellschaftlich",
so der Neuropsychologe Elbert. Sein Forschungsgebiet ist die mentale Gesundheit von Menschen in Konflikt- und Krisenregionen.