Kochkünstler und Genussmensch

Von Heike Schwarzer · 06.01.2006
So zu kochen, wie er selbst es will - das ist das Ziel des Leipzigers Dietrich Enk. Da blieb ihm nur der Weg in die Selbstständigkeit. Nun ist der 32-Jährige Manager von drei Unternehmen und steht nur noch selten am Herd.
Eigentlich wollte er Schauspielregie studieren, aber nicht, um Theaterstücke zu inszenieren, sondern um Intendant zu werden. Heute ist Dietrich Enk so eine Art Intendant, nur nicht im Theater, sondern in der Gastronomie. Er ist einer der Vorreiter für junge extravagante Kochkunst in Leipzig. Dabei hat er sein erstes Restaurant nur gegründet, um so zu kochen, wie er will. Inzwischen gibt es das Restaurant Palermo, das Café Enk und das Mono. Alle mit der Handschrift von Dietrich Enk.

"Das ist der größte Tresen von Leipzig - der längste."

freut sich Dietrich Enk und macht sich einen Kaffee am neun Meter langen Tresen. Enk heißt das Café im neuen Museum der bildenden Künste in Leipzig. Enk, so wie der Chef: 32 Jahre alt, helle blaue Augen, Superkoch mit entsprechender Figur, Weltumsegler und fantasievoller Lebemensch

"Also der Raum ist ja um den Tresen herumgebaut. Eigentlich das ganze Museum. Alles nur für die Aussicht des Barkeepers."

16 schwarze Ledersessel drängen sich vor dem Tresen, doch dahinter liegt ein Raum von atemberaubender Größe. Erst in knapp 20 Metern Höhe endet der Sichtbeton auf der einen und die Glasfassade auf der anderen Seite. Hier wirtschaftlich zu arbeiten, das wird nicht einfach, Dietrich Enk ahnte das sofort.

"Aber das war mir völlig egal. Ich wollte unbedingt in dieses Haus. Ich war von dem gesamten Haus fasziniert"

und von der Sammlung: den Cranachs, den jungen und den alten Leipziger Malern, von Bernhard Heisig und seinem Bild des Gewandhauskapellmeisters Vaclav Neumann, von den altertümlichen Porträts Werner Tübkes und von Wolfgang Mattheuer.

"Mit der Schulklasse, wenn wir da vor dem Mattheuer "Hinter den sieben Bergen" auf diesen Holzbänken gesessen haben, da gab es so einen Anschauraum, da wurden die Bilder mit einer Art Paternoster immer hochgezogen. Da saßen wir da so..."

Heute ist Dietrich Enk den Bildern zwar ganz nah. Doch Zeit hat er keine. In der schmalen Küche vom Leipziger Museumscafé brodeln gewöhnlich Artischockenspaghetti, hier werden Matjessülzchen mit Portweinbirnen drapiert und sächsische Quarkkeulchen mit warmen Pflaumen.

Für Jörg Dittmer vom Bildermuseum ist der ideensprühende Dietrich Enk immer noch:

"mein Traumpartner. Als wir lange jemanden gesucht haben, haben wir uns so jemanden vorgestellt: einen kunstliebhabenden Einzelunternehmer, der dem Museumscafé eigenes Profil verleiht. Das tut er."

Kochlehre mit Superabschluss in Leipzig, dann Bundesbegabtenförderung und drei Jahre als Koch auf der "Thor Heyerdahl", ein Segelschiff für 15- bis 18-Jährige, die hier Disziplin und Verantwortung lernen. Mit dem schwimmenden Klassenzimmer ging es quer durch die Weltmeere.

"Wenn mir das jemand in Leipzig gesagt hätte, du musst jetzt nach Martinique fliegen und für 70 Leute ein Schiff proviantieren und hast einen Empfang für Thor Heyerdahl auf Barbados oder so, da hätte ich gesagt, das kann ich nicht. Aber dadurch, dass ich immer wieder neu konfrontiert war, hab ich es halt gemacht. "

1999 - ein kurzer Landgang in Leipzig, die Suche nach einem schnellen Job zu Hause, und schon wurden die Weichen anders gestellt.

