Kontrabassist Matt Brewer

Beeindruckendes Debüt als Bandleader

Matt Brewer
Matt Brewer © Chris Cross
Von Johannes Kaiser · 08.12.2014
Er hörte schon Musik, als er noch nicht einmal geboren war: Matt Brewer hat seine tiefe Liebe zur Musik von zu Hause mitbekommen. Auch Talent hat er - und schon bald war es ihm nicht mehr genug, nur Mitspieler zu sein. Nach einer Solo-CD ist nun folgerichtig sein erstes Album als Bandleader erschienen. Und das lohnt sich zu hören.
Matt Brewers Vater und sein Großvater sind beide Jazzmusiker. Seine Mutter war Radio-DJ. Jazz wie Klassik hatten bei ihm zuhause einen hohen Stellenwert. Da fiel der Apfel nicht weit vom Stamm: Mit zehn begann er Kontrabass zu spielen. Nach Unterricht in klassischem Kontrabass am Interlochen Center for Arts fing er bereits mit 12 Jahren an, bei Jazzgigs rund um seine Heimatstadt Albuquerque mitzuspielen, gewann erste Preise für sein Spiel, wurde dann Schüler des ersten Kontrabassisten der New Mexico Symphony Orchestra, um anschließend auf der Hochschule der Interlochen Arts Academy Klassik und Jazz zu studieren. Danach zog er nach New York, besuchte dort zwei Jahre lang die renommierte Julliard School of Music, bevor er ausstieg, um sich fortan als Jazzmusiker sein Brot zu verdienen. 2006 legte er eine Solo-CD vor, jetzt ist sein erstes Album als Bandleader erschienen.
"Ich habe schon Musik gehört, bevor ich überhaupt geboren wurde. Meine Mutter legte Kopfhörer auf ihren Bauch, als sie mit mir schwanger war. Sie spielte Platten wie 'Love supreme', Sachen von Debussy, alles mögliche. Als Kind spielten mir meine Eltern viel Musik vor. Im Prinzip gab es im Haus jeden Tag von morgens bis abends guten Jazz und Klassik zu hören. Wenn sich dieser Klang im Kopf festsetzt, dann entwickelt sich bei einem eine natürliche Liebe zur Musik."
Große Liebe zum Jazz und zur Klassik
So wurde aus dem 1983 in Oklahoma City geborenen Matt Brewer ein Musiker mit einer großen Liebe sowohl zum Jazz wie zur Klassik und das bestimmte auch die Wahl seines Instruments. Zwar begann er als kleines Kind auf einem Kinderübungsset Schlagzeug zu spielen, bekam sogar einen Schlagzeuglehrer, aber das war eher eine Spielerei. Als er dann mit zehn Jahren in den Sommerferien ein Musikcamp besuchte, auf dem die Kinder vier Wochen lange alle Orchesterinstrumente ausprobieren durften, fiel die Entscheidung:
"Ich habe eigentlich jedes Instrument ausprobiert. Mir haben das Saxophon, das Cello und der Bass sehr gut gefallen, aber da ich klassische Musik und Jazz mochte, dachte ich, dass der Bass am besten geeignet wäre, beides zu spielen. Das hat sich als richtig erwiesen. Jedes Musikgenre braucht einen Bassisten. Auch wenn ich mich dann vor allem für den Jazz interessierte, so wollte ich doch anfangs vor allem klassische Musik spielen."
Matt Brewer begann seine Laufbahn mit intensiven Klassikstudien, ohne allerdings den Jazz zu vergessen. Als er dann nach New York zog, wurde man rasch auf sein virtuoses, technisch brillantes Spiel aufmerksam. Prominente Jazzmusiker wie Greg Osby, Lee Konitz, Terence Blanchard oder Gonzalo Rubalcaba heuerten ihn als Sideman an. Doch Matt Brewer hatte zu viele Ideen, um nur die Kompositionen anderer nachzuspielen:
"Es fing damit an, dass ich eigene Stücke zu Proben und Jam-Sessions mitbrachte, ohne sie vor Publikum zu spielen. Aber je mehr ich komponierte und je mehr Stücke ich hatte, desto dringlicher wollte ich eigene Gigs bekommen und meine Musik vorstellen. Ich bin wirklich ganz glücklich damit, Mitspieler zu sein, aber es ist aufregend, vor den Leuten die eigene Musik zu spielen."
Kraftvolle, aufregende Duette
Einige der acht Stücke auf Matt Brewers Debüt-CD als Bandleader wie zum Beispiel der Titel 'Joya' sind bereits vor langer Zeit entstanden und stehen jetzt neben jüngsten Kompositionen.

"Damals habe ich eine Menge Bartók gehört und die Art und Weise, wie er Intervalle schafft, hat mich fasziniert. Bei der Eröffnungsmelodie von 'Joya' kann ich heraushören, dass die seiner Musik entsprungen ist. Es war eine der ersten Balladen, die ich geschrieben habe, die mir richtig gut gefallen hat. Mark Turner spielt da eines der schönsten Saxophonsoli, die ich jemals gehört habe."
Matt Brewer hat sich für seine Stücke aber nicht nur den hochgelobten Tenorsaxophonisten Mark Turner ins Studio geholt, sondern auch den Altsaxophonisten Steve Lehmann, in dessen Band er seit langem mitspielt. Die beiden melodietragenden Stimmen sorgen immer wieder für kraftvolle, aufregende Duette. Ihre Melodiebögen verschränken sich ineinander, münden bisweilen in satte Unisonopassagen. Ihr Spiel prägt den Klang der ganzen CD. Genau das hat Matt Brewer gewollt.
Seine Musik entsteht normalerweise am Klavier oder auf der Gitarre, nur selten am Bass. Während er über Jazzstandards improvisiert, fällt ihm plötzlich die eine oder andere Idee für eine kurze Melodie ein. Gefällt sie ihm, arbeitet er sie aus, schreibt die Noten ganz klassisch auf Notenpapier, gibt sie dann in den Computer ein, druckt sie aus und schickt sie an seine Mitspieler. Er hat also schon ziemlich genaue Vorstellungen davon, was sie spielen sollen, auch wenn sie in ihren Soli dann eigene Ideen für Variationen des vorgegebenen Themas entwickeln können. Nur eines der acht Stücke stammt nicht aus seiner Feder, ist eine Bearbeitung einer Komposition von Ornette Coleman. Auch wenn man es vielleicht nicht sofort heraushört, für alle Stücke Matt Brewers gilt doch, dass sie von seiner Liebe zur Klassik geprägt sind. Und das ist wenig erstaunlich.
Bei Improvisationen kommt Bach durch
"Wenn ich übe, fange ich mit Bachs Suiten für Cello an. Es ist schon eine besondere Herausforderung, sie auf dem Kontrabass zu spielen. Aber es hat mir geholfen, eine bessere Intonation zu finden. Die Klassik hat mir also bei der Technik geholfen, aber ich weiß, dass das Hören der Musik von Bach auch das Material, dass ich spiele, beeinflusst hat. Wenn man improvisiert, bezieht man seine Anregungen aus allen mögli-chen Quellen, aber Bachs Musik ist nur mal besonders schön und melodisch. Alles, was man hört, verändert das, was man als Improvisator spielt. Da ich Bachs Stücke so oft spiele, kommt dieses melodische Material dann in irgendeiner Form durch, wenn ich improvisiere."
Man muss Bachs Einfluss nicht heraushören, um von Matt Brewers Debüt beeindruckt zu sein. Es gibt einen neuen Bassisten und Komponisten zu entdecken.