Kompromissloser Hausaufgabenverweigerer

20.08.2010
Mit 15 Jahren zu Hause rausgeflogen, mit 16 die Schule geschmissen und mit 20 als jüngster jemals eingestellter Abteilungsleiter zu Apple: Macht selbst was aus eurem Leben, lautet die Botschaft von James Marcus Bach, der diesen Weg hinter sich hat.
Ernst beugt sich die Lehrerin über den Achtjährigen. "Wenn du nicht als Tankwart enden willst", droht sie, "solltest du deine Hausaufgaben machen." - "Ich brauche kein Geld", erwidert der Junge schüchtern. "Wenn ich groß bin, gehe ich in die Rocky Mountains, baue mir eine Hütte und jage Kaninchen."

Heute ist James Marcus Bach erwachsen. In seinem Buch "Die Freibeuterstrategie" erzählt er, was aus ihm wurde. Ab der zweiten Klasse verweigerte er Hausaufgaben und Prüfungen. Mit 15 quartierte ihn seine überforderte Mutter in ein Motel aus, mit 16 schmiss er die Schule. Doch er ging nicht in die Rocky Mountains, sondern zur Computerfirma Apple, wo er mit 20 der jüngste jemals eingestellte Abteilungsleiter wurde.

Nun verbreitet er seine Botschaft: Schule ist Mist, macht selbst was aus eurem Leben und eurer Bildung. Und so steif der bärtige Softwarespezialist in seinen YouTube-Videos wirkt - sein Buch sprüht vor Leidenschaft, wilden Einfällen, ungewöhnlichen Perspektiven und dem beneidenswerten Talent, aus einer einzigen Metapher einen ganzen Kosmos an Gedanken, Fragen, Hoffnungen und Visionen zu entwickeln.

Die Freibeuter des 17. Jahrhunderts entstammten dem bunten Völkergemisch der Westindischen Inseln. Mit dem Einfallsreichtum der Entrechteten setzten sie sich gegen die spanische Fremdherrschaft zur Wehr. Wie sie möchte James Bach erzwungene Ordnungen überwinden, mit dem Wind seiner Inspiration auf den Meeren des Geistes segeln, sich auf die faule Haut legen, wenn ihm danach ist, oder seiner Neugier hemmungslos in neue Welten folgen, auch wenn es ihn schlaflose Nächte kostet.

In zwölf Kapiteln holt der Autor aus dem Bild der rauen Segler, was nur herauszuholen ist. Dabei verschränkt er seine aufmüpfige Lerntheorie mit bewegenden Anekdoten aus seinem Leben; denn die innere Freiheit fiel ihm keineswegs in den Schoß, sondern ist eine Frucht mühevoller Emanzipationsarbeit. Wunderbar haben Gabriele Gockel und Thomas Wollermann das Schnoddrig-Elegante der amerikanischen Sprache ins Deutsche übertragen, einschließlich der feinen Ironie des Autors und seiner Ausflüge in die Respektlosigkeit.

Man kann an dem Buch einiges kritisieren. Kompromisslos empfiehlt der Autor seinen Lebensweg der Welt, ohne ausreichend zu bedenken, wie sehr er von seiner Intelligenz und der intellektuellen Familie profitierte. Doch hat er deshalb unrecht, wenn er sagt: Schule und Klassenzimmer alten Zuschnitts sind Orte, an denen Kinder und Jugendliche über Jahre hinweg Versagensängsten, Schamgefühlen und der Unterstellung ausgeliefert werden, sie wären ohne immensen seelischen Druck nicht bereit, etwas über diese Welt zu lernen?

James Bach schreibt ein bisschen selbstverliebt und auf den hinteren Seiten auch redundant. Sein Bekenntnis zur geistigen Freiheit aber ist Wohltat, Ermutigung und Rückendeckung für alle, die ihr Vertrauen in das wilde Meer des selbstbestimmten Lernens setzen, weil ihnen das Astronautenfutter der vorgeformten Wege nicht schmeckt.

Besprochen von Susanne Billig

James Marcus Bach: Die Freibeuterstrategie - Durch selbstbestimmtes Lernen zum Erfolg
Aus dem Englischen von Gabriele Gockel und Thomas Wollermann
Verlag Antje Kunstmann, München 2010
226 Seiten, 18,90 Euro
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