Korruption in Spanien

Zu viel Wirklichkeit

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Tag der Streitkräfte in der Innenstadt von Madrid. © picture alliance / dpa / Víctor Lerena
Von Gregor Ziolkowski · 26.11.2014
Der Fall des Leutnants der spanischen Armee, Luis Gonzalo Segura, sorgt in Spanien für Schlagzeilen: Er ist zum zweiten Mal in "militärisches Arrest" genommen worden. Nur, weil er einen Roman veröffentlicht hat, der von Missständen in der Armee erzählt.
Man hat ihn wieder festgesetzt. Luis Gonzalo Segura, Leutnant des spanischen Heeres, 37 Jahre alt und seit zwölf Jahren im Militärdienst, sitzt in einem Spezialgefängnis in Madrid. Der Arrest kann bis zu 30 Tage dauern, es braucht keine Verhandlung, die Öffentlichkeit muss nicht informiert werden - eine interne Angelegenheit, die man intern regelt und öffentlich beschweigt. Welche Schuld der Mann auf sich geladen hat? Er hat ein Buch geschrieben, genauer gesagt: einen Roman. Einen Thriller, der von Korruption und Unterschlagung beim Militär handelt, von einem Rechtsverständnis, wie es in Zeiten der Franco-Diktatur üblich war, von mafiösen Strukturen, die auch vor Mord nicht zurückschrecken. Er hat geahnt, womit er daraufhin zu rechnen hatte.
"Man wird versuchen, mich einzusperren, man wird versuchen, mich zu entlassen. Ich wusste das alles von Beginn an. Und wenn das nicht funktioniert, wird man mich als Person herabwürdigen unter irgendeinem Vorwand, sei er real oder erfunden. Man wird mich persönlich fertigmachen. Mir ist klar, dass meine berufliche Laufbahn am Ende ist. Und mir ist auch klar, dass man mir in den kommenden Monaten das Leben zur Hölle machen wird. Aber dennoch: Es musste getan werden."
Er hat es getan, und sein Buch mit dem Titel "Ein Schritt nach vorn", im Frühjahr dieses Jahres erschienen, signalisiert genau dies: Heraustreten aus der Formation in Reih´ und Glied, Missstände aufzeigen, üble Praktiken zum Thema machen. Warum bekommt die Truppe Lebensmittel mit überschrittenem Verfallsdatum, während sich der Kommandeur der Einheit einen Swimmingpool bauen lässt? Warum hat die Offizierskaste Golfplätze und Clubs zu ihrer exklusiven Verfügung? Warum wird mitten in der Wirtschaftskrise das Offizierskorps mit neuen Mänteln ausgerüstet, die praktisch nicht gebraucht werden?
Zwei Monate Militärarrest
Die Themen und Fragen, die das Buch aufwirft, rühren an ein Tabu: Das Militär, ein Staat im Staate, will sich nicht in die Karten gucken lassen. Der Leutnant Luis Gonzalo Segura hatte ganz recht mit seiner düsteren Vorausschau. Gerade publiziert das Buch, hat man ihn zu zwei Monaten Militärarrest verdonnert. Er trat in einen Hungerstreik, wurde in dessen Folge ins Militärkrankenhaus gebracht, Ende August endete die Episode, er durfte wieder seinen Dienst verrichten. Aber -
"Man hat mir meine Chip-Karte deaktiviert. Wenn ich in meine Kaserne will, geht eine spektakuläre Prozedur los: Man muss dann den diensthabenden Kasernen-Chef anrufen, um ihm zu sagen, dass ich da bin. Ich kann da also nicht mehr hinein wie jeder Andere. Wenn ich in den Stab will, werde ich begleitet von zwei Wachhabenden, als wäre ich ein Straftäter. Die Situation ist ziemlich peinlich, ich denke, es wäre an der Zeit, die Sache ein bisschen normaler zu betrachten, oder?"
Er hat dafür getan, was er konnte: Öffentlichkeit herstellen, nicht nur mit seinem Roman, sondern auch in einem Blog einer Tageszeitung, in dem er sich seit einigen Wochen seinem Thema widmet: den Missständen im spanischen Militär. Man hat ihm das nicht verziehen. Seine erneute Arretierung vor wenigen Tagen ist ein klarer Beweis dafür. Das zuständige Ministerium, das für Verteidigung, gibt sich zugeknöpft: hier werde ein persönlicher Fall verhandelt, kein Kommentar.
Zwischen Strafversetzung, Entlassung oder gar Haftstrafe ist vieles denkbar in diesem Fall. Womöglich hilft diesem Mann, dass vor wenigen Tagen spanische EU-Parlamentarier eine Anfrage an das Parlament in Straßburg gerichtet haben, wie der Vorgang zu bewerten sei. Der Skandal ist erheblich: Hier wird ein Autor schikaniert, weil er einen Roman publiziert hat, in dem offenbar zu viel Wirklichkeit steckt.
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