Krieg in Syrien

Das klägliche Versagen der UNO

Ban Ki-moon redet am Pult im Weltsaal des UNO-Hauptquartiers in New York.
UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon bei der Eröffnung der Generaldebatte © picture alliance / dpa / Jason Szenes
Von Andreas Zumach · 24.09.2016
Der UNO gelingt es nicht einmal, die Flüchtlinge humanitär zu versorgen. Im Hinblick auf den eskalierenden Syrien-Krieg, haben die 193 Mitgliedsstaaten schlicht versagt, kommentiert Andreas Zumach. Nur ein diplomatischer Konsens zwischen Russland und den USA könne die Friedensbemühungen voranbringen.
Die 193 Mitgliedsstaaten der Weltorganisation haben in bedrückender Weise vorgeführt, dass sie weiterhin nicht bereit oder nicht in der Lage sind den opferreichen und seit fünf Jahren ständig eskalierenden Krieg in Syrien endlich zu beenden. Und auch vor der Herausforderung, dann wenigstens die überlebenden Opfer dieses Gewaltkonfliktes, die inzwischen über 13 Millionen syrischen Flüchtlinge und Binnenvertriebenen ausreichend humanitär zu versorgen, haben die UNO-Mitgliedsstaaten kläglich versagt.
Die Beschlüsse der beiden New Yorker Gipfeltreffen zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Finanzierung ihrer Versorgung blieben unverbindlich und weit hinter den konkreten Forderungen zurück, die UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon den Mitgliedsstaaten vorgelegt hatte.
Heute vor zwei Wochen war noch leise Hoffnung aufgekeimt. In Genf verkündeten die Außenminister der USA und Russlands, John Kerry und Sergey Lawrow nach fast fünfmonatigen mühsamen Verhandlungen eine Vereinbarung über eine Waffenruhe in Syrien, die Wiederaufnahme der humanitären Hilfslieferungen an die notleidende Bevölkerung und über eine künftige Koordination der amerikanischen und russischen Luftangriffe gegen den sogenannten Islamischen Staat und die Al-Nusra-Front, den syrischen Ableger des Al-Kaida-Terrornetzwerkes.

Entscheidende Teile der Genfer Vereinbarung nicht erfüllt

Doch sowohl die Obama-Administration wie die Regierung Putin haben ihren Teil der Genfer Vereinbarung nicht erfüllt. Entweder weil sie nicht wollten, oder - was noch schlimmer wäre - weil sie ihre jeweiligen Verbündeten im Syrienkonflikt nicht mehr unter Kontrolle haben. Washington hat nicht erreicht, dass sich die legitimen Oppositionsmilizen von terroristischen Gruppen trennen. Moskau hat nicht dafür gesorgt, dass die Regierung Assad ihre Luftangriffe auf andere Ziele als den IS und die Al-Nusra-Front einstellt und humanitäre Hilfslieferungen in von Regierungstruppen belagerte Städte zulässt.
Dahinter steckt ein Grundkonflikt, der seit Beginn aller diplomatischen Bemühungen um ein Ende des Syrienkrieges nie gelöst wurde: Unter den von Washington unterstützten legitimen Milizen gibt es auch solche, die wegen ihrer engen ideologischen Nähe und operativen Zusammenarbeit mit der Al-Nusra-Front von den Regierungen Putin und Assad als Terroristen eingestuft werden. Und Terroristen dürfen laut der russisch-amerikanischen Vereinbarung auch während einer Waffenruhe weiter militärisch bekämpft werden. Solange diese Grauzone nicht durch einen Konsens zwischen den USA und Russland beseitigt wird, hat Assad einen Vorwand, seine Luftangriffe gegen beliebige Ziele fortzusetzen. Der syrische Präsident hat in den letzten Tagen in Interviews und mit der am Freitagabend just während der letzten Syrien-Verhandlungsrunde in New York angekündigten Bodenoffensive zur Eroberung der letzten Rebellengebiete in Aleppo in unmissverständlicher Weise deutlich gemacht, dass er einen vollständigen militärischen Sieg seiner Regierungsstreitkräfte anstrebt. Zumindest auf dem westlichen Drittel des syrischen Staatsgebietes, in dem von Aleppo im Norden über Homs, Damaskus bis Daraa an der jordanischen Grenze nicht nur fast alle größeren Städte des Landes liegen, sondern auch der russische Militärhafen Tartus und die Luftwaffenbasis in Latakia. Viele Anzeichen sprechen dafür, dass die Regierung Putin dieses Ziel Assads unterstützt und deshalb nicht für die Einstellung der syrischen Luftangriffe gesorgt hat.

Droht ein längerer Konflikt als der 30-jährige Krieg?

Manche Kenner der Nahostregion haben schon in einer früheren Phase des Syrienkrieges, vor allem nach dem Zusammenbruch der ersten Waffenruhe im April dieses Jahres die Einschätzung geäußert, der Gewaltkonflikt in und um Syrien könne so lange dauern wie der 30-jährige Krieg in Europa im 17. Jahrhundert. Die Ereignisse der letzten Woche bei der UNO in New York und auf dem syrischen Schlachtfeld nähren die Befürchtung, dass diese düstere Prognose wahr werden könnte.

Andreas Zumach, 1954 in Köln geboren, arbeitet am europäischen Hauptsitz der Vereinten Nationen in Genf als Korrespondent für Printmedien, sowie für deutschsprachige Rundfunkanstalten. Im Jahr 2009 wurde ihm der Göttinger Friedenspreis verliehen.

© privat
Mehr zum Thema