"Und als ich nach Leipzig zurückkam, da habe ich einfach keinen Job gefunden, wo ich dachte, das hältst du ein halbes Jahr durch."

Die Strukturen der Topgastronomie schreckten ihn ab. Ganz gleich ob Traditionshäuser oder Hotelgastronomie - alles war ihm zu eng.

"Wenn ich alleine auf einem Schiff für 50 Leute kochen kann, warum soll ich denn dann mit 15 anderen Köchen für 20 Superreiche kochen?"

Er musste das Allee gründen, sein eigenes Restaurant, um so zu kochen, wie er wollte: frisch und unkonventionell.

"Dann habe ich mir Geld geborgt von einer Tante und gekocht und gekocht und gekocht und oft genug im Restaurant geschlafen, weil ich es bis ins Bett nicht mehr geschafft habe. Das war wirklich so eine selfmade-Ostgeschichte."

Das Allee, eines der ersten Leipziger Szenelokale mit edler frischer Küche, ist inzwischen verkauft. Und zum Kochen kommt Dietrich Enk auch nicht mehr. Der Leipziger Gastronom hat drei Unternehmen zu managen. Ein nächstes ist immer in Sicht.

"Ich hab mich selbstständig gemacht, damit ich so kochen kann, wie ich will, nicht weil ich ein Riesenunternehmen aufbauen wollte. Und jetzt, durch die Entwicklungen, die das Unternehmen genommen hat, habe ich mir meinen eigenen Arbeitsplatz kaputt gemacht. Ich muss an die Front."

Jeden Morgen sitzt Dietrich Enk drei Stunden in seinem Büro im gläsernen Palermo-Restaurant. Dann steigt der kräftige Hüne mit den dichten kurzen Haaren auf sein Fahrrad und radelt quer durch die Leipziger Innenstadt zur Hochschule für Grafik und Buchkunst.

"Ich bin ja schon eine Weile an der Peripherie dieses Viertels. Hier will man nicht weg."

Erst im Oktober hat Caféwirt Ecki Grundmann gemeinsam mit Dietrich Enk in der Kunsthochschule das Café Mono eröffnet - natürlich mit frischer Küche, aber nicht nur für die Stars der Neuen Leipziger Malerschule

"Auch wenn kaum ein amerikanischer Sammler über das Café nachdenken wird, in dem Herr Neo Rauch seinen Espresso jeden Morgen trinkt, wenn er auf Arbeit kommt. Aber das sind Möglichkeiten, die uns natürlich auch motivieren."

Leidenschaft und Fantasie - ohne Hingabe läuft bei Dietrich Enk gar nichts.

"Ich schließe auch nicht aus, dass ich mal ein Flugzeug fliege"

oder dass er ein Kochbuch schreibt, für seinen Freund und Verleger Peter Hinke.

"Ich bin einer der ständig neue Sachen aufruppt, also ich habe auch die Taschen voller Ideen und Projekte und Anfragen, wo ich jetzt schon weiß..."

Erst abends zu Hause, bei seiner Frau und den drei kleinen Kindern, kommt Dietrich Enk endlich zur Ruhe.

"Das riecht gut. Das ist Winterwirsing mit Rauchfleisch und Bratkartoffeln."

Sonntagabend kocht Dietrich Enk für die ganze Familie. Die Vorspeisen sind für die Kinder extra ohne scharfen Ingwer und Chili. Und am Morgen geht’s in die Kirche.

"Ich habe eine Zeitlang im Waldstraßenviertel gewohnt, da sind wir immer in den katholischen Gottesdienst gegangen, obwohl wir Lutheraner sind. Aber es war schön dort, dort ist so eine ganz aktive Gemeinde. Da haben wir schon überlegt, ob wir die Kinder dort in die Lehre schicken. Aber die Ökumene ist noch nicht so weit. Die Jungs sind da noch ein bisschen verklemmt."