Konferenz "Theater und Netz"

Spielstätten der Zukunft

Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard (r)
Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard (r) soll gegen das Ausländergesetzverstoßen haben und postet mit Erfolg in den Netzwerken darüber. © picture alliance / dpa / Foto: Axel Heimken
Von Alexander Kohlmann · 03.05.2015
Auch 20 Jahre nach Beginn der digitalen Revolution fremdelt das Theater immer noch mit dem Netz. Auch deshalb gibt es seit drei Jahren die Konferenz "Theater und Netz". Die ist jetzt gerade in Berlin wieder zu Ende gegangen. Dieses Mal ging es um Technik, Ästhetik und Politik.
Wenn Berlins Kulturstaatssekretär Tim Renner träumt, dann sieht er eine "Digitale Bühne Berlin" vor sich. Eine Bühne, die jeden Abend ein anderes Berliner Haus bespielt. Und eine Bühne, auf der Formate stattfinden, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können.
"Die digitale Bühne hat ja die Möglichkeit, zu spielen mit dem, was digital möglich ist, das heißt nicht nur, dass ich irgendwelche neuen Formate entwickele, wie erzähle ich ein Theaterstück so, dass Teilhabe möglich wird, das kann aber auch bedeuten, serielle Produktionen, also wie kann ich eine Geschichte erzählen, kleinteilig, so dass sich Leute die immer wieder anhören."
Die Vernetzung des Theaters mit dem Internet steht noch ganz am Anfang. Soviel ist Konsens unter den Teilnehmern der dritten Konferenz "Theater und Netz". Die wird auch in diesem Jahr gemeinsam von der Heinrich Böll Stiftung und dem Internetportal nachtkritik.de veranstaltet. Wie sehr das Thema an Bedeutung gewinnt, zeigen die Teilnehmerzahlen. Noch nie haben sich trotz Berliner Theatertreffen so viele Menschen für den Stand der Entwicklung interessiert wie in diesem Jahr.
"Theater und Netz", das bedeutet immer noch für viele Intendanten eine erweiterte Form der Öffentlichkeitsarbeit. So sind unter den Konferenzteilnehmern auch erstaunlich viele Mitarbeiter der Theater-PR-Abteilungen. Denn diese hochgebildeten Menschen, die fast immer einen künstlerischen NV-Bühne Vertrag haben, sind eigentlich die Theater-Pioniere im Internet. Und dürfen dann doch oft nur Bilder posten und Spielpläne bewerben. In mehreren Panels widmet sich die Konferenz dem Marketing.
Ziemlich technisch und ziemlich planbar scheint das Netz in diesen Workshops. Da geht es dann immer um die Frage, wie bekomme ich viel Aufmerksamkeit, aber sehr wenig um konkrete Inhalte.
Erfolgreiche Netzkampange von Amelie Deuflhard
Marketing Klein-klein ist das, über das die Leiterin der Kampnagel Kulturfabrik in Hamburg an diesem Tag entspannt lächeln kann. Gegen Amelie Deuflhard wird von der Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt. Mit der Beherbergung von Flüchtlingen soll sie gegen das Ausländergesetz verstoßen haben. Seit sie den Vorgang postete, quellen die Netzwerke über. Kampnagel hat bekommen, wovon hier alle Träumen, die volle mediale Aufmerksamkeit.
"Da, wo sich plötzlich alle für interessieren, da braucht man natürlich auch keine Kampagne, weil die entsteht dann von alleine im Schneeballeffekt, das ist in diesem Fall auch so. Ich habe es vor einer Stunde auf Facebook gepostet und habe schon unglaublich viele Kommentare. Und es stimmt. Normalerweise, weil so viele posten, selbst wenn man viele Freunde hat, gibt es wenig Kommentare, aber da wo wirklich so ein Streitpunkt, eine Empörung ist, da funktioniert es natürlich von alleine."
Es geht eben doch auch im Netz um Inhalte. Das beruhigt dann doch etwas, nach soviel Debatten um die Planbarkeit des PR-Erfolgs.
Inhalte, ja Kunst im Netz, das ist nicht alleine die Vision von Tim Renner. Auf dem Podium bekommt er Unterstützung von Christian Holtzhauer, dem Vorsitzenden der Dramaturgischen Gesellschaft.
"Ich glaube tatsächlich, dass wir erst ganz am Anfang einer langen Entwicklung stehen, die wahrscheinlich erst in hundert Jahren oder so abgeschlossen sein wird. Die interessante Frage, die das Theater beschäftigen muss, ist doch die, wie verändern neue Technologien, wie verändern neue Medien die Art und Weise, wie wir als Mensch miteinander kommunizieren und unsere Gesellschaft organisieren."
Wie die Erfindung des elektrischen Lichtes
Das Netz sei für die Theater ein so elementarer Wandel wie die Erfindung des elektrischen Lichtes, findet Holtzhauer. Leider hätten die Häuser diese Wandel bisher kaum bemerkt. Sie spielen, um beim Licht zu bleiben, immer noch im Dunkeln. Größtenteils jedenfalls. Denn ein paar Künstler gibt es offenbar tatsächlich, die die digitale Bühne schon so selbstverständlich bespielen, wie die analogen Holz-Bretter von früher.
"Es wird immer dann spannend, wenn man eigentlich die Zuschauer die live anwesend sind, wenn die sich eigentlich irgendwie in Kommunikation mit denjenigen begeben, die gerade nicht anwesend sind, wenn sozusagen diese beiden Ebenen zusammentreffen."
Sagt Franziska Werner, die Leiterin der Berliner Sophiensaele.
"Also vielleicht als Beispiel, wir hatten eben das besagte Beispiel von Lukas Matthaei, ´Im Apparat der Kriege`. Man konnte das einerseits vom Netz aus verfolgen, man konnte aber auch einfach live dabei sein – und am Live-Event teilnehmen."
Franziska Werner hat sie schon entdeckt, die Digitale-Natives und Regisseure von morgen, diejenigen also, die Renners Traum vom digital vernetzten Theater wahrmachen könnten. Damit das Netz irgendwann mal mehr für die Theater ist, als erweiterter Schaukasten oder digitaler Erinnerungsraum.
Ob sich diese Vision schon mit dem neuen "Terminal Plus", der geplanten digitalen Spielstätte der künftigen Volksbühne verwirklichen lässt? Wir werden sehen – und spätestens im kommenden Jahr über den Stand der Dinge diskutieren, auf der nächsten, dann vierten Konferenz "Theater und Netz".

Weitere Informationen zu der Konferenz "Theater und Netz" finden Sie auf der Homepage.
Mehr zum Thema