Konzept-Buchhandlung in den USA

Eine Galerie für Gedrucktes

Screenshot von der Internetseite des Buchladens "One Grand" in Narrowsburg, New York
Screenshot von der Internetseite des Buchladens "One Grand" in Narrowsburg, New York © onegrandbooks.com
Von Jürgen Kalwa · 04.01.2016
"One Grand" heißt ein neuer Buchladen in der Nähe von New York. Sein Besitzer sucht den Erfolg mit einem ungewöhnlichen Programm. In den Regalen stehen nur wenige Titel - nämlich Empfehlungen von Kultur-Promis, darunter John Irving, Annie Lennox oder Tilda Swinton.
Kurz vor Weihnachten erst hat er eröffnet: ein kleiner Laden an der Hauptstraße eines kleinen Ortes. Narrowsburg. Zwei Stunden außerhalb von New York. Es herrscht Betrieb.
"You want this wrapped separately?"
"You can wrap them together."
"Wollen Sie, dass ich Ihnen das getrennt verpacke?" Der Mann, der jedes Mal die Frage stellt, heißt Aaron Hicklin. Er verkauft Bücher. Und zwar überraschend viele. Denn obwohl er in seinem neuen Laden – "One Grand" – nur knapp 300 Titel anbietet, ist die Neugier der Kunden groß: Nicht der Buchhändler hat festgelegt, was hier im Regal steht. Das haben sogenannte Kuratoren getan, Prominente aus der Kulturszene, die Hicklin um die Liste ihrer zehn Lieblingsbücher gebeten hat.
Empfehlungen von Berühmtheiten
Die Top-Ten-Empfehlungen von Autoren wie John Irving und Sarah Waters, von Schauspielern wie Tilda Swinton, oder von Regisseuren wie John Waters stehen nun alle im Regal. Auch Musiker und Musikerinnen sind auch unter den Programmgestaltern. Mit dabei - Annie Lennox:
"She is a very sincere person and this is a very sincere selection of books. She cares deeply about the world. She's really invested in HIV eradication in Africa."
"Sie ist ein ernsthafter Mensch", sagt Hicklin. Eine Frau, die gerne Querverbindungen zwischen ihrer künstlerischen Arbeit und ihren literarischen Neigungen herstellt. Zum Beispiel zu ihrem ersten Soloalbum – "Diva"
"Die Videos wurden in Venedig gedreht. Sie hat für den Laden ein Buch über Venedig ausgewählt. Das sagt etwas über ihre Zuneigung zu der Stadt. Aber es spiegelt auch einen bestimmten Punkt in ihrer Karriere."
Das Buch: "Francesco's Venice" von Francesco da Mosto, einem venezianischen Architekten, Historiker und Filmemacher.
Eine weitreichende Auswahl von Werken hat John Irving geliefert – Bücher, die ihn von Anfang an in seiner Schriftsteller-Karriere inspiriert haben.
"Da ist 'Moby Dick', 'Madame Bovary', Charles Dickens. Das macht klar, dass seine Wurzeln als Schriftsteller mit den Klassikern verbunden sind."
Aber Irving hat auch seinen besonderen Respekt für "Die Blechtrommel” von Günther Grass nicht vergessen. Da steht sie – die englische Fassung. Mit der Geschichte von Oskar Matzerath, von der Irving für seinen Roman "Owen Meany" nicht nur die Initiatalen "OM" entlehnte.
Denkhorizont statt alphabetische Sortierung
Anhand solcher Beispiele zeigt Aaron Hicklin, was ein Buchladen auch sein kann: Eine Herausforderung, sich von der eingefahrenen lagerhaushaften Denkstruktur mit ihren Themensegmenten und alphabetisch sortierten Büchern zu verabschieden. Und sich einzulassen auf einen anderen Denkhorizont.
"Weil es ein kleiner Raum ist, funktioniert er wie eine Galerie: Wo man sich anschaut, was andere Menschen ausgewählt haben. Und wo man herausfinden möchte, wer sie eigentlich sind."
Wie in einer Galerie will Hicklin Titel und Kuratoren rotieren lassen. Was weichen muss, wird aber weiterhin auf der Webseite von One Grand zu finden sein. Teil des Konzepts, diese sehr spezielle Auswahl an Büchern nicht als pure Effekthascherei zu präsentieren.
Für New York, sagt Hicklin, der im Hauptberuf Chefredakteur des größten amerikanischen Schwulenmagazins "Out" ist, kam so ein Concept-Store nicht in Frage. Die Mieten sind dort viel zu hoch. Aber nahe seinem Wochenenddomizil, am Oberlauf des Delaware, unweit jener Wiesen, auf denen 1969 das Woodstock-Festival stattfand, schien es möglich.
"Narrowsburg ist klein, aber hier leben Künstler und Autoren und Menschen, die so etwas unterstützen. Hier hat ein solcher Buchladen eine ganz andere Ausstrahlung als in einer Großstadt wie New York. Er besitzt eine gewisse Magie."
Neue Perspektiven für den kleinen Ort
Wenige Wochen nach der Eröffnung ist schwer zu sagen, ob der bestens vernetzte Hicklin ein auf Dauer lebensfähiges Modell für den Buchhandel gefunden hat. In jedem Fall aber öffnet er Narroswburg und Umgebung neue Perspektiven.
"Tilda Swinton hat versprochen, im Februar eine Lesung zu veranstalten."
Das passt zu Narrowsburg, einem Ort, der nicht mehr vor sich hindöst, sondern in dem etwas passiert. Und einer, für den sich nun noch mehr New Yorker interessieren werden. Dank einer guten Idee und guter Literatur.
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