Korruptionsbekämpfung in Rheinland-Pfalz

Angewiesen auf anonyme Hinweise

Mann mit einem Tablet-PC in Berlin
"Überwiegend sind es anonyme Hinweise, manchmal aus dem persönlichen Umfeld..." © picture alliance / dpa / Foto: Hans Wiedl
Von Anke Petermann  · 16.04.2015
In Rheinland-Pfalz sollen kleinere Bestechungsdelikte von örtlichen Stellen bearbeitet werden. Es gibt auch keine Schwerpunktstaatsanwaltschaft, die alle Korruptionsfälle bündelt. Eine Laissez-faire-Haltung will sich der Mainzer Justizminister allerdings nicht unterstellen lassen.
Vorab ein Blick über die Landesgrenze, nach Norddeutschland. Dort verurteilte unlängst das Landgericht Lüneburg einen ehemaligen Richter wegen Korruption im Amt zu fünf Jahren Haft. Der ehemalige Referatsleiter im niedersächsischen Justizprüfungsamt hatte Lösungen fürs Zweite Staatsexamen verkauft, gegen Sex und Bares. Fünftausend Euro flossen, bevor man dem Beamten auf die Schliche kam. Ein schwerer Imageschaden für die Justiz. Hätte sich dieser Korruptions-Krimi in Rheinland-Pfalz zutragen können? Frage an den Trierer Rechtsprofessor Gerhard Robbers, seit Ende vergangenen Jahres Justizminister im rot-grünen Kabinett Dreyer.
"Bei uns ist das bewusst so eingerichtet, dass jemand im Landesprüfungsamt, wie das heißt, der dort Klausuren für Referendare entwickelt und Zugang zu solchen Prüfungsarbeiten hat, nicht gleichzeitig Referendarsausbildung betreiben kann. Da wird streng getrennt, damit der Kontakt gar nicht erst hergestellt wird und niemand in Versuchung gebracht. Es hat sich gezeigt, dass das eine weise Einrichtung ist."
Effizienter der Bestechung vorbeugen
Der Sozialdemokrat behauptet nicht, dass die Zahl von Ermittlungsverfahren deshalb so gering sei, weil Rheinland-Pfalz effizienter gegen Bestechung vorbeuge oder aufgrund einer eher mittelständisch geprägten Wirtschaft weniger korruptionsanfällig sei. Laissez-faire lässt sich der Mainzer Justizminister allerdings auch nicht unterstellen. Er verweist die Unterschiede bei den Ermittlungszahlen in den Bereich der statistischen Unwägbarkeit. Tatsächlich gab es Jahre, da verzeichnete das Land doppelt so viele Fälle. Eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft, die alle Korruptionsfälle bündelt, hat Rheinland-Pfalz nicht. Bestimmte Fälle sind aber den Zentralstellen für Wirtschaftsstrafsachen in Koblenz und Kaiserslautern vorbehalten, erklärt Oberstaatsanwalt Hans Peter Gardner:
"Wir sind insbesondere dann zuständig, wenn im Rahmen des korruptiven Verhaltens Unternehmen beteiligt sind, wo im Rahmen der Ermittlungen insbesondere auch eine Auswertung der Buchhaltung, der Bilanzen erfolgen muss.

Autorin: "Das heißt, Sie müssen nicht nur Bilanzen lesen können, Sie müssen auch gefälschte Bilanzen lesen können?"
"Auch das. Und man muss natürlich wissen, wo man gewisse Kosten verstecken kann."
Anders als andere Länder hat sich Rheinland-Pfalz dagegen entschieden, dass auf Polizei- und Justizebene ausschließlich Spezialbehörden Korruption bekämpfen sollen. Damit hat das Land in den Augen von Transparency International nur den zweitbesten Weg gewählt. Hans Peter Gandner, einer der obersten Korruptionsermittler, kann allerdings keinen sachlichen Grund erkennen, warum kleinere Bestechungsdelikte nicht von den örtlichen Stellen bearbeitet werden könnten. Im Gegenteil, die wüssten genauer über die lokalen Verhältnisse Bescheid, so argumentierte das Justizministerium in der Vergangenheit. Seit zwölf Jahren hat Rheinland-Pfalz einen Korruptionsbeauftragten. Der fungiert als Vertrauensanwalt und nimmt anonyme Hinweise entgegen. Der Staatsanwaltschaft erleichtert das die Arbeit.
"Der Anwalt unterliegt der Verschwiegenheitspflicht, das bietet für uns den großen Vorteil, dass er, weil er ja die juristische Ausbildung hat, eben nachfragen und uns einen Sachverhalt mitteilen kann, der im Gegensatz zu der anonymen Anzeige oft sehr Lückenhaft ist, den Sachverhalt umfassend darstellt. Es gibt Ermittlungsverfahren, die aufgrund des Korruptionsbeauftragten eingeleitet wurden und auch erfolgreich abgeschlossen wurden."
Wer meldet überhaupt einen Verdacht auf Korruption? Dazu Hans Peter Gandner:
"Überwiegend sind es anonyme Hinweise"
"Von Unternehmen, die sich geschädigt fühlen, erhalten wir selten Hinweise. Überwiegend sind es anonyme Hinweise, manchmal aus dem persönlichen Umfeld des Beschuldigten, wo Spannungen herrschen und sich dann einer dazu genötigt fühlt oder meint, dann hier Anzeige erstatten zu müssen."
Einen Korruptionsfall bei der Bahn deckte das Hauptzollamt im Zuge von Schwarzarbeits-Ermittlungen auf. Bei BASF Ludwigshafen flog die Bestechung eines Mitarbeiters durch ein Montageunternehmen auf, weil der geschädigte Chemiekonzern selbst interne Untersuchungen angestellt hatte. Und die sogenannte "Debeka-Affäre" stieß das Handelsblatt an. Die Zeitung berichtete Ende 2013, wie Mitarbeiter des Koblenzer Versicherers Adressen angehender Beamter bei deren Behördenkollegen kauften. In diesem Fall rief also die Presse die Ermittler auf den Plan. Weil das Unternehmen die Aufsichtspflicht verletzt hatte, verhängte der Landesbeauftragte für Datenschutz ein Rekord-Bußgeld von 1,3 Millionen Euro. Für die Staatsanwaltschaft Koblenz ist der Fall damit nicht erledigt.
"Das Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der Debeka dauert noch an, nähere Auskünfte möchte ich heute nicht geben."
Ermittelt wird gegen neun Debeka-Mitarbeiter wegen des Verdachts auf Bestechung, bestätigt Oberstaatsanwalt Gandner, und gegen fünf Beamte wegen Verdachts auf Bestechlichkeit.
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