Konversion

Wie ein evangelischer Pfarrer zum Katholiken wurde

Hans Janßen bei seiner Priesterweihe in Hamburg; Aufnahme vom 16. Mai 2012. Janßen trägt einen Ehering, weil er vom Protestantismus konvertierte und als katholischer Pfarrer weiterhin mit seiner Ehefrau zusammenlebt.
Hans Janßen bei seiner Priesterweihe in Hamburg © picture alliance / dpa
Von Josefine Janert · 15.02.2015
Hans Janßen aus Bremen ist verheiratet, er hat vier Kinder und war viele Jahre evangelischer Pfarrer. Doch dann packte ihn die Sehnsucht nach einer anderen Art von Frömmigkeit - und er entschloss sich zu einem radikalen Schritt.
Ein Sonntagmorgen gegen zehn. In Bad Oldesloe, einer Stadt nördlich von Hamburg, füllt sich die katholische Kirche St. Vicelin. Mehr als 3700 Menschen gehören zu der Gemeinde, darunter viele katholische Migranten aus Osteuropa. Seit gut zwei Jahren ist Hans Janßen hier Priester. Die meisten Mitglieder der Gemeinde wissen, dass der 57-Jährige früher einmal evangelisch war:
"Stören tut das definitiv nicht. Ich denke, eher im Gegenteil, das ist eine Erweiterung des Horizonts. Wir haben ja einen Pfarrer, der selber Kinder hat, was ja bei den Katholiken sehr, sehr ungewöhnlich ist. Ich glaube, er hat mehr Verständnis für familiäre Situationen."
"Ja, gut. Wenn man hört: Evangelischer Pfarrer, und wir wissen ja den Unterschied: katholisch, evangelisch. Und die Frage war: Wird er uns das so vermitteln können, und wie kriegt er das für sich hin? Aber wir haben das Gefühl, es ist ihm ernst, und er macht die Gottesdienste wunderbar."
Zusammen mit den Ministranten hat der Priester die Kirche betreten. Hans Janßen ist ein hochgewachsener Mann mit schütterem grauen Haar. An seiner Hand blitzt ein Ehering. Er lebt mit seiner Frau Karin im Pfarrhaus neben der Kirche.
Der Konflikt entzündet sich am Abendmahl
Bis 2008 war Hans Janßen Pfarrer in einer evangelischen Gemeinde. Dann konvertierte er zusammen mit seiner Frau zum Katholizismus. Wie es dazu kam, erzählt er nach der Messe im Pfarrhaus. Es ist gar nicht dafür gedacht, eine Familie zu beherbergen. Der Platz reicht nur aus, weil die vier erwachsenen Kinder nicht mehr bei ihren Eltern leben.
Hans Janßen stammt aus Bremen. Mit 20 Jahren beginnt er, Evangelische Theologie zu studieren. Zu diesem Zeitpunkt hat er noch nie eine katholische Messe besucht.
"Offen gesagt, ich bin damals gar nicht auf die Idee gekommen, einen intensiveren Blick auf die katholische Kirche zu werfen."
Nach dem Studium und dem Vikariat tritt Hans Janßen nacheinander Pfarrstellen in zwei kleinen Orten in Norddeutschland an. Seine Frau ist Krankenschwester und Hebamme. Sie ist evangelisch, so wie er.
Schon bald kommt es zu Unstimmigkeiten zwischen Hans Janßen und anderen evangelischen Pfarrern. Er trägt beim Gottesdienst ein weißes Messgewand, obwohl in der evangelischen Kirche sonst eher ein schwarzer Talar üblich ist. Den empfindet Janßen als unpassend. Er erinnert ihn an die dunkle Amtskleidung, die Uni-Professoren früher bei festlichen Gelegenheiten trugen.
Vor allem aber entzündet sich der Konflikt am Abendmahl.
"In der Apostelgeschichte heißt es: Sie kamen täglich zusammen und brachen das Brot."
Für Hans Janßen ist es wichtig, mit anderen Christen das Brot zu brechen. Im Gottesdienst soll nicht nur das Wort Gottes verkündet und der Verstand angesprochen werden. Die Gemeinde soll Gott auch sinnlich erleben - eben durch das Abendmahl. Deshalb feiert Janßen es jeden Sonntag, auch wenn der Gottesdienst dadurch etwas länger dauert.
Andere evangelische Pfarrer feiern das Abendmahl jedoch nur einmal im Monat oder noch seltener. Sie beziehen auch Menschen mit ein, die nicht getauft sind. Und wenn nach dem Abendmahl Brot übrig ist, dann wird es in manchen Kirchen mit Schokocreme bestrichen und an die Kinder ausgeteilt.
Hans Janßen findet beides unsäglich. Er ärgert sich darüber, dass einige seiner Kollegen so mit dem Brot umgehen:
"Das habe ich nie so geteilt, allein, wenn es so wäre, wäre diese Brot, weil es geweihtes Brot ist, ja auch hinterher anders als vorher. Es unterscheidet sich fortdauernd. Da hat es Differenzen gegeben. Wir haben darüber auch intensiv gesprochen, auf Pfarrkonferenzen. Es blieb allerdings eine Differenz, und diese Konferenzen hatten regelmäßig das Ergebnis, dass es verschiedene Positionen gab."
