Königskinder auf schiefer Ebene

Von Natascha Pflaumbaum · 30.09.2012
Der Theater- und Opernregisseur David Bösch hat in Frankfurt Engelbert Humperdincks nicht so bekannte Oper "Die Königskinder" auf die Bühne gebracht: Ein Kunstmärchen im Schonraum, das nichts birgt, was uns heutzutage noch bewegen kann, urteilt die Rezensentin.
Dass heute zwei Menschen nicht heiraten können, weil sie unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten angehören und "die Gesellschaft" dagegen angeht, ist schon eine etwas altertümliche Geschichte, der man allenfalls einen aktuellen Reiz abgewinnen kann, wenn man sich vorstellte, bei den Königskindern handele es sich um Homosexuelle, streng gläubige Moslems, Priester oder den Papst selbst – also um Gesellschaftsgruppen, deren freie Partnerwahl heute in der Tat von gewissen Menschen in gewissen Ländern sanktioniert wird.

Für den Regisseur David Bösch hat diese Königskinder-Geschichte aber wohl gar keinen aktuellen Reiz, sie bleibt ein Märchen im Schonraum märchenhaft-naiver Fantasie, in der wandernde Königssöhne karierte Hemden tragen und dreiviertellange Hosen und Gänsemägde hellblaue Tüllkleider und lange blonde Haare.

So niedlich David Bösch zusammen mit seinem Bühnenbildner Patrick Bannwart die Frankfurter Bühne ausgestattet hat – reichlich Bühnennebel, Sternenpanorama, Pyrotechnik, wandelnde Lichtstimmungen, eine schräge Bühne mit Kinderkreidekritzeleien, Gänse- und Blumen-Pappfiguren und Lagerfeuer bilden märchenhafte Tableaus über drei Akte hinweg - so wenig relevant ist sie aber auch. Man kann sich noch so sehr bemühen, sie exemplarisch zu lesen: Diese Geschichte in der plakativen 1:1-Bilderbuch-Umsetzung von David Bösch birgt nichts, was uns heute noch bewegen oder gar weiterbringen kann.

Engelbert Humperdinck schreibt zu dieser Geschichte ja eine Musik, die schmissig beginnt, dann weit ausholt, ausladend ist, groß im Gestus ist, die düstere Natur-Stimmungen, heitere Jungmädchengefühle und erblühende virile Männerfantasien gekonnt und routiniert musikalisch umsetzt. Sebastian Weigle, der ein Händchen hat für die Musik dieser Epoche, macht daraus ein Fest, zumal ihm mit Amanda Majeski (Gänsemagd), Julia Juon (Hexe) und Daniel Behle (Königssohn) sehr gute Stimmen und hervorragende Schauspieler zur Seite stehen.

Am Ende fühlt man sich aber eben doch betrogen; betrogen, nicht um eine gute Geschichte mit einer gut gemachten Musik, aber um einen schönen, lauen Frankfurter Spätsommerabend.