Koreanisches Säbelrasseln

Von Martin Fritz · 06.04.2013
Nordkoreas Diktator Kim Jong-un geht es bei seinen nuklearen Drohungen um eine Demonstration der Stärke nach außen und innen. Auflösen ließe sich die Krise womöglich durch eine US-Sicherheitsgarantie für Nordkorea, meint Martin Fritz.
Fast täglich dreht Nordkoreas junger Führer Kim Jong-un an der Eskalationsspirale: Auf den Satellitenstart folgte der dritte Atomtest. Der eingemottete Reaktor in Yongbyon wird wieder hochgefahren. Den USA droht er mit einem Nuklearangriff. Gegenüber Südkorea herrscht jetzt "Kriegszustand". Mit der Industriezone Kaesong wurde das letzte Vorzeigeprojekt der innerkoreanischen Entspannung dicht gemacht.

Jedoch achtet Pjöngjang sorgfältig darauf, jeden dieser Schritte als Reaktion auf "feindselige" Handlungen der USA zu rechtfertigen. Gemeint sind massive Militärmanöver von Südkorea und ihrem US-Verbündeten sowie die Verlegung von Kampfflugzeugen und Zerstörern in die Region. Die UN-Sanktionen erklärt sich Pjöngjang auch als Machenschaft der USA, zumal der UN-Generalsekretär ein Südkoreaner ist. Trotz martialischer Kriegsrhetorik gibt es jedoch keine Indizien für Angriffsvorbereitungen. Schießübungen finden fernab von Truppen der USA und Südkoreas statt, die 1,3 Millionen Soldaten bleiben in den Kasernen.

Diese Diskrepanz spricht dafür, dass es Kim Jong-un um eine Demonstration der Stärke nach außen und innen geht. Im Umkehrschluss heißt dies: Der neue Führer sitzt immer noch nicht fest im Sattel. Aus seiner Sicht wollen die USA mit ihrer Aufrüstungs- und Sanktionspolitik einen Regime-Wechsel erzwingen. Zugleich muss er befürchten, dass ihm die Nomenklatura und das Generalskorps wegen seiner Unerfahrenheit nicht folgen. Und trotz aller Propaganda muss er auch das einfache Volk erst einmal von seiner Legitimität als Machthaber überzeugen. Auf alle drei Herausforderungen hat der junge Kim eine Antwort gefunden - die Atombombe.

Nach außen garantiert der Besitz von Atomwaffen und Trägerraketen die Souveränität Nordkoreas. So hat es das Regime kürzlich selbst formuliert. Anders gesagt: Aus Angst vor einem nuklearen Gegenschlag werden die USA Kim Jong-un keinen Marschflugkörper in seinen Amtssitz schicken. Kim denkt dabei an das Schicksal von Saddam Hussein und Muammar Gaddafi, die ohne Atomwaffe durch US-Angriffe ihre Macht verloren.

Nach innen dient die Konzentration auf Atomwaffen als Ersatz für konventionelle Rüstung. Das soll Mittel für den Wirtschaftsumbau freisetzen. Ende März hat die Spitze der Arbeiterpartei dafür die Parole "Fortschritt im Tandem" (Byungjin) ausgegeben. Geplant sind mehr Freiheiten für Staatsbetriebe, eine Steigerung der Agrarproduktion und eine leistungsabhängige Bezahlung. Dafür hat Kim als neuen Regierungschef Park Pong-ju zurückgeholt, der schon vor zehn Jahren ähnliche Veränderungen probiert hatte. Zugleich sichert sich Kim mit der Forcierung der Atombewaffnung die Loyalität der Generäle, die an wirtschaftlichem Einfluss verlieren sollen.

Doch diese Strategie hat Kim und seine Hintermänner - vor allem sein Onkel Jang Song-taek und der faktische Armeechef Choe Ryong-hae - in eine Sackgasse geführt. Nicht nur die USA, sondern auch China und Russland wollen Nordkorea nicht als Atommacht anerkennen, vor allem aus Sorge vor einem nuklearen Wettrüsten in der Region. Südkorea will neuerdings jede Provokation militärisch beantworten, ohne die politischen Folgen zu beachten, und wird darin von den USA bestärkt.

Damit wächst die Gefahr einer bewaffneten Konfrontation, die Kim als Papiertiger entlarven würde. Einen Krieg kann er nicht gewinnen, die Mittel für einen Atomschlag hat er auch nicht. Zwei Szenarien sind nun denkbar: Die USA erhöhen ihren Druck auf Pjöngjang, in der Hoffnung auf einen Kollaps des Regimes. Kalkulierbarer und sicherer wäre es, einen Gesprächskanal mit Pjöngjang zu suchen, etwa über Peking.

Ähnlich wie 1994 ließe sich die Krise womöglich durch eine US-Sicherheitsgarantie für Nordkorea auflösen, wodurch Kims Atomrüstung weniger notwendig würde. Diese Garantie würde Kim Jong-un zwar nach außen und innen als Führer stärken und seine Terror-Herrschaft verlängern. Verglichen mit den menschlichen und ökonomischen Kosten eines zweiten Korea-Krieges wäre dies aber das kleinere Übel.
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