Kreatives Schreiben

Den Umgang mit Fakten lernen

Eine Frau tippt auf ihrem Laptop.
Die Bayerische Akademie des Schreibens bietet ein Seminar an, bei dem Sachbuchautoren sich in Erzählformen, Ton und Dramaturgie üben können © picture alliance / dpa / Oliver Killig
Von Georg Gruber · 25.11.2014
Das Schreiben von Romanen ist eine Kunst. Aber auch Sachbücher zu schreiben will gelernt sein und so gibt es nun Angebote, bei dem Autoren sich in Erzählformen, Ton und Dramaturgie üben können - auch an der Bayerischen Akademie des Schreibens.
"Mit dem Begriff der Charakterfreundschaft hat Aristoteles eine lange Tradition gestiftet."
Björn Vedder liest aus seinem Manuskript. Ein philosophischer Exkurs, in dem er den Bogen schlagen möchte bis zu der großen Frage: Was heißt Freundschaft heute in der digitalen Welt?
"... in ihr sind auch Facebookfreunde echte Freunde. Vielleicht soweit?"
Björn Vedder schaut auf und blickt in die Runde. Er wartet auf Kritik, Einschätzungen, Nachfragen, Verbesserungsvorschläge. Von den anderen Seminarteilnehmern - und von den beiden Leitern.
"Mich hat ihr Exposé und das was Sie geschrieben haben, etwas ratlos gemacht, wie geht's den anderen?"
Stefan Bollmann ist Lektor beim C.H.Beck Verlag. Neben ihm sitzt Wolfgang Büscher, preisgekrönter Sachbuchautor und Journalist:
"Ich hab immer das Gefühl, langsam, langsam, nimm mich mit. Da geht ein Fenster auf, und ein Sturm kommt rein, ein Sturm des Wissens, und der weht mich weg, worüber reden wir jetzt, ja? Also, weniger, weniger, den einzelnen Dingen mehr Raum geben."
Bollmann: "Finde ich schön, weniger Wissen abrufen oder präsentieren, mehr selber philosophieren."
Auch die anderen in der Runde beteiligen sich an der Diskussion:
Dorothea Zwirner: "Ich bin anderer Meinung, ich hab den Text wahnsinnig gerne gelesen und konnte ihm gut folgen."

Die Spannbreite der Sachbuchprojekte ist weit: Von Totenstädten in Manila und Ägypten, über Failed States bis zu Biografien.
Büscher: "Alle Projekte haben Substanz, aber alle sind auch Baustellen, und das ist genau der richtige Moment, wo ein konzentriertes eineinhalbstündiges Gespräch über dieses Projekt und diese Baustelle angezeigt ist, und den Leuten auch was bringt, hoffe ich."
Bollmann: "Das Sachbuch probiert im Moment neue Formen aus, erzählendes Sachbuch wird immer wichtiger und da ist es natürlich hochinteressant, Leute zu begleiten, die ihr erstes Sachbuch schreiben wollen und ihnen vielleicht ein bisschen auf die Sprünge helfen zu können."
Das Seminar verlangt einiges ab
Die Historikerin Julia Metger arbeitet an einem Buch über Spionage im Kalten Krieg:
"Ich könnte mir vorstellen, dass ich teilweise meine Interviewpartner anonymisieren muss, damit sie mir überhaupt etwas erzählen, was ich dann verwerten kann, und das ist wissenschaftlich kaum zu machen, im Sachbuch könnte ich die geeignete Form finden, aber ich muss mich da erst mal massiv umstellen in meiner Arbeitsweise und Erzählweise und dafür ist das Seminar ein super Rahmen."
Das Seminar verlangt den Teilnehmern einiges ab. Sie müssen bereit sein, ihren Text komplett durchleuchten zu lassen: Ist die Erzählperspektive stimmig?
Bollmann: "Sie können das 'Ich' ja mal paar Seiten suspendieren, und dann wieder zurückkommen. Sie müssen ja nicht dauernd bei diesem 'Ich' sein ..."
Ist der Stil zu trocken, zu abgehoben? Funktioniert die Dramaturgie? Johannes Groschupf, der bisher Jugendbücher und Belletristik geschrieben hat, klingt am letzten Tag des Seminars etwas ernüchtert:
"Oh Gott, im Moment ist es ein Scherbenhaufen, das ist oft in den ersten Stunden danach so, aber dann lichtet sich auch wieder der Blick und dann sind auf jeden Fall viele Impulse und Anregungen zum Schreiben angekommen."
Wenn man sein Konzept noch einmal neu durchdenken muss, hat das, wie Stefan Bollmann sagt, durchaus auch etwas von einer narzisstischen Kränkung:
"Nur ich glaube, dass man als Autor, das ist meine Erfahrung als Autor und Lektor, durch diese Phase der narzisstischen Kränkung immer wieder hindurch muss."
Texte immer wieder zur Diskussion stellen
Spätestens dann, wenn ein Lektor im Verlag den Text auseinandernimmt oder man Absagen bekommt. Im kommenden Mai ist der nächste Seminarblock, im Oktober der Abschluss. Die Teilnehmer sollen in dieser Zeit ihre Texte weiterentwickeln und immer wieder zur Diskussion stellen:
Büscher: "Manchmal fühlt man sich wie so ein Geburtshelfer, da ist eine Idee, aber die ist noch sozusagen verschmutzt mit allen möglichen Nebenideen und die ist sozusagen unscharf, man muss das Gestrüpp weghauen und den Kern rausholen, der eigentlich gut ist. Das gilt für alle, und das ist glaube ich auch ein Prozess, der alle fasziniert."
Susanne Klingner ist die einzige, die für ihr Projekt mit dem Arbeitstitel "Frauen und Geld" bereits einen Vertrag mit einem Verlag hat. Sie sei vor dem Seminar unsicher gewesen, ob sie für ihr Thema den richtigen Ansatz gewählt habe:
"Ich bin tatsächlich sicherer geworden, alle Erwartungen an diesen Teil des Seminars wurden voll erfüllt. Ich hab Feedback bekommen, wohin darf das Buch nicht gehen, niemand möchte sich gerne belehren lassen, wo sollte ich probieren, exemplarische Geschichten einzuwirken oder auch mal die Ausnahme zu zeigen, und da waren viele schöne Ideen, die auch sehr, sehr praktikabel sind dabei, und jetzt kann ich glaube ich direkt nach Hause gehen und los schreiben."
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