Kreatives Engagement

Künstler als soziale Unternehmer

Der Hamburger Künstler Daniel Kerber mit einem Modell seines "Domo"-Flüchtlingszelts
Der Hamburger Künstler Daniel Kerber mit einem Modell seines "Domo"-Flüchtlingszelts © Axel Schröder
Von Axel Schröder · 16.12.2014
Es müssen nicht immer Gelder oder Kleiderspenden sein. In Hamburg versuchen zwei Künstler mit ihren Ideen, die Welt ein wenig besser zu machen. Der eine baut Flüchtlingszelte, die andere lässt Puppen in einer kleinen Manufaktur in Sri Lanka produzieren.
Die große Idee von Daniel Kerber steht unscheinbar in der Ecke seines Büros. Zerlegt in ihre Einzelteile: Kerber greift sich einen der zusammengefalteten, zieharmonikaartigen Träger des "Domos" - lateinisch: "das Haus" – und entfaltet ihn:
"Viel Arbeit ist in diesen Moment geflossen: wie kriege ich das Ding möglichst ohne Hilfsmittel, mit ein paar Menschen, an jedem Ort der Welt, innerhalb von ein paar Minuten aufgebaut? Und habe danach aber wirklich eine feste Hütte, die schon jetzt mehr ist als ein Zelt. Und die mich wirklich schützt vor den brutalsten Wetterbedingungen, die man auf diesem Planeten antreffen kann."
Das "Domo" ist das Flüchtlingszelt der Zukunft. 20 Quadratmeter groß, modular erweiterbar und damit anpassungsfähig an die unterschiedlichsten Orte, die unterschiedlichsten Nutzungen:
"Das heißt, wenn man jetzt mit einem kranken Familienmitglied auf der Flucht ist, braucht man einen anderen Raum als wenn man vielleicht mit 20 Kindern unterwegs ist. Oder vielleicht gibt es Kulturräume, in denen Männer und Frauen getrennt leben. Oder Familien benötigen einen Innenraum, damit Kinder geschützt spielen können in dieser Unterkunft. All diese Dinge können wir mit unserem System herstellen!"
Ausstellungen reichen nicht mehr aus
Und damit unterscheidet sich Daniel Kerbers Flüchtlingszelt von allen anderen Varianten, die heutzutage im Einsatz sind, um Menschen auf der Flucht ein Dach über dem Kopf zu verschaffen. Jahrelang ist der Künstler in Armenvierteln unterwegs gewesen. Hat das Gesehene, das Erlebte in Ausstellungen verarbeitet. Die Erfahrungen in den südamerikanischen Favelas, in indischen Großstadt-Slums oder Flüchtlingslagern im Nahen Osten haben ihn nicht losgelassen. Eine Reise nach Tokio, der Anblick der Papphütten von Obdachlosen in dieser an sich reichen Stadt, machte aus dem Künstler Kerber den Sozialunternehmer Kerber:
"Wenn das schon unsere Lebensräume erreicht, wenn das weltweit explodiert – dann war irgendwann der Frust sehr groß, zu sehen, dass eigentlich meine Arbeit, nämlich, das zu erforschen, zu entdecken und dann in unserem Kontext vielleicht in einer Ausstellung zu verwerten oder in einer Publikation, dass das lange nicht mehr ausreicht."
2006 kehrte er aus Tokio zurück. Heute ist sein "Domo" marktreif, wird hergestellt in Zusammenarbeit mit einem dänischen Outdoor-Spezialisten und demnächst eingesetzt von der Hilfsorganisation "Japanese Emergency". Möglich gemacht haben das vor allem die vielen privaten Geldgeber, die Kerber für seine Idee begeistern konnte.
Aber auch das Hamburger "Social Impact Lab". Arbeitsräume in diesem "Laboratorium" bietet die gemeinnützige GmbH Social Pioneers. Dazu kommen Coaching-Angebote für Menschen, die eine gute soziale Idee haben, denen aber oft das Wissen fehlt, wie aus der Idee Realität werden kann. Diese Hilfestellung bekam auch Alexa Lixfeld. Ihr Geld verdient die Künstlerin mit dem Design riesiger, organisch-geformter Glas- und Porzellanschalen und -vasen. Ihr soziales Projekt bedeutet vor allem viel Arbeit. Reich wird sie mit den Stoffpuppen aus einer kleinen Manufaktur in Sri Lanka nicht:
"Wir haben die Schulkinder vor Ort gefragt, ob sie nicht Lust haben, Zeichnungen mit uns zu machen. Und aus diesen Zeichnungen sind dann diese Puppen entstanden. Deswegen sehen die Puppen so aus wie sie sind. Das hier ist zum Beispiel Imesha. Imesha ist ungefähr 30 Zentimeter groß und hat ganz kleine Füße und einen ganz großen Kopf."
Nicht gerade lukrativ, aber eine Herzensangelegenheit
Und sie entspricht mit diesen Maßen exakt dem Bild, das die echte Imesha aus Sri Lanka für das Projekt gemalt hat. Hergestellt werden rund 1000 Puppen pro Jahr, den Weberinnen und Näherinnen wird dafür ein fairer Lohn bezahlt. Ein anderer Teil des kleinen Profits fließt in die Stiftung, die Alexa Lixfeld gegründet hat. Nur einen Bruchteil verdient sie selbst mit den Puppen. Gerade so viel, dass die Kosten für das Marketing und die Suche nach neuen Vertriebswegen wieder reinkommen.
"Wenn es denn noch ein Projekt ist, da werden Frauen gefördert, da bekommen Leute eine Chance, die sonst ihr ländliches Umfeld verlassen müssen und irgendwo in der Stadt putzen gehen müssen oder so, dann finde ich das toll, dann finde ich das wahnsinnig unterstützenswert. Und ja: das ist dann halt eine Herzensangelegenheit von mir geworden!"
Und ohne die eigene Begeisterung, allein mit betriebswirtschaftlichem Blick funktioniert die Idee nicht. Noch nicht. Denn das große Ziel bleibt: ein Schulneubau, finanziert mit den Stiftungsgeldern. Irgendwo in einem kleinen Dorf in Sri Lanka.
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