2007 glaubt Janßen, sein Wirken als evangelischer Pfarrer nicht mehr vertreten zu können
Janßen stört, dass es in der evangelischen Kirche keine Klarheit darüber gibt, was das Abendmahl bedeutet. Nach lutherischer Auffassung ist Jesus Christus beim Abendmahl in Brot und Wein wirklich anwesend. Reformierte Christen sprechen eher von einem Mahl im Gedächtnis an ihn. Letztlich fehle also das gemeinsame Verständnis dafür, was Kirche eigentlich ist, schimpft Janßen.
"Und es ist irgendwann die Frage gekommen: Wenn ich hier abweiche vom Mainstream der evangelischen Kirche, ist das denn wirklich die Kirche, in der ich zu Hause bin, zumal ich sie als Pastor ja auch vertreten muss? Und da habe ich zunehmend Zweifel bekommen. Und es hat mit meiner Frau etliche Gespräche gegeben."
2007 glaubt Janßen, sein Wirken als evangelischer Pfarrer nicht mehr vertreten zu können. Er sieht seine Heimat nun in der katholischen Kirche. Sie hat seiner Meinung nach eine einheitliche, überzeugende Auffassung vom Altarsakrament, wie das Abendmahl auch genannt wird. Janßen schreibt einen Brief an den katholischen Bischof von Hamburg. Der lädt ihn umgehend zu sich ein. Sein Angebot: Ein Jahr lang soll Janßen nachdenken und im Gespräch mit katholischen Geistlichen herausfinden, was Gottes Weg für ihn ist.
Karin Janßen fällt die Entscheidung für die katholische Kirche schwer:
"Da ich die katholische Kirche vorher nur durch die Außenansicht kannte. Das, was man im Fernsehen sieht, oder das, was man drüber gelesen hat. Aber es waren wenige Katholiken, die ich vorher tatsächlich kannte. Später bin ich nach Fulda gefahren, in die Abtei zur Heiligen Maria, und habe dort gute Zeiten erlebt. Für mich waren die Frauen, die dort als Ordensfrauen lebten, ganz entscheidend. Die haben es mir leichter gemacht, diesen Schritt zu gehen, weil ich die dann kannte."
Nach einem Jahr sind Hans und Karin Janßen bereit zu konvertieren. Manche Menschen aus ihrer evangelischen Gemeinde verstehen das, andere nicht.
Seine Frau darf ihn begleiten
Hans Janßen will nun auch als katholischer Geistlicher tätig werden. Seine Gesprächspartner in der katholischen Kirche sind damit einverstanden. Jedoch soll Janßen noch einmal studieren. Für drei Jahre geht er als Vollzeitstudent an die Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. In dieser Zeit im Priesterseminar erhält Janßen finanzielle Unterstützung von der katholischen Kirche. Seine Frau sieht er während der Zeit nur gelegentlich.
"Ich würde das jetzt nicht als Umweg bezeichnen. Ich glaube, dass das Hören auf Gott selten den kürzesten Weg von A nach B geht, sondern dass wir gar nicht auseinander bekommen, was da sein musste, was nicht sein musste, sondern dass in allem Gott schon mit einem auf dem Weg ist."
2012 wird Hans Janßen schließlich zum Priester geweiht. Da die katholische Kirche Scheidungen ablehnt, darf seine Frau ihn begleiten, als er die Pfarrstelle in Bad Oldesloe antritt. Hans Janßen ist froh. Das Abendmahl, das in der katholischen Kirche Eucharistie genannt wird, feiert er nun mehrmals pro Woche in der Messe.
"Ich habe mich wiedergefunden - das ist eine Formulierung, die ich erst später kennengelernt habe, die ich hätte kennen können, auch als evangelischer Theologe - über die ich aber erst später in meinem katholischen Studium noch mal intensiv nachgedacht habe, dass die Eucharistie Quelle und Höhepunkt unseres Lebens als Christen ist. Das ist eine Formulierung aus dem Zweiten Vatikanum."
Über ein loses Netzwerk ist das Ehepaar Janßen mit anderen Pfarrern verbunden, die ebenfalls katholisch geworden sind. Männer dieses Schlages soll es eine ganze Reihe geben. Und offenbar auch ganz unterschiedliche Gründe für den Wechsel. So fühlen sich einige Pfarrer der Jungfrau Maria stark verbunden. Natürlich gibt es auch Priester, die von der katholischen in die evangelische Kirche gewechselt sind.
Obwohl er weiter mit seiner Ehefrau lebt, hält Hans Janßen den Zölibat für richtig. Missgunst von Seiten der katholischen Priester, die ja nicht heiraten dürfen, habe er bislang nicht erlebt:
"Ich meine: Verheiratet sein, Kinder großziehen ist ja auch ne Aufgabe. Das hat ja auch mehrere Aspekte. Nein, ich habe keinen Neid erlebt."